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Ermittlungen nach Corona-Protest Hat Polizeichef Querdenkern applaudiert?

Ministerium entbindet „hochrangigen Beamten“ in Merseburg von seinen Aufgaben. Er soll seine Neutralitätspflicht auf einer Corona-Demo verletzt haben.

Von Robert Briest 19.12.2021, 20:00
Bei der Demo kritisierten die Teilnehmer die staatlichen Corona-Maßnahmen.
Bei der Demo kritisierten die Teilnehmer die staatlichen Corona-Maßnahmen. Foto: Briest

Merseburg/Magdeburg/MZ - Das Ende einer Demo von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen hat für den Leiter des Polizeireviers Saalekreis möglicherweise Folgen. Kurz nach dem Protest, der laut Polizei von einem Bürger angemeldet, im Verlauf aber vor allem durch die AfD geprägt wurde, kritisierten einige Augenzeugen auf Twitter: Der örtliche Polizeichef „klatscht für die Querdenker“. Nach MZ-Informationen soll die Demonstration rund um den Hauptbahnhof der Saalestadt mit dem Sprechchor „1,2,3 - Wir lieben die Polizei“ zu Ende gegangen sein. Die Teilnehmer hätten den Beamten applaudiert, deren Revierchef sei dann seinerseits klatschend auf die Demonstranten zugegangen, so der Vorwurf.

Staatsdiener klatscht für Staatskritiker

Der Applaus für die Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen wird nach MZ-Informationen nun durch das Innenministerium überprüft. Das Ministerium soll den Revierleiter noch am Wochenende vorläufig von seinen Aufgaben abgezogen haben. Ministeriumssprecherin Franziska Höhnl bestätigte auf MZ-Nachfrage nur eine Maßnahme gegen einen „hochrangigen polizeilichen Entscheidungsträger“, Namen und konkrete Funktion des Beamten wollte sie mit Verweis auf das Personalrecht nicht bestätigen. Sie erklärte zudem noch: „Es ist aus zwingenden dienstlichen Gründen geboten gewesen, dem Beamten das vorläufige sofortige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte auszusprechen.“

Für das Ministerium bestehe der Verdacht, dass der betreffende Beamte gegen die Neutralitätspflicht verstoßen hat. Ministerin Tamara Zieschang (CDU) äußerte dazu: „Neutralität ist für die Polizeiarbeit oberstes Gebot. Deshalb nehmen wir den Vorfall in Merseburg sehr, sehr ernst.“ Ihre Sprecherin ergänzte: Durch die Entbindung des Beamten von seinen Aufgaben wolle man den Schaden für das Ansehen der Landespolizei insgesamt und insbesondere des Reviers Saalekreis begrenzen und dessen Funktionsfähigkeit erhalten. „Zudem geht es auch um den Schutz des Beamten und umfassende Ermittlung aller be- und entlastenden Umstände in einem voraussichtlich anzustrengenden Disziplinarverfahren.“

Ohne Abstand und Maske

An der ursprünglich als „Spaziergang“ beworbenen Demonstration hatten sich knapp 350 Menschen beteiligt. Fast alle Redner der Auftaktkundgebung kamen aus Reihen der AfD. Ihre Wortmeldungen gingen teils deutlich über Kritik an Impfpflicht und Corona-Schutzmaßnahmen hinaus. Der Landtagsabgeordnete Daniel Wald behauptete etwa, in Deutschland entstehe „gerade der feuchte Traum eines jeden Diktators“. Die Demonstranten forderte er zum Widerstand auf. Die Teilnehmer standen meist regelwidrig eng und überwiegend ohne Maske zusammen.