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Zweiter Weltkrieg Zweiter Weltkrieg: Die Toten von Wülknitz

Von wladimir kleschtschow 10.10.2013, 22:49
Klaus Loß schaut von seinem Grundstück aus aufs Feld in Richtung Großpaschleben: Dort sind bei einem Gefecht die sieben Soldaten gefallen.
Klaus Loß schaut von seinem Grundstück aus aufs Feld in Richtung Großpaschleben: Dort sind bei einem Gefecht die sieben Soldaten gefallen. kleschtschow Lizenz

Kleinwülknitz/MZ - „Die sieben Soldaten, die auf dem Friedhof in Wülknitz begraben sind, sind am 15. April 1945 im Kampf gegen die Amerikaner gefallen“, sagt Klaus Loß. „Sie gehörten der Infanterie-Division ,Potsdam’ an und lagen in Panzerlöchern zwischen Wülknitz und Großpaschleben, um vorrückende US-Panzer aufzuhalten. Köthen war wohl noch nicht von den Amerikanern besetzt.“

Klaus Loß rief in der Redaktion an, nachdem die MZ über Elly Rühling berichtet hatte. Die Kleinwülknitzerin pflegt seit Jahrzehnten ein Grab von sieben deutschen Soldaten auf dem örtlichen Friedhof. Wie die sieben ums Leben kamen, konnte aber in Kleinwülknitz niemand mehr sagen. Doch Klaus Loß kann das. Der 1938 Geborene war im April 1945 sieben Jahre alt. Seine Familie wohnte im selben Haus in der Hauptstraße, in dem er mit seiner Frau auch heute wohnt. Es liegt nur ein paar Meter von der Straße Könnern-Köthen entfernt, die nicht nur heute eine wichtige Verkehrsader ist.

US-Panzer nehmen Stellung im Garten

Klaus Loß kann sich noch gut erinnern, wie ein US-Panzer aus Richtung Könnern kam, im Garten der Familie Position bezog und in Richtung Großpaschleben schoss. In dem Gefecht seien viele Soldaten der Division „Potsdam“ gefallen. Sie wurden in umliegenden Ortschaften bestattet. „Auf dem Friedhof in Großpaschleben liegen 26 von ihnen“, sagt Loß. „Und die sieben kamen auf unseren Friedhof. Mein Vater und ältere Männer aus dem Dorf haben sie dort begraben. Und ein Tischler zimmerte ein Holzkreuz.“ Offenbar handelt es sich um den Tischler Rietze aus Klepzig, der nach Angaben von Elly Rühling mit einem der Gefallenen in der selben Einheit war.

Die Ereignisse jener Apriltage kurz vor den Kapitulation Deutschlands haben sich im Gedächtnis des damaligen Jungen Klaus fest eingeprägt. Zum Beispiel, wie eine Gruppe von Hitlerjungen mit einem Handwagen voller Panzerfäuste am Haus vorbei lief. Aus Richtung Könnern habe man bereits die Motoren von US-Panzern hören können. Gegen die Amerikaner wollten die Hitlerjungen kämpfen. Als jemand von den Wülknitzern die 14- bis 15-Jährigen auf die Sinnlosigkeit ihres Kampfes ansprach, drohten sie, verblendet, wie sie waren, ihn zu melden. „Und am nächsten oder übernächsten Tag kamen die Amerikaner“, erinnert sich Klaus Loß. „Meine Mutter hatte im Haus einen kleinen Kolonialladen. Heute ist in dem Raum unsere Waschküche. In diesem Laden haben sich die Amerikaner eine provisorische Küche eingerichtet. Zuvor haben sie aber alles durchsucht.“ Dann kam es zu jenem Gefecht mit den Soldaten der Division „Potsdam“.

KZ-Außenlage Leau bei Bernburg wurde evakuiert

Klaus Loß war noch unter den Nazis in die Grundschule gekommen. Er schildert, wie die Schüler bei Fliegeralarm in den Keller laufen mussten. Und auch ein weiteres tragisches Ereignis, bei dem es um Schüsse und Tote ging.

„In Leau bei Bernburg gab es ein KZ-Außenlager“, so der Kleinwülknitzer. „Als die Amerikaner näher kamen, wurde das Lager evakuiert und die entkräfteten Häftlinge wurden in Richtung Köthen getrieben. Einmal, da saßen wir zu Hause, klopfte jemand plötzlich an der Tür. Das war einer von der Wehrmacht. Sie hätten welche erschossen, die nicht mehr weiter wollten, sagte der.“

Hinter dem Haus der Familie wuchs eine große Buche. Dort wurden die Erschossenen verscharrt. Welcher Nationalität sie waren, weiß Loß nicht. Später seien die Leichen auf den Kleinwülknitzer Friedhof umgebettet worden. Ein Gedenkstein steht an dem Grab, das zuerst von der Gemeinde Wülknitz und jetzt von der Stadt Köthen gepflegt wird. Namen stehen dort nicht, auch nicht die Zahl der Erschossenen. Das Grab befindet sich übrigens in direkter Nachbarschaft zu den sieben gefallenen Soldaten. Nur wenige Schritte trennen sie, die an verschiedenen Seiten der Front kämpften und hier, weit weg von ihren Heimatorten, kurz vor Kriegsende die letzte Ruhe fanden.

Links im Bild ist das Grab der KZ-Häftlinge, rechts das der sieben Soldaten.
Links im Bild ist das Grab der KZ-Häftlinge, rechts das der sieben Soldaten.
Kleschtschow Lizenz