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Zocken mit Abwasser-Geld Zocken mit Abwasser-Geld: Verspielten Zweckverbände in Sachsen-Anhalt Millionen von Grundstücksbesitzern?

Von Jan Schumann 13.02.2018, 09:00

Magdeburg - Der Landes-Rechnungshof überprüft in einer der größten Untersuchungen der vergangenen Jahre gleich 50 Abwasserzweckverbände in ganz Sachsen-Anhalt. Es geht um den Verdacht hochspekulativer Finanzgeschäfte, bei denen einzelne Verbände Millionen-Verluste erlitten haben sollen.

Konkret steht der Vorwurf im Raum, dass Verbände im großen Stil kommunales Geld in verbotene Zinsderivat-Geschäfte investiert haben, bestätigte die Behörde der MZ.

Derivate sind sehr komplexe Finanzinstrumente, die eigentlich der Absicherung von Wertschwankungen dienen. Sie können allerdings hohe Risiken bergen. Bei der groß angelegten Prüfung nimmt der Rechnungshof Unterlagen unter die Lupe, die bis in Jahr 1999 zurückreichen, bestätigte Rechnungshof-Sprecher Frank Düsekow.

Die Derivatgeschäfte im Abwasserverband Köthen werden geprüft

Geprüft werden unter anderem die Derivatgeschäfte im Abwasserverband Köthen (Anhalt-Bitterfeld). Das Landes-Innenministerium sieht dort mögliche Hinweise, „dass das ursprüngliche Derivatgeschäft auch spekulativen Charakter hatte“. Das antwortet das Ressort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Christina Buchheim und Kristin Heiß.

Lokale Politiker versuchen aktuell zudem, den Köthener Fall vor Gericht zu bringen: Nach Berechnungen des Stadtrats Werner Müller (Linke) belaufen sich die Spekulationsverluste des Abwasserverbands seit 2013 auf elf Millionen Euro.

Im Dezember hatte die Staatsanwaltschaft Halle Untreue-Ermittlungen gegen den Verbands-Geschäftsführer Thomas W. aber eingestellt, da sie keine Verfehlungen festgestellt hatte. Dagegen hat Müller nun Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg eingelegt. Nach MZ-Informationen hat der Landes-Rechnungshof in der seit Dezember laufenden Prüfung auch bei weiteren Abwasserzweckverbänden Hinweise auf millionenschwere Verluste gefunden.

Innenministerium hat bereits 2012 ein ausdrückliches Spekulationsverbot festgelegt

Viele Abwasserzweckverbände sind in Sachsen-Anhalt seit Jahren wegen Rechtmäßigkeit und Höhe der Abwasserbeiträge umstritten. Mit dem Geld ihrer Mitglieder sollen sich die Verbände eigentlich um die kommunale Abwasser-Infrastruktur kümmern. Sachsen-Anhalts Innenministerium hat bereits 2012 per Erlass ein ausdrückliches Spekulationsverbot festgelegt, das den Einsatz riskanter Zinsderivate ausschließt. Nicht kalkulierbare Risiken für kommunales Vermögen sind seitdem untersagt.

Leidtragende bei Verstößen sind laut der Abgeordneten Buchheim die betroffenen Städte und Gemeinden. „Offensichtlich wurde in mehrere Kommunen gegen den Erlass verstoßen“, kritisierte sie. „Den Kommunen drohen erhebliche finanzielle Risiken.“ Schlussendlich müssten sie für Verluste aufkommen, das Geld fehle dann an anderer Stelle. SPD-Finanzexperte Andreas Schmidt ergänzte: „Ich möchte nicht in die Lage geraten, in der das Land in einem solchen Fall um Hilfe gebeten wird.“ Er kritisierte fehlende Kontrolle durch die Landkreise. Die Linken-Abgeordneten gehen zudem davon aus, dass sich die Verluste der Derivat-Geschäfte „mittelfristig“ auf die Gebührenhöhe der Verbände auswirken könnten.

Buchheim monierte fehlende Transparenz der Kommunen in Bezug auf Derivatgeschäfte, die Verantwortlichen seien „zugeknöpft“. Sie erwäge eine Untersuchung im Innenausschuss des Landtags. Linken-Finanzexpertin Heiß ergänzte: Bevor Steuerzahler für die Verluste aus den Risiko-Geschäften aufkommen, „müssen alle juristischen Mittel gegenüber Verantwortlichen und Banken ausgeschöpft werden“. (mz)