Vor und nach der Wende Abschied nach 40 Jahren: Klaus Andres, Schafstädts ewiger Bürgermeister
Die SED schickte Klaus Andres 1974 nach Schafstädt. Seither hat er die Stadt im Saalekreis 40 Jahre geführt. Jetzt hört der 81-Jährige auf und blickt zurück auf Aufstieg, Fall und wilde Jahre nach der Wende.

Schafstädt/MZ. - Klaus Andres erinnert sich an einen Witz, der über seine heutige Heimat erzählt wurde, als er 1974 erstmals dorthin kam: „Schafstädt ist die Stadt der Warenhäuser. Da waren Häuser und da waren Häuser.“ Ein Anspielung auf die verfallene Bausubstanz in dem Städtchen am Ursprung der Laucha. An den baulichen Missständen hat sich gerade entlang der Marktstraße und um den Markt bis heute wenig verändert. Aber die Straßen der Stadt habe man nach der Wende bis auf zwei alle saniert, das sei die bewusste Priorität gewesen, verbucht der gebürtige Bad Dürrenberger für sich auf der Habenseite.
Andres war fremd, als er vor fünf Jahrzehnten nach Schafstädt kam, von den folgenden 50 gestaltete er jedoch 40 Jahre die Geschicke der Stadt als Bürger- und später Ortsbürgermeister entscheidend mit. Zehn Jahre zu DDR-Zeiten und seit nun mehr 30 Jahren nach der Wende am Stück. Zum 30. Juni hört der gelernte Elektromonteur und Diplomverwaltungsfachwirt mit 81 Jahren auf. Sein Stadtratsmandat hatte er bereits vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen abgegeben. Doch 40 Jahre Bürgermeister wollte er noch schaffen. Das ist ihm geglückt. Dabei begann alles wenig demokratisch.
Nach Schafstädt delegiert
Andres arbeitete nach eigenen Angaben 1974 als persönlicher Referent des Vorsitzenden beim Rat des Kreises in Merseburg. Der brauchte einen neuen zweiten Bürgermeister für die Kreisstadt. Schafstädts Bürgermeister sei dann nach Merseburg gekommen: „Und mich haben sie hier rausgejagt“, erinnert sich Andres: „Ich war damals ein Hundertprozentiger. Ich bin erst hier normal geworden.“
Während seiner zehn Jahre als hauptamtlicher Bürgermeister sei etwa die Umgehungsstraße, die heutige Südpromenade entstanden: „Die wurde in drei Abschnitte für jeweils 800.000 Mark gebaut, weil es offiziell keine Neubau sein sollte, sondern nur Werterhaltung“, erinnert sich Andres, der auch vom Bau einer Großküche für täglich 1.100 Essen berichtet. Dafür habe es zwar nicht an freiwilligen Helfern, aber an Material gemangelt.
1984 folgte dann das bitterste Kapitel in der politischen Karriere des heute 81-Jährigen: „Da wurde ich fristlos entlassen. Degradiert, aber nicht eingesperrt.“ Auch das habe er zwischenzeitlich befürchtet, sagt Andres rückblickend. Anlass für die Probleme mit der Partei sei wohl seine Empfehlung an den Leiter der Großküche gewesen, doch einen Ausreiseantrag zu stellen. Angesichts seiner Stasiakte vermutet der scheidende Ortsbürgermeister, dass das Gespräch damals abgehört wurde.
Rückkehr nach der Wende
Zehn Jahre dauerte es, bis Andres wieder Schafstädts Stadtoberhaupt wurde – nun nur noch ehrenamtlich – dafür aber gewählt: „Die Zeit nach der Wende war schön.“ Damals habe man vieles einfacher bewegen können. In dieser Zeit startet der Neubau der Sporthalle und der Feuerwehr. Auch das kommunale Pflegeheim nimmt Formen an, obgleich das ursprünglich ganz anders geplant gewesen sei, wie der Bürgermeister berichtet. Ein privater Investor wollte bauen. „Doch der Bauleiter wohnte damals bei mir in der Pension. Er warnte, dass da etwas im Argen liegt.“ Zu Recht. Die Firma ging in Insolvenz, auch mit einem zweiten potentiellen Investor habe es Probleme gegeben. Deshalb habe man sich auch angesichts einer hundertprozentigen Förderung für Kommunen entschieden, den Bau selbst in die Hand zu nehmen.
2011 folgte dann die nächste Zäsur. Aus Bürgermeister Andres wurde der Ortsbürgermeister. Nach langen Verhandlungen hatte sich Schafstädt entschlossen, mit Bad Lauchstädt die Goethestadt zu gründen. Schafstädt tauchte dort zwar nicht mehr im Namen auf, konnte so aber immerhin das Stadtrecht behalten, erinnert sich Andres. Auf die die Frage, was er als Ortsbürgermeister noch entscheiden konnte, antwortet er: „Fast nichts mehr. Wir können uns die Sorgen der Leute anhören und Vorschläge machen.“ Aber die Entscheidungen treffe der Bürgermeister der Goethestadt.
Kümmern um Zwei-Euro-Jobber
Nun hört Andres auf, betreut lediglich noch die drei Zwei-Euro-Jobber im Ort. Seine 40 Jahre Arbeit als Bürgermeister hätten sich gelohnt, sagt er. „Ich habe es gern gemacht. Es ist eine schöne Arbeit, wenn man mit den Leuten auskommt.“ Gern hätte er noch gesehen, dass in seiner Amtszeit das alte baufällige Kino verschwindet, um Platz für die neue grüne Mitte zu machen. Es wäre ein „Warenhaus“ weniger in seiner Stadt.