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Gotthardteich Gotthardteich: Merseburgs blaues Auge

Von Marco Lieske 16.10.2015, 14:58
Trübe Herbststimmung am Gotthardteich: Das Gewässer übt trotzdem einen Reiz aus.
Trübe Herbststimmung am Gotthardteich: Das Gewässer übt trotzdem einen Reiz aus. Peter Wölk Lizenz

Merseburg - Seit nunmehr 750 Jahren prägt der Gotthardteich das Zentrum Merseburgs. Das „Blaue Auge“, wie das Gewässer hin und wieder aus romantischen Überlegungen bezeichnet wird, hat seinen Namen von Bischof Godehard von Hildesheim, nach dem auch die Gotthardstraße und das ehemalige Gotthardtor benannt wurden. Die erste urkundliche Erwähnung geht auf das Jahr 1265 zurück. Zu dieser Zeit konnte ein neuer Staudamm fertiggestellt werden, der auf Höhe der heutigen Weißenfelser Straße verlief. Das angestaute Wasser der Geisel wurde zur Fischzucht verwendet. Im Mittelalter war Fisch besonders während der Fastenzeiten, in denen der Verzehr von Fleisch untersagt war, gefragt.

Im 15. Jahrhundert baute Bischof Johannes von Bose einen weiteren Damm an der Ostseite des Teiches. Die Bauarbeiten führte 1483 Bischof Thilo von Trotha fort. Diesmal wurden auch der nahe gelegene Steinbruch und große Wiesen- und Ackerflächen mit in die Planungen einbezogen. Nachdem alle Arbeiten im Jahre 1540 abgeschlossen waren, hatte der Gotthardteich eine Gesamtfläche so groß wie hundert Fußballfelder.

Thilo von Trotha erneuerte und verbreiterte auch den Stadtdamm, da Merseburg bereits Opfer mehrerer Überflutungen geworden war. Nach einem Dammbruch im Jahre 1504 soll einer Überlieferung nach das Wasser „eines langen Mannes hoch“ auf dem Marktplatz gestanden haben. Dabei sollen Aufzeichnungen zufolge neun Menschen und 360 Tiere umgekommen sein.

Unter Herzog Christian I. entstanden am Teichdamm gegen Ende des 17. Jahrhunderts ein nach ihm benanntes Teichhaus und zwei Fischbecken. Das Wasser wurde zunehmend schmutziger, was zu langsam abnehmenden Erträgen führte. Deshalb wurden die Becken 1870 zugeschüttet und durch Grünanlagen ersetzt. Das Teichhaus wurde schon 1816 an den Gastwirt Bayer verkauft, der es umfunktionierte und ein Kaffeehaus eröffnete. Einige Zeit später konnte es durch einen Anbau und mit einer Terrasse auf der Teichseite erweitert werden.

Teichanlage geteilt

Im Jahre 1846 wurde die Trasse der Thüringischen Eisenbahngesellschaft errichtet, woraufhin die Teichanlage geteilt werden musste. Zu dieser Zeit entdeckten die Anwohner, dass ihr Gotthardteich mehr als ein Gewässer zur Fischzucht sein kann.

Der 1840 gegründete Verschönerungsverein stellte sich der Aufgabe, den Gotthardteich in ein zentrales Naherho-lungsgebiet zu verwandeln. Nachdem die Stadt Merseburg das Gelände im Jahre 1910 gekauft hatte, erkannte auch diese das Potenzial der Teichanlage. Rund um das Gewässer entstanden Wege und Blumenbeete, die später durch eine Promenade und einem Steg unter dem Durchlass am Bahndamm ergänzt wurden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das ehemalige Teichhaus des Herzogs durch Bombenangriffe stark zerstört und 1947 abgerissen. An dessen Stelle weihte man 1971 ein knapp neun Meter hohes Lenin-Denkmal ein. Zu DDR-Zeiten änderte sich mit der sozialistischen Rekonstruktion der Merseburger Altstadt das Panorama um den Gotthardteich sehr. Entlang der Naumburger und Weißenfelser Straße entstanden riesige Wohn- und Büroblöcke mit bis zu zwölf Stockwerken. Nach der politischen Wende demontierte man das Denkmal, und auch die Hochhäuser wurden schrittweise abgerissen.

In den vergangenen 20 Jahren konnte das Gelände rund um den Gotthardteich umfassend saniert werden. Wege, Brücken und Stege wurden dabei komplett erneuert. Auch die 1999 aufgrund von technischen Mängeln abgestellte Wasserfontäne sprudelt seit 2007 wieder. Der Gotthardteich erstrahlt heute zumindest optisch in ganzer Schönheit und bietet an seinen Ufern einen Ort zum Rückzug, zur Ruhe und Entspannung.