Flucht nach Gerichtsverhandlung Flucht nach Gerichtsverhandlung: Häftling entkam drei Bewachern

Magdeburg/MZ - Nach der Flucht eines Strafgefangenen vor dem Amtsgericht in Merseburg hat das Justizministerium eine Untersuchung des Falls angekündigt. Wie Ministeriumssprecherin Ute Albersmann am Montag sagte, soll der Bericht klären, wie der Mann fliehen konnte, obwohl er zwischenzeitlich von bis zu drei Beamten bewacht wurde. Konkrete Konsequenzen sollen aus dem Fall vorerst nicht gezogen werden.
Der 22-Jährige war nach einer erneuten Verurteilung durch das Amtsgericht geflohen und ist seitdem spurlos verschwunden. Wie Amtsgerichtsdirektor Peter Mertens sagte, musste sich der Häftling wegen Körperverletzung verantworten, nachdem er einen Mitinsassen mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hatte. Das Urteil: eine Geldstrafe mit 30 Tagessätzen à zwei Euro. (ram)
Mit seiner Flucht nach einer Gerichtsverhandlung am Freitagmittag hatte der 22-Jährige die Justiz vorgeführt. Denn wegen einer vermeintlichen Sportverletzung war der Mann, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine dreijährige Haftstrafe wegen diverser Raubstraftaten in der Jugendanstalt Raßnitz abzusitzen hatte, vor Gericht auf Krücken und ohne Fußfesseln erschienen. Auf dem Weg vom Gerichtsgebäude zum Gefangenentransporter habe er laut Ministerium die Gehhilfen fallen lassen und sich dann aus dem Staub gemacht.
Wie das Ministeriums am Montag auf MZ-Anfrage mitteilte, soll es sich um einen Sammeltransport mehrerer Gefangener gehandelt haben. Ob dieser Umstand die Beamten im entscheidenden Moment möglicherweise abgelenkt hat, müsse nun geklärt werden. Nicht bestätigen wollte die Justizsprecherin die Vermutung, dass der Häftling seine Blessuren im Fußbereich vorgetäuscht habe. Laut Angaben war die Verletzung wenige Tage zuvor im Krankenhaus Bergmannstrost in Halle diagnostiziert worden. Allerdings war es dem 22-Jährigen am Freitag gelungen, bei der Flucht zwei Verfolger abzuhängen.
Justizministerium in die Bredouille
Der zweite Vorfall dieser Art innerhalb weniger Wochen bringt das Justizministerium in die Bredouille. Denn nachdem im Januar ein verurteilter Vergewaltiger seinem Aufpasser beim Aufenthalt im Uniklinikum Halle entwischt war, sollten die Vorkehrungen verschärft werden. Nach der Panne wollte das Ministeriums künftig stets zwei uniformierte Justizvollzugsbeamte bei Ausführungen von Häftlingen als Aufsicht einsetzen - eine Auflage, die Albersmann gestern allerdings relativierte.
Wie viele Beamte im Einsatz seien, werde abhängig von den Gefangenen entschieden, teilte die Ministeriumssprecherin mit. Zudem habe sich die neue Anordnung nur auf Ausführungen, nicht jedoch auf Gefangenentransporte bezogen. „Der aktuelle Fall ist ein völlig anderer, außerdem waren theoretisch genügend Beamte vor Ort“, erklärte Albersmann.
Bei der Fahndung bittet die Polizei die Öffentlichkeit um Mithilfe. Gesucht wird demnach ein schlanker, 1,70 bis 1,75 Meter großer Mann mit kurzen, dunklen Haaren. Bei seiner Flucht trug der 22-Jährige eine blaue Hose, ein dunkelrotes Sweatshirt und eine olivgrüne Jacke. Hinweise nimmt die Polizei unter 03461/44 62 93 entgegen. Auf Nachfrage teilte die Polizei am späten Nachmittag mit, dass auf eine Fahndung mit einem Foto des Mannes bisher verzichtet werde. Dazu sei ein richterlicher Beschluss nötig, der derzeit nicht vorliegt. Die Gründe dafür waren zunächst unklar.