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Abwasserverband Bad Dürrenberg Abwasserverband Bad Dürrenberg: Sind Gebühren in risikoreiche Geschäfte geflossen?

Von Melain van Alst 08.05.2018, 10:50
Im Sommer 2017: Damals übergab Johanna Michaelis die Geschäftsführung des ZWA an Franz-Xaver Kunert.
Im Sommer 2017: Damals übergab Johanna Michaelis die Geschäftsführung des ZWA an Franz-Xaver Kunert. Peter Wölk

Bad Dürrenberg - Der Zweckverband für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung (ZWA) Bad Dürrenberg hat in der Vergangenheit Geld in risikoreiche Finanzgeschäfte investiert. Nach Informationen des Landesrechnungshofes soll es sich dabei um mittlerweile verbotene hochspekulative Derivate gehandelt haben.

„Zwischen 1999 und 2011 hat der ZWA Derivatgeschäfte abgeschlossen“, bestätigt Verbandsgeschäftsführer Franz-Xaver Kunert vorerst. Ob und wie hoch der finanzielle Schaden ist, der dem Unternehmen daraus entstanden sein könnte, könne der Geschäftsführer zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht sagen.

Der Verband, dessen Einzugsgebiet von Bad Dürrenberg, Teilen von Schkopau und Leuna bis in den Burgenlandkreis nach Hohenmölsen, Teuchern, Lützen und Weißenfels reicht, gehört zu den 50 Abwasserzweckverbänden in Sachsen-Anhalt, die im Zusammenhang mit möglichen Derivatgeschäften und deren Auswirkungen vom Landesrechnungshof geprüft wurden.

Auswirkungen auf Kunden oder Verbandsmitglieder werden geprüft

Es steht generell der Vorwurf im Raum, dass Verbände das Geld der Gebührenzahler sowie kommunales Geld in verbotene Zinsderivatgeschäfte investiert und dabei Millionen Verluste erlitten haben könnten. In ganz Deutschland sollen Kommunen und Verbände spekuliert haben. Welche Auswirkungen das auf Kunden oder Verbandsmitglieder hat, ist derweil noch völlig unklar.

Kurz nachdem Franz-Xaver Kunert die Geschäfte des ZWA im August vergangenen Jahres übernommen hatte, landete der Berichtsentwurf des Landesrechnungshofes auf seinem Tisch. Geprüft habe die Behörde nicht nur wegen möglicher Derivatgeschäfte, sondern grundsätzlich die Bücher des Unternehmens. „Die Derivate sind nur ein Teil des Berichts, wenn auch ein gewichtiger“, sagt Kunert nun.

Derivate sind hoch komplexe Finanzinstrumente, die genutzt werden können, um Zinsänderungen abzusichern. Diese Geschäfte seien nach Auskunft der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken „ausnahmsweise“ gestattet. Verboten ist dagegen seit 2012, hochspekulative Derivatgeschäfte und „unkalkulierbare Risiken mit kommunalem Vermögen einzugehen“.

ZWA-Geschäftsführer Kunert verspricht transparente Aufarbeitung

Aufgrund des laufenden Verfahrens hält sich ZWA-Geschäftsführer Kunert mit weiteren Details noch zurück. „Wir werden das Thema aber transparent aufarbeiten“, verspricht er.

„Nachdem der Entwurf eingegangen war, hat mich die Verbandsversammlung mit der unverzüglichen und lückenlosen Aufarbeitung und Aufklärung beauftragt. Daher habe ich umgehend die Prüfung durch einen externen Fachanwalt sowie eine externe Wirtschafts- und Steuerberatungskanzlei veranlasst.“

Die ehemalige Verbandsgeschäftsführerin Johanna Michaelis, die den Verband seit seiner Gründung 1992 geleitet hatte, wollte sich auf Nachfrage nicht äußern und verweist darauf, dass lediglich der Geschäftsführer Stellung beziehen dürfe. Derweil hat sie Mitwirkungsverbot in der Verbandsversammlung des ZWA erhalten. Sie hatte die Stadt Bad Dürrenberg ehrenamtlich in dem obersten Organ des Verbandes vertreten, nachdem sie als Geschäftsführerin 2017 in den Ruhestand gegangen war.

Das Verbot ist im Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt verankert und verbietet Ehrenamtlichen, beratend oder entscheidend an einer Angelegenheit mitzuwirken, wenn daraus für sie selbst Vor- oder Nachteile entstehen könnten.

Kurz nach dem Gespräch mit der MZ trudelte der bereits erwartete endgültige Bericht des Landesrechnungshofes ein. Damit hat der Verband nun Zeit, eine Stellungnahme zu verfassen. Die Behörde hat in dem Bericht ihre Rechtsauffassung zu verschiedenen Punkten erklärt, nun hat der Verband Zeit, seine darzulegen. Gleichzeitig wird der Verband Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, sofern dies nötig ist. Dies wird mehrere Monate dauern.

Was sind Derivate?

Das Wort Derivat stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie ableiten. Derivate werden von anderen Finanzprodukte abgeleitet. Das heißt, den Derivaten liegen beispielsweise Anleihen oder Zinsen zu Grunde. Daher haben diese komplexen Finanzinstrumente selbst keinen Wert, sondern profitieren vom Anstieg oder Verfall des ursprünglichen Finanzproduktes. Oft wird es mit einer Wette verglichen. Man könnte als Beispiel auf einen steigenden oder fallenden Ölpreis oder Getreidepreis setzen und man kann viel Geld verlieren, wenn nicht das eintritt, worauf spekuliert wurde.

Derivat ist nur der Oberbegriff, darunter fallen viele verschiedene Formen und die können zur Absicherung oder Spekulation genutzt werden. Häufig werden sie eingesetzt, um Wert- oder Kursschwankungen und Zinsrisiken abzufedern. Anzutreffen sind Derivatgeschäfte oft bei Rohstoffen. (mz)