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Carl-von-Basedow-Klinikum Carl-von-Basedow-Klinikum: Der Chef packt langsam zusammen

Von Elke Jäger 13.12.2002, 15:56

Merseburg/MZ. - So viel Trubel um seine Person mag er eigentlich nicht. Köpernik spürt natürlich, dass Mitarbeiter und Patienten den Weggang bedauern - aber das sei schließlich immer noch besser als wenn sie ihn herbeisehnten, meint er mit leichtem Schalk in den Augen. Die Klinik weiß er in guten Händen, das ist das Wichtigste für ihn. Sein Nachfolger steht seit Juni fest und arbeitet bereits auf der Station, eine Oberärztin weiht er gerade in die letzten Geheimnisse des Ultraschalls ein.

Fast sein gesamtes Berufsleben ist mit dem Merseburger Krankenhaus verbunden. Im April 1961 fing er, frisch von der Uni Halle gekommen, an. Hatte bisher immer straff gelernt, um schnell fertig zu werden. 23 war er da und wollte als Allgemeinmediziner tätig sein. Dringend gebraucht wurde aber ein Gynäkologe, es war die Zeit, als viele Ärzte das Land verließen.

So wählte er schließlich diese Richtung für die Facharztausbildung. Die Familie lebte in Merseburg, war - ursprünglich aus dem Sudetenland stammend - nach Flucht und Vertreibung in der Stadt an der Saale hängen geblieben. Nun wurde sie Heimat für die junge Arztfamilie Köpernik. Das blieb sie auch, als er Anfang der 70er ans christliche Barbara-Krankenhaus nach Halle wechselte.

1977 kehrte er zurück, nahm die Stelle als Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe an. Seine Gründe waren eher pragmatisch: "Bevor man zuschaut, wie's kaputt geht, muß man schon selbst einsteigen." Die Abteilung hatte damals über 100 Betten, ambulante Eingriffe gab es nicht, alles fand im Krankenhaus statt. Auch die Zahl der Geburten lag weit höher als heute. Wieviel Kindern Herfried Köpernik mit auf die Welt geholfen hat - er zuckt die Schultern, hat irgendwann nicht mehr gezählt. Bei der Geburt der eigenen drei Söhne (heute zwischen 37 und 40 Jahre) war er dabei, eines der fünf Enkel hat er per Kaiserschnitt geholt.

Der erfahrene Mediziner hat nie aufgehört mit Lernen. Über sein besonderes Steckenpferd, den Ultraschall und dessen Möglichkeiten,

kann er Stunden plaudern. Das Barbara-Krankenhaus besaß damals als eines von vier Häusern in der DDR ein Ultraschall-Gerät, ab 1981 gab es auch in Merseburg eines, für den gesamten Umkreis. Hier war das Hospitationszentrum. Seit 1990 organisiert Köpernik für Sachsen-Anhalt die Weiterbildung auf diesem Gebiet und gilt als gefragter Experte.

"Man muss und kann das Sehen lernen", ist er überzeugt. Tausende von Ultraschall-Bildern hat er auf dem Computer gespeichert, seine Dokumentation von Krankheitsbildern und Föten in verschiedenen Entwicklungsstadien einschließlich möglicher Anomalien ist ein wahrer Schatz. Er schwärmt davon wie andere von ihren Amerika-Bildern. Seine Erfahrungen wird er noch eine Weile weitergeben, etliche Veranstaltungen stehen schon wieder im Kalender.

Die Bereitschaft, sich regelmäßig weiterzubilden, erwartet er einfach von seinen Kollegen. Ebenso bricht er eine Lanze für den Einsatz moderner Medizintechnik. Dass die Säuglingssterblichkeit in Deutschland derzeit unter sechs Promille liegt (in den 50er Jahren waren es 20), führt er auch auf die weit besseren Möglichkeiten der Überwachung von Mutter und Kind zurück. Dass würden wohl jene nicht immer bedenken, die über die Sterilität der Kreißsäle klagten.

Dem offiziellen Ruhestand sieht Köpernik gelassen entgegen. "Ich habe keine Sorge, dass ich in ein tiefes Loch falle", winkt er ab. Im Gegenteil. "Mein Problem ist, dass offenbar alle glauben, ich hab nichts mehr zu tun", meint er lächelnd. Die Anfragen nach Weiterbildungsveranstaltungen häufen sich in den letzten Tagen. Außerdem, eine Weile bleibt er ja dem Klinikum noch verbunden, wird die Ultraschalluntersuchungen bis März weiter durchführen.

Und dann soll künftig etwas mehr Zeit bleiben für die Familie. Zwei der Söhne sind Ärzte, die Schwiegertöchter auch, da kümmern sich die Großeltern schon öfter um die Enkel. Reisen, schon immer eine Leidenschaft der Köperniks, stehen in Zukunft sicher häufiger auf dem Plan. Für Amerika fehlte bislang die Zeit und auch für Australien. "Die ganze Welt steht uns offen", lacht der Mann. Haare und Schnauzer sind inzwischen weiß, agil ist er immer noch.

Und seit der politischen Wende im Land greift er selbst mit ins kommunale Geschehen ein. Er kandidierte 1994 erstmals für die CDU und gehört nach wie vor dem Merseburger Stadtrat an. Als bekennender Christ stand er immer auf Distanz zur SED-Politik, Weggehen war aber kein Thema für ihn. Es gab ja die Patienten und seine Verantwortung im Krankenhaus.

Den kritischen Blick hat sich der 65-Jährige bewahrt. Doch es ist kein Hadern mit dem Gesellschaftssystem, sondern mit einzelnen Erscheinungen. Dass die Jugend weggeht, die Zahl der Sozialfälle zunimmt, das Anspruchsdenken wächst. "Mir ist es noch nie im Leben so gut gegangen wie heute", setzt er mit Nachdruck entgegen. Auch wenn Jammern offenbar jetzt Mode sei, er könne das oft nicht nachvollziehen.

In den nächsten Tagen beginnt das Ausräumen. Vieles bleibt in der Klinik, Fachbücher und Unterlagen. Paar Erinnerungsstücke gehen mit nach Hause. Und erstmals seit 25 Jahren hat Dr. Köpernik Weihnachten dienstfrei. Ein eigentümliches Gefühl, schüttelt er nachdenklich den Kopf.