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Ausstellung Ausstellung: Leichenschau ohne Show

Von Robert Briest 10.03.2019, 07:48
Der „Scheibenmann“ ist das Kernstück der Ausstellung. Das Präparat wurde von Kopf bis Fuß in 182 Scheiben zerteilt.
Der „Scheibenmann“ ist das Kernstück der Ausstellung. Das Präparat wurde von Kopf bis Fuß in 182 Scheiben zerteilt. Peter Wölk

Merseburg - Über 200 Knochen hat der menschliche Körper. Wer möchte, kann sie an diesem Wochenende im Merseburger Ständehaus nachzählen. Dort liegt in einer Vitrine ein Skelett. Es ist eines von Dutzenden Exponaten der Körperausstellung - und echt. Es sind Leichen, die der für die Logistik der Schau zuständige Jeremy Sperlich in den großen Saale des Ständehauses geschafft hat. „Die Körper kommen aus den USA. Die Menschen haben sich für medizinische Zwecke zur Verfügung gestellt, um Schülern, Studenten, Auszubildenden zu zeigen, wie der Körper funktioniert.“ Ihre Leichname wurden für die Präsentation plastiniert. „Es wurden dafür die Flüssigkeiten und alles, was faulen könnte, entzogen und ersetzt.“

Auch wenn die Körperausstellung auf ihren Plakaten mit dem Zusatz „Das Original“ wirbt, verbinden die meisten Deutschen solche Schauen eher mit Gunther von Hagens’ „Körperwelten“. Gerade in ihren Anfängen, um die Jahrtausendwende herum, sorgte die Schau für teils heftige Kontroversen in Deutschland. Darf man Leichen ausstellen? In Berlin versuchte der Bezirk Mitte noch vor Kurzem die Einrichtung einer Dauerausstellung der „Körperwelten“ zu verhindern, weil die Ausstellung der Toten dem Berliner Bestattungsgesetz widerspräche. Nach längeren juristischen Auseinandersetzung erlaubte das Verwaltungsgericht, das Zeigen der plastinierten Körper, wenn von den Spendern ein explizite Einwilligung vorliegt.

Sperlich hat solche Kontroversen um seine Ausstellung, mit der er im Auftrag eines Engländers seit vier Jahren durch die Lande tingelt, noch nicht erlebt. „Der ein oder andere findet es extrem, die meisten sind aber begeistert.“ So eine Ausstellung sei heute kein Tabubruch mehr.

In der Tat lief die Ankündigung und Vorbereitung der Schau in Merseburg geräuschlos ab. Dies mag vielleicht auch an den unterschiedlichen Konzepten der beiden Schauen liegen. Während in den „Körperwelten“ kräftig gefärbte Leichen auch mal auf Pferden oder am Spieltisch sitzen, setzt Sperlichs Ausstellung auf akademische Seriosität. In ihrer rein analogen Aufmachung mit meist in Vitrinen präsentierten Exponaten und sehr ausführlichen Infotafeln kommt sie eher etwas spröde daher. Die Plastinate haben die natürliche Blässe, die sie durch den Verlust des Blutes und die Präparation bekommen. Nur bei einem Objekt sind zur Veranschauung die Muskeln rötlich gefärbt. Es geht den Ausstellungsmachern sichtbar um Wissensvermittlung, nicht um Effekthascherei.

Sperlich führt zu einer Vitrine, in der eine blasse Nichtraucher- neben einer schwarzen Raucherlunge liegt. „Da sieht man, was man seinem Körper antut.“ Auch an anderen Stellen der Schau spielen Krankheiten eine Rolle. Sperlich sagt, ihn fasziniere noch immer das stehende Präparat, bei dem die weißen Nervenbahnen herausgearbeitet sind, am meisten. Mit den Finger folgt er den Bahnen: „Die Laufen alle ins Kleinhirn.“ Dann deutet er auf den Rückenbereich. „Und wenn man mal Bandscheibenprobleme hat, kann man auch nachgucken, wie die aussehen.“ Mit Rückenschmerzen kennt er sich aus, schließlich mussten seine Helfer und er die schweren Vitrinen ins Obergeschoss des Ständehauses schleppen, weil der Fahrstuhl zu klein war. Ein wenig graut es ihm deshalb schon vor dem Abbau am Montag.

Ständehaus Merseburg, Sa & So

11 bis 18 Uhr, Eintritt 15, erm. 10 Euro.

(mz)