Nach 30 Jahren Zwangspause Carl-von-Basedow-Klinikum in Merseburg bildet erstmals seit 30 Jahren wieder Hebamme aus

Merseburg - Die kurze Trennung von seiner Mutter scheint dem nur wenige Tage alten Säugling im Carl-von-Basedow-Klinikum in Merseburg nicht zu gefallen. Er weint und strampelt energisch mit den Beinen. Meike Hirschfeld legt seinen Kopf geschickt in ihre Hände, streichelt mit den Fingern über seine Stirn. Das Neugeborene beruhigt sich dadurch ganz schnell und schaut zufrieden.
Obwohl sie selbst nicht die Mutter ist, hat die 18-Jährige offensichtlich schon ein gutes Gespür für die Bedürfnisse eines Säuglings. Das benötigt sie auch: Hirschfeld ist nämlich Hebammenschülerin. Die erste im Basedow-Klinikum seit der Wende vor fast 30 Jahren.
Hebammenausbildung in Merseburg seit der Wende gebremst
Zu DDR-Zeiten durfte das Merseburger Krankenhaus den Hebammennachwuchs noch selbst ausbilden. Mit der Wiedervereinigung ging das nicht mehr. „Es trat Bundesrecht in Kraft und das sah die Ausbildung von Hebammenschülern nur noch an Krankenhäusern mit hohen Geburtenzahlen wie Universitätskliniken vor“, erklärt Anke Nerlich, die leitende Hebamme im Merseburger Basedow-Klinikum.
Auf diese Weise sollte gesichert werden, dass die Hebammen in den drei Ausbildungsjahren ausreichend Entbindungen selbst leiten konnten und entsprechend erfahren sind, um auch in schwierigen Fällen richtig zu handeln.
Geburtenentwicklung und Hebammenmangel änderten das
In den vergangenen Jahren hat allerdings ein Umdenken eingesetzt: Zuletzt sind die Geburtenzahlen wieder deutlich gestiegen. So erblickten allein in Merseburg im vergangenen Jahr 975 Babys das Licht der Welt - so viele wie seit 1990 nicht mehr, wie das Klinikum mitteilte. „Parallel dazu gibt es einen Mangel an Hebammen, so dass rechtliche Veränderungen überfällig waren“, sagt Nerlich.
Im vergangenen Jahr kamen im Basedow-Klinikum 975 Kinder auf die Welt - 249 mehr als im Vorjahr. 52,5 Prozent der Babys waren Jungen. 424 Schwangere bekamen ihr erstes Kind, 541 ihr zweites oder ein weiteres. 15 Prozent der entbundenen Frauen waren laut Klinikum über 35 Jahre alt.
Inzwischen ist es auch kleineren Krankenhäusern möglich, wieder Hebammen auszubilden. In Merseburg läuft dies über eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum in Halle. „Im dortigen Ausbildungszentrum erhalte ich die Theorie, den praktischen Ausbildungsteil absolviere ich hier in Merseburg“, erklärt Meike Hirschfeld.
Abiturientin bereut die Lehre zur Hebamme nicht
Für die Abiturientin war schon länger klar, dass sie einen Gesundheitsberuf ergreifen wird. Ihre Mutter ist die leitende Röntgenassistentin im Basedow-Klinikum. Noch während der Schulzeit hatte Meike Hirschfeld zudem ein Praktikum auf der Neugeborenenstation des Krankenhauses absolviert, kam dabei auch erstmals in Kontakt mit dem Kreißsaal.
„Aber erst im letzten Moment habe ich mich wirklich für die Ausbildung entschieden“, erzählt sie. Eine Entscheidung, die sie nach den ersten drei Monaten nicht bereue. „Es ist ein abwechslungsreicher Job, jede Geburt, jede Frau ist anders“, erklärt sie die Faszination, die sich durch einen Umstand noch verstärke: „Als Hebamme ist man eine absolute Bezugsperson für die Schwangere, hilft mit dem medizinischen Wissen, ist eine moralische Stütze.“
Chef-Hebamme Anke Nerlich freut sich derweil riesig über die Schülerin. Lange habe sie dafür gekämpft, wieder in Merseburg ausbilden zu dürfen. „Es ist wichtig, das Team immer wieder zu verjüngen, um fließende Übergänge zu schaffen, wenn mal eine Kollegin in Rente geht“, sagt Nerlich. (mz)