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Zwischenfall bei Osternienburg Zwischenfall bei Osternienburg: Segelflieger aus Dessau muss auf Stoppelfeld landen

Von Matthias Bartl 01.07.2019, 06:38
Der 200 Kilo schwere „Puchacz“-Rumpf wird auf den Anhänger geschoben, danach werden die Tragflächen links und rechts davon fixiert.
Der 200 Kilo schwere „Puchacz“-Rumpf wird auf den Anhänger geschoben, danach werden die Tragflächen links und rechts davon fixiert. matthias bartl

Osternienburg - Die erste Information sah nach einer Katastrophe aus. Zumindest nach einer halben. Immerhin: Bei Osternienburg, so hatte es geheißen, sei ein Segelflugzeug abgestürzt. Oder zumindest notgelandet. Da kann Michael Schwoch nur den Kopf schütteln. „Weder das eine, noch das andere“, sagt der 44-jährige Fluglehrer vom Fliegerclub „Hugo Junkers“ aus Dessau. „Wir sind ganz normal gelandet - nur eben nicht auf unserem Flugplatz.“

Segelflieger fehlt die Thermik, um den Flug fortzusetzen

Sondern auf einem Stoppelfeld am Rand von Osternienburg, in Sichtweite des Hertha-Sportplatzes. Der Grund für die Außenlandung, wie es bei Segelfliegern heißt, war witterungsbedingt: Ohne entsprechende Thermik kann sich kein Segelflieger in der Luft halten und am Samstagnachmittag war der Himmel von der Mulde bis zum Harz völlig wolkenlos, so dass die beiden Insassen des Doppelsitzers nicht mehr erkennen konnte, wo der Flieger noch Aufwind hatte.

Und wo nicht. „Blauthermik“ heißt das Fachwort für die Situation, in die Schwoch und sein 34 Jahre alter Flugschüler Tino Walter gerieten. „Unter Wolken beispielsweise herrscht Thermik“, erklärt Fluglehrer Schwoch. Schlauchförmig aufsteigender Wind, der einen Segler problemlos über Hunderte Kilometer tragen kann. Findet man den richtigen Aufwind nicht, ist der Flug möglicherweise schon nach wenigen Kilometern beendet.

Segelflieger war eine halbe Stunde zuvor auf dem Dessauer Flugplatz gestartet

Wie der von Schwoch und Walter. Sie waren gerade mal eine halbe Stunde zuvor vom Dessauer Flugplatz aufgestiegen und in Richtung Köthen geflogen. Was als 45. Trainingsstunde für den kurz vor dem „Examen“ stehenden Flugschüler Walter gedacht war, ging aber schneller als geplant zu Ende. Zum einen merkt ein erfahrener Segelflieger, wenn der Aufwind nicht mehr ausreicht, zum anderen ließ das Variometer erkennen, dass der Flieger nicht mehr stieg, sondern sank. Und zwar so schnell, dass genauso schnell klar war, man würde es nicht mehr bis in den „Heimathafen“ Dessau schaffen.

„Dann“, so Michael Schwoch, „sucht man sich einen geeigneten Platz für die Außenlandung aus.“ Wofür die Agrarlandschaft rund um Köthen durchaus Möglichkeiten bietet. Die allerdings unterschiedlich sicher sind. „Braun. gelb, grün“, nennt Walter die Faustregel für Landungen außerhalb von Flugplätzen.: Braune Flächen, wie etwa frisch gepflügte, werden bevorzugt, weil man dabei am wenigsten Risiko bei der Landung hat, danach gelb, wie etwa abgeerntete Felder - und grün kommt zuletzt, weil sich auf Wiesenflächen immer noch Gefahren verbergen können, die man beim Anflug übersehen kann und die am Fluggerät Schaden anrichten könnten.

Die Wahl des Feldes für die Landung fiel Schwoch am Samstag leicht. „Es haben noch Mähdrescher auf dem Feld gearbeitet, also war klar, dass wir dort, wo schon abgeerntet war, einen guten Landeplatz voraussetzen konnten.“

Segelflieger wird von dem Feld per Auto abgeholt

Schwoch am Steuer setzte den den gut 400 Kilo schweren „Puchacz“ (zu Deutsch: Uhu) mit der Kennung D-3611, ein polnisches Schulsegelflugzeug, nach einer Orientierungsschleife sicher auf den Stoppeln auf und informierte den Fliegerclub. „Und nun müssen wir warten, bis wir abgeholt werden.“ Was schon gut eine Stunde nach der Landung der Fall war - ein Auto des Fliegerclubs samt Spezialanhänger rollte auf den Acker und begann mit der Bergung des rund 40 000 Euro teuren Fliegers.

Dem, genauso wie den beiden Piloten, nichts geschehen war. Dass sich kurzzeitig dennoch ein Großaufgebot an Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst auf dem Feld tummelte, kann sich Walter leicht erklären: „Irgendjemand aus dem Dorf “, sagt er und weist auf die Häuser in der Nähe, „hat uns hier runterkommen sehen und Alarm geschlagen. “ Der unnötig gewesen sei, „aber das konnten die ja nicht wissen“.

Für den Verein aus Dessau war es die erste Außenlandung

„Das war in diesem Jahr die erste Außenlandung eines unserer Flieger“, sagt Vereinsvorsitzender Frank Henze, „bis jetzt sind alle allein zurückgekommen. Da wird ein Rückholbier fällig“, fügt Henze an und grient. Für den „Uhu“ war es seit 15 Jahren die erste Außenlandung, daher dauerte es ein wenig länger, ihn transportfähig zu machen. Dafür muss der Doppelsitzer in einzelne Segmente zerlegt werden: Rumpf, Tragflächen, Höhenleitwerk werden demontiert und auf dem langen Anhänger fest verstaut.

Bei mehr als 40 Grad in der Sonne eine schweißtreibende Arbeit für Schwoch, Walter, Henze sowie Rando Ewert und Anke und Klaus Schwabe. Die Flieger wissen jedoch der misslichen Lage Positives abzugewinnen: Drei Flugstunden voraus wäre sowieso die turnusmäßige Durchsicht des Segelfliegers fällig gewesen. „Wenn wir ihn nun schon einmal auseinandergenommen haben, können wir die auch gleich durchführen“, sagt Frank Henze. (mz)

Auf einem Stoppelfeld bei Osternienburg war wegen fehlender Thermik Schluss mit dem Segelflug für Tino Walter (l.) und Michael Schwoch.
Auf einem Stoppelfeld bei Osternienburg war wegen fehlender Thermik Schluss mit dem Segelflug für Tino Walter (l.) und Michael Schwoch.
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Eine der demontierten Tragflächen wird zum Anhänger getragen und dort vorsichtig abgesetzt, damit nicht doch noch Beschädigungen auftreten.
Eine der demontierten Tragflächen wird zum Anhänger getragen und dort vorsichtig abgesetzt, damit nicht doch noch Beschädigungen auftreten.
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