Hochwasserschutz in Merseburg Hochwasserschutz in Merseburg: Familie schaltet Anwalt wegen hässlichem Schutzwall ein

Merseburg - Die Ausflugsdampfer auf der Saale sind von Olaf Neckes Grundstück jetzt nicht mehr zu sehen. Eine mächtige Stahlwand, 110 Meter lang und bis zu 1,60 Meter hoch, schneidet das einst so idyllische Fleckchen Erde in direkter Nachbarschaft des Flusses in zwei Teile. „Es fällt mir schwer, mich an den Anblick zu gewöhnen. Man versucht sich so eine Mauer vorzustellen. Aber wenn sie erst steht, dann muss man schon schlucken“, sagt Neckes Partnerin Uta Stötzner.
Viermal wurde das 5 200 Quadratmeter große Grundstück an der Werderstraße seit 1994 von der Saale überflutet. Um die wenigen Wohnhäuser an der Saale zu schützen, plante der Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) auf Betreiben der Stadt sein Konzept für den Südosten Merseburgs um. Statt die Bundesstraße 181 zwischen der Saalebrücke und dem Abzweig Neumarkt als eine Art Damm auszubauen, wurde eine Stahlwand als Puffer zwischen dem Fluss und den Privatgrundstücke eingezogen - die dennoch auch den Neumarkt schützt.
"Die Lärmbelästigung ist unerträglich"
Die Flureigentümer beteiligen sich freiwillig an den Kosten mit einem Euro pro Quadratmeter bebauter Fläche und 50 Cent für den Quadratmeter Grünland. 43.000 Euro kommen so zusammen - ein in Sachsen-Anhalt einmaliger Vorgang. Die anfängliche Zuversicht ist im Hause Necke der Ernüchterung gewichen. Noch im Januar dieses Jahres war die Familie besorgt, weil sich die Arbeiten verzögert hatten. „Ich möchte keine Angst mehr vor einem Hochwasser haben müssen“, hatte Uta Stötzner seinerseits erklärt. Der Bau zerrt nun an den Nerven. „Die Lärmbelästigung ist unerträglich gewesen.
Das ganze Haus hat gewackelt“, sagt Uta Stötzner. Fünf Meter tief wurden die Stahlelemente in den Boden gerammt. Links und rechts der Mauer wird ein jeweils ein Meter breiter Weg angelegt, damit Einsatzkräfte aber auch Mitarbeiter des LHW die Anlage erreichen können. Diesen Streifen Land, knapp drei Meter breit, will der LHW von Olaf Necke abkaufen. Der Juwelier hatte, um das Grundstück nicht zerreißen zu lassen, einen Vorschlag unterbreitet. Er wollte dem LHW einen zehn Meter breiten Flurstreifen direkt an der Saale schenken. Dann hätte die Mauer nicht direkt im Garten gebaut werden müssen - doch diese Idee wurde nicht aufgegriffen. Jetzt bleibt nur ein schmaler Durchlass, um von einem Grundstücksteil zu dem anderen zu gelangen. Steigt das Wasser, wird das Portal mit mobilen Elementen verschlossen.
Anstrich ist nicht vorgesehen
Doch der Ärger, so erzählt es Uta Stötzner, geht weiter. Ein Anstrich für den Wall aus Stahl sei nämlich nicht vorgesehen gewesen. „Das ist so üblich. Solche Wände bleiben, wie sie sind“, meint Bernd Ebenrett, Projektverantwortlicher im LHW. Um der Familie entgegen zu kommen, habe man die Landseite grün gestrichen. Hin zum Wasser soll es beim rostigen Originalton bleiben. „Das kann doch nicht sein. Die komplette Wand muss gestrichen werden“, schimpft Uta Stötzner. Mittlerweile habe man einen Anwalt eingeschaltet, um die Angelegenheit (und nicht nur diese) klären zu lassen. Außerdem kritisiert die Familie den unzureichenden Informationsfluss seitens des LHW und der Baufirma zu den Grundstücksbesitzern. Dass Zufahrten für die Arbeiten gesperrt werden mussten, habe man erst erfahren, als bereits gewerkelt wurde.
Bernd Ebenrett reagiert auf die Vorwürfe mit Unverständnis. „Die Leute müssen uns dankbar sein, dass sie künftig nicht mehr vom Hochwasser bedroht werden.“ Informationen gebe es jeweils dienstags vor Ort zu den Bauberatungen. Ebenrett gibt freilich zu, „dass der eine Polier vielleicht auskunftsfreudiger ist als der andere“. Ein Problem sei das aber nicht.
Die komplette, 1,07 Millionen Euro teure Hochwasserschutzanlage soll übrigens schon in diesem Oktober und damit einen Monat früher als geplant fertig werden. Dazu gehört auch der ausgebaute Deich am Mittelkanal. (mz)