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Aufmerksam sein ist das Schwierigste

Von Undine Freyberg 18.01.2007, 16:23

Merseburg/MZ. - Kinder mit ADS, dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, oder ADHS, der Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung sind anders als andere Kinder, aber deshalb keine schlechteren Menschen. Haben sie das Glück, dass Eltern oder auch Lehrer ihr Anderssein bemerken, könnte ihnen beispielsweise mit einer Therapie im Merseburger Integrativen Zentrum zur Förderung hyperkinetischer Kinder geholfen werden.

Eltern, Sozialarbeiter und auch Pädagogen nutzten den Tag der offenen Tür in dieser Woche, um sich genauer über die Arbeitsweise der in der Region einzigartigen Einrichtung zu informieren. Auch die beiden Sozialarbeiterinnen Angelika Rüdiger und Gerlinde Neumann vom Kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst in Halle waren in die Domstadt gekommen. "Bei uns werden ja die Gutachten für die Kinder erstellt und wir schicken sie dann häufig hierher. Deshalb wollten wir uns heute mal vor Ort ansehen, mit welchen Methoden den Kindern hier geholfen wird", sagte Gerlinde Neumann.

Mehr als eine Stunde ließen sich auch drei Lehrerinnen der halleschen Diesterweg-Grundschule von den ADS-Therapeuten erklären, wie hier gearbeitet wird. Von Sandra Lindner erfuhren Katrin Gohr, Ute Lemke und Kerstin Horlbog beispielsweise, dass eine Therapie rund zweieinhalb Jahre dauert, wobei die ersten anderthalb Jahre Einzelbetreuung bedeuten. Die Kinder trainieren mit ihren Therapeuten in angenehmer Umgebung ganz alltäglich Dinge wie Basteln oder Kochen, lernen, ihre Wut im Zaum zu halten und ihnen werden Techniken und Tricks beigebracht, mit deren Hilfe sie es aus eigener Kraft schaffen können, aufmerksamer zu sein.

"Wir haben in unseren Klassen pro Klasse ein oder zwei Kinder, bei denen ADS bereits diagnostiziert wurde. In einem Fall geht das Kind bereits seit zwei Jahren zur Ergotherapie, aber ich habe den Eindruck, dass das nicht wirklich hilft", erzählt Grundschullehrerin Katrin Gohr. "Deshalb habe ich mich hier informiert, um Eltern, die nach weiteren Möglichkeiten suchen, dieses Zentrum zu empfehlen."

Dass eine Einrichtung wie die in Merseburg auch anderswo Zulauf hätte, belegen Zahlen. "Zu uns kommen derzeit insgesamt 60 Kinder", erklärt Susann Schwarze, die Leiterin des Zentrums. "Und die wohnen längst nicht alle in Merseburg. Bei uns werden Kinder aus Halle, dem Saalkreis, dem Landkreis Merseburg-Querfurt, dem Kreis Bitterfeld und dem Mansfelder Land betreut." Das Angebot, dass in vielen Fällen vom Amt für Jugend und Familie gefördert wird, richtet sich an Kinder und Jugendliche mit ADS im Alter von sechs bis 18 Jahren, die hier Selbstkontrolle und Selbstwertgefühl lernen können. Da auch viele Erwachsene von ADS betroffen sind, bieten die insgesamt fünf ADS-Therapeuten auch Erwachsenentraining an. "Wer den Verdacht hat oder weiß, dass sein Kind an ADS leidet, kann sich gern an uns wenden und einen Gesprächstermin vereinbaren, in dem wir Hinweise zu nötigen Schritten geben können", so Schwarze.

Integratives Zentrum zur Förderung hyperkinetischer Kinder, Weiße Mauer 28, Merseburg, Tel. 03461 / 232403, Mo-Fr, 8 bis 18 Uhr.