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Erstmaliges Vorgehen Erstmaliges Vorgehen: AfD-Stadtrat droht Geldstrafe fürs Nichtmitmachen?

Von Undine Freyberg 09.09.2020, 12:30
Sitzung des Stadtrates Merseburg (Archivbild)
Sitzung des Stadtrates Merseburg (Archivbild) Katrin Sieler

Merseburg - Etwas derartiges hat es im Merseburger Stadtrat noch nie gegeben: Gegen einen der Volksvertreter wird möglicherweise ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, weil er bis auf die konstituierende Sitzung des Stadtrates am 4. Juli 2019 keinerlei weitere Sitzungen des Stadtrates oder seiner Ausschüsse wahrgenommen hat.

Bei dem betreffenden Stadtrat handelt es sich um Michael Gläsel, der im vergangenen Jahr für die AfD ins Parlament eingezogen war. Da dieser mehr als ein Jahr lang allen Sitzungen fernblieb, habe er laut Kommunalverfassungsgesetz (KVG) sein Ehrenamt nicht wahrgenommen beziehungsweise dessen Ausübung verweigert, sagte der Stadtratsvorsitzende Roland Striegel (SPD/Grüne) jetzt während der Sitzung des Hauptausschusses des Stadtrates.

„Das reicht aber nicht“

Gläsel hatte dem Stadtratsbüro mündlich sein Ausscheiden aus der Fraktion mitgeteilt. „Das reicht aber nicht“, wie Striegel gegenüber der MZ sagte. „Das muss schriftlich erfolgen.“ Bisher sei jedoch keinerlei schriftliche Information des AfD-Stadtrates in der Verwaltung eingegangen. Für Gläsel mag die Sache längst erledigt sein, laut KVG ist sie das nicht.

Im Paragraf 31 Absatz 2 heißt es nämlich: „Wer ohne einen wichtigen Grund die Übernahme eines Ehrenamtes oder einer sonstigen ehrenamtlichen Tätigkeit ablehnt oder ihre Ausübung verweigert, handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden. . . Ob eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und geahndet wird, entscheidet bei Mitgliedern der Vertretung die Vertretung.

Stadtrat nicht erreichbar

Im Übrigen trifft der Hauptverwaltungsbeamte die erforderlichen Maßnahmen.“ Das bedeutet, dass zunächst der Stadtrat entscheiden muss, ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden soll. Spricht sich die Mehrheit des Rates dafür aus, wird der Hauptverwaltungsbeamte - im Fall der Stadt Merseburg ist das Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) - dazu aufgefordert, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten, bei dem zunächst der betroffene Stadtrat die Möglichkeit haben muss, eine Stellungnahme abzugeben.

Für den Stadtratsvorsitzenden war Gläsel bisher nicht erreichbar. Auch die MZ hatte versucht, Michael Gläsel zu erreichen, was ebenfalls nicht gelang.

„Eine Fraktion sollte in der Lage sein, eine Auskunft von einem Fraktionsmitglied zu bekommen“

Striegel und Bühligen würden sich ein solches Ordnungswidrigkeitsverfahren gern ersparen. „Eine Fraktion sollte in der Lage sein, eine Auskunft von einem Fraktionsmitglied zu bekommen“, sagte Striegel. „Zumal diese Fraktion immer sehr auf Klarheit orientiert ist.“ Er hatte die Fraktion und Gläsel gebeten, sich bis zum 31. August zu erklären. Passiert war jedoch nichts.

Zur Stadtratssitzung am 10. September wird der Rat den OB vermutlich beauftragen, für die Oktobersitzung eine Beschlussvorlage zu erarbeiten, mit der dann beschlossen werden könnte, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. „Diese ganze Sache lähmt uns“, sagte Roland Striegel der MZ. „In der Zeit, in der wie uns damit beschäftigen, könnten wir uns um andere Dinge kümmern.“

Möglicherweise muss das Los entscheiden

Der Rat braucht allerdings auch die Gewissheit, ob die AfD-Fraktion aktuell acht oder neun Mitglieder hat. Denn danach entscheidet sich die Aufteilung der Vorsitze der Ausschüsse. Scheidet Gläsel aus der AfD-Fraktion und dem Stadtrat aus, müssten die Ausschussvorsitze neu geregelt werden - vor allem der Vorsitz des wichtigesten Ausschusses, des Finanzausschusses.

Das Recht, zuerst einen Ausschuss zu wählen, hätten damit die Fraktionen CDU und SPD/Grüne. Möglicherweise muss das Los entscheiden, wer zuerst auswählen darf. Auf jeden Fall dreht sich dann das Karussell. (mz)