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Umweltbewusste Kötschlitzer Grüne Hausnummer: Familie wurde für ausgeklügelten Energiesystem prämiert

Von Melain van Alst 21.07.2020, 13:35
Marko Mühlstein (l.) und Umweltministerin Claudia Dalbert (r.) übergeben Norbert und Grit Hoffmann die Grüne Hausnummer Plus.
Marko Mühlstein (l.) und Umweltministerin Claudia Dalbert (r.) übergeben Norbert und Grit Hoffmann die Grüne Hausnummer Plus. Melain van Alst

Kötschlitz - Seit gut einem Jahr wohnt Familie Hoffmann nun in ihrem Haus, das die alte Kunst des Fachwerks neu gebaut und gespickt mit energieeffizienten Systemen verbindet. Für das besondere System, das man von außen nicht gleich erkennen kann, was der Familie aber kaum Betriebskosten beschert, wurde sie nun mit der „Grünen Hausnummer Plus“ der Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt (Lena) und im Beisein der Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) ausgezeichnet.

Steine sind ein wesentlicher Faktor des Energiesystems

„Das ist die erste grüne Hausnummer, die wir im Saalekreis vergeben und erst die 18. im ganzen Land“, erklärt Marko Mühlstein, Geschäftsführer der Lena, die die Grüne Hausnummer als Auszeichnungswettbewerb erst im November 2017 ins Leben gerufen hat. Dabei wird noch einmal zwischen der Grünen Hausnummer und jener mit einem Plus unterschieden. „Das Plus ist für die, die besonders umweltgerecht bauen oder sanieren“, betont Umweltministerin Claudia Dalbert.

Besonders umweltgerecht beginnt bei den Hoffmanns schon unterirdisch. Bevor das Haus gebaut wurde, hat Norbert Hoffmann zusammen mit seinem Nachbarn Michael Aurich erst einmal 36.000 Ziegelsteine geputzt. Die stammen von einem alten Haus, das vorher auf dem Grundstück in Kötschlitz gestanden hat.

Die c, denn sie bilden den unterirdischen 130 Quadratmeter großen Speicher, in dem Hoffmanns das ganze Jahr über Wärme aufnehmen, die sie im Winter über die Bodenheizung in das Haus abgeben.

Das Energiesystem wird jedoch noch mit Fenstern ergänzt, die die im Sommer dimmbar sind

Der Großteil der Wärme stammt von einer Solarthermie-Anlage auf dem Dach. Darüber hinaus produziert eine Brennstoffzelle, die mit gekauftem Erdgas betrieben wird, den nötigen Strom für das Haus und die dabei entstehende Wärme erwärmt das Duschwasser und etwaiger Überschuss wandert in den Speicher. Dabei handelt es sich um einen Schichtwasserspeicher, mit 1,2 Kilometern Rohre, in denen sich Sole der Solarthermie befinden.

Ziel sei es, dass der sich in den kommenden Jahren auf bis zu 60 Grad über den Sommer aufheizen und die Wärme im Winter für das Haus mit einer Grundfläche von 147 Quadratmetern wieder abgegeben kann. Das eigentliche Energiesystem wird jedoch noch mit Fenstern ergänzt, die im Sommer dimmbar sind und so zwar den Blick nach außen ermöglichen, aber die Wärme draußen lassen. Und auch das Dach ist mit einer kleinen Raffinesse versehen: Es wurde so konstruiert, dass unter den Ziegeln eine Luftverwirbelung entsteht, die den Bereich kühlt.

Umweltbewusstes Haus: Abbruchziegeln, Solarthermie und Brennstoffzelle

Nach einem Jahr in dem Haus ist Norbert Hoffmann selbst beeindruckt, wie wenig Betriebskosten er in Summe verbraucht. „Das sind nur 66 Euro pro Monat und es wird noch weniger werden“, ist er sich sicher. Insgesamt habe er nur 305 Kilowattstunden aus dem Stromnetz gebraucht. Auch dass die Solarthermieanlage so effizient arbeitet und sogar in den sonnenschwachen Monaten im Januar und Februar Wärme erzeuge, habe er so nicht erwartet.

An den Erfolg des Systems glaubt auch Nachbar Michael Aurich, der zusammen mit Hoffmann viele Reisen durch Deutschland unternommen hat, um Spezialisten zu finden, die das neu ausgeklügelte System der beiden Männer irgendwie umsetzen können. Auch er hat sein Haus mit dem Festspeicher aus Abbruchziegeln, Solarthermie und Brennstoffzelle gebaut und ist mindestens so überzeugt davon, wie Hoffmann selbst.

Zusammenarbeit mit der Hochschule Merseburg

Ausgezeichnet wurde jedoch nicht nur Familie Hoffmann, sondern auch die Firmen, die das Abenteuer gewagt haben. „Es ist schwer, Handwerker davon zu überzeugen, etwas zu bauen, dass nicht den Standards entspricht“, sagt Hoffmann. Es habe lange gedauert, bis er die passenden Partner gefunden habe. Ein Partner hat Hoffmann vor allem in der Anfangsphase unterstützt. „Ich kenne ihn, weil er mir in der Erfindersprechstunde war“, erklärt Professor Dr. Dietmar Bendix von der Hochschule Merseburg.

Interessenten, die an einer ungewöhnlichen Idee arbeiten, können sich bei der Hochschule für eine Erfinderberatung anmelden. Je nachdem in welchen Bereich das Projekt falle, werde dann ein Ansprechpartner gesucht. So haben Bendix und Hoffmann viel über die einzelnen Elemente gesprochen, was theoretisch möglich sei und wo man vielleicht noch einmal neu nachdenken müsse. Wichtig sei gewesen, dass man in dem Haus Versorgungssicherheit herstelle, wenn mal eine Komponente ausfalle. „Eigentlich war aber ein Großteil auch moralische Unterstützung“, so Bendix. (mz)

Die Rohre kommen aus dem Festspeicher unter dem Haus.
Die Rohre kommen aus dem Festspeicher unter dem Haus.
Katrin Sieler
Die Fenster lassen die Wärme im Sommer nicht rein.
Die Fenster lassen die Wärme im Sommer nicht rein.
Katrin Sieler