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Umstrittene Deals Umstrittene Deals: Haben Sachsen-Anhalts Abwasserverbände mit Gebühren gezockt?

Von Jan Schumann und Melain van Alst 08.05.2018, 06:15
Haben die Abwässerverbände Sachsen-Anhalts mit Gebühren gezockt?
Haben die Abwässerverbände Sachsen-Anhalts mit Gebühren gezockt? imago stock&people

Halle (Saale) - Früher oder später bekommt fast jeder diesen Brief. Dann heißt es: Bitte zahlen! Sachsen-Anhalts Abwasserzweckverbände verschicken regelmäßig Rechnungen - das ist normal. Nicht normal ist: Einige der Verbände gehen offenbar nicht so sauber mit Geld um, wie sie es müssten.

Der Landesrechnungshof untersucht landesweit, ob Verbände kommunales Geld am Finanzmarkt verzockten - mit hochriskanten Derivaten. Bei der Analyse der 50 Verbände wurde die Behörde nun erstmals fündig: in Bad Dürrenberg (Saalekreis). Finanzpolitiker fordern bereits eine Taskforce, um mit den Finanzproblemen aufzuräumen.

Finanzgeschäfte im Abwasserverband: Oft sicher, teils hochriskant

In Bad Dürrenberg soll der Verband mit kommunalem Geld verbotene, hochspekulative Derivate gekauft haben. Es handelt sich dabei um sehr komplexe Finanzinstrumente, die eigentlich der Absicherung von Wertschwankungen dienen. Falsch angewendet können sie aber hohe Risiken bergen - und Löcher in die Kasse reißen. Deswegen gilt seit 2012 ein ausdrückliches Spekulationsverbot, fixiert per Erlass des Innenministeriums. Doch die Prüfer stießen offenbar dennoch auf eine Reihe von Verstößen.

Der Landes-Rechnungshof bestätigte der MZ, dass es im Fall Bad Dürrenberg verbotene Finanzgeschäfte mit Derivaten gab, äußerte sich aber nicht zur Größenordnung. „Uns wurde zudem angedeutet, dass es auch in weiteren Verbänden problematische Geschäfte gab“, sagte Olaf Meister (Grüne), Chef des Finanzausschusses im Landtag, der MZ. Aus Sicht des Abgeordneten verheerend: „Es besteht auch der Verdacht, dass Verluste aus solchen Geschäften auf die Bevölkerung umgelegt wurden“ - indem Verbände mehr Geld einforderten. „Das wäre verboten“, so Meister.

Haben Derivatgeschäfte erhebliche Folgen für Bewohner der Verbandsregionen?

Dies ist ein entscheidender Punkt in der Debatte, geht es nach Finanzpolitikern im Landtag. Ihnen zufolge könnten nachgewiesene illegale Derivatgeschäfte erhebliche Folgen für Bewohner der Verbandsregionen haben. „Angenommen, aufgrund der Verluste mussten die Bewohner höhere Kosten an die Abwasserverbände zahlen - das wäre eine Katastrophe“, sagte Robert Farle (AfD). „Es wäre letztlich ein Betrug am Bürger.“ Aus seiner Sicht würde sich in diesen Fällen die Frage stellen, ob verschickte Kostenbescheide an Anwohner überhaupt rechtssicher wären - oder vor Gericht anfechtbar.

Aufgrund der ersten Informationen, die der Rechnungshof nun zum Fall Bad Dürrenberg öffentlich macht, lassen sich zu möglichen Auswirkungen noch keine Aussagen machen. Zumal die Prüfer weiter mitten in den Analysen stecken. Nach einer ersten Übersichtsprüfung der 50 Verbände in allen elf Landkreisen untersuchte der Rechnungshof in einzelnen Kommunen auch gezielt vor Ort.

Rechnungshof: „Derzeit werden die Daten ausgewertet“

„Derzeit werden die Daten ausgewertet“, heißt es bei der Behörde. So viel sei bereits bekannt: In 25 der 50 Verbände kamen Derivate zum Einsatz. Allerdings sind diese nicht generell verboten. Grenzen gibt es dort, wo Finanzinstrumente „unkalkulierbare Risiken bei der Verwaltung des kommunalen Vermögens“ bergen, so der Rechnungshof. Diese Bewertung ist aber kompliziert. Die Abgrenzung von zulässigen und verbotenen Derivaten sei eine komplexe Rechtsfrage, die jeweils im Einzelfall beantwortet werden müsse.

Auf MZ-Anfrage bestätigte Bad Dürrenbergs Verbandsgeschäftsführer Franz-Xaver Kunert zunächst, dass es zwischen 1999 und 2011 Derivatgeschäfte gegeben habe. Nach seiner Darstellung also vor dem Spekulationsverbot. Zu Größenordnungen und möglichen Schäden äußerte er sich nicht. „Wir werden das Thema aber transparent aufarbeiten“, sagte Kunert, der erst seit 2017 im Amt ist. Der Grünen-Abgeordnete Meister brachte am Montag die Gründung einer landesweiten Taskforce ins Spiel, um akute Fragen zu klären: „Etwa: Sind die Bescheide in Ordnung? Gibt es womöglich strafrechtlich Konsequenzen?“ AfD-Mann Farle kritisierte das Innenministerium als Kommunalaufsicht dafür, „dass diese Geschäfte dort offenbar völlig unbemerkt blieben“. (mz)