Wald, Park, oder Forst? Wald, Park, oder Forst? In die Fasanerie in Köthen soll Wissenschaft Einzug halten

Köthen - Im Winter sieht die schulhofgroße Fläche in der Fasanerie, wo vor gut einem Jahr Fällarbeiten erfolgten, womöglich noch trister aus als im Sommer. Während damals noch ein wenn auch dünner grüner Krautteppich dem radikal freigestellten Terrain einen freundlichen Hauch zu verleihen vermochte, bietet der dünne Schnee kaum gnädige Drapierung für den grauen Boden, wie die Teilnehmer an der Neujahrswanderung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder (AHA) am Samstagvormittag für sich vermerkten.
Und der Eichenkern auf der anderen Seite der Fläche, an der Joachimiallee gelegen, lässt erahnen, wie lange es dauern wird, bis auch auf der leeren Fläche wieder eine Anmutung von Fasanerie entstehen wird - mit möglichst vielen neuen Eichen, von denen dann fünf oder zehn als Leuchttürme übrigbleiben sollen.
Schlechte Zeiten für die Bäume?
Wenn es denn so sein wird. Andreas Liste vom AHA ist da eher skeptisch. Auch wenn die Eiche Licht zum Wachstum benötige, so würden doch auf solche kahlgeschlagenen Flächen zunächst ganz andere Pflanzen aufkommen und der Eiche den Platz noch stärker streitig machen als zuvor. Ganz einfach, weil sie mit mehr Licht noch viel schneller wachsen. Zum Beispiel der Spitzahorn, „ein Multitalent“.
Außerdem habe man die Handvoll großer Bäume, die auf der Stelle übriggeblieben sind, ohne Not in Gefahr gebracht: „Die kann es bei jedem Sturm erwischen. So ein Wald schützt sich ja auch selbst - steht der Baum einzeln, ist dieser Schutz weg.“ Ganz zu schweigen von den bleibenden Schäden in der Bodenvegetation, die das Arbeiten mit den schweren Forstmaschinen hinterlassen hat. Was also hätte Liste an dieser Stelle gemacht? Listes Antwort kommt prompt: „Ich hätte gar nichts gemacht.“
Arbeitskreis fordert wissenschaftliche Betrachtung
Jedenfalls nicht ohne vorherige gründliche wissenschaftliche Betrachtung der Fasanerie. Diese Forderung wiederholt der AHA-Chef wie ein Mantra nahezu alle 100 Meter auf dem Weg durch den Stadtwald, der vielleicht ein Stadtpark ist oder ein Stadtforst. Letzteres sieht Liste genauso wenig wie es die Vertreter des lokalen Bürgerbündnisses sehen, die seit Jahren dagegen anarbeiten, die Fasanerie unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten - und jeden gefällten Baum als grundsätzlichen Sündenfall betrachte, so lange keine Klarheit darüber besteht, was der Fasanerie wirklich gut tut.
Und was nicht. Bereits im Jahr 2011, so erinnert sich Andreas Liste, habe man in einem Gespräch mit Baudezernentin Ina Rauer und Umweltamtsleiter Oliver Reinke darauf hingewiesen, dass es ein Fehler sei, die Fasanerie nur aus Sicht der Forstwirtschaft zu analysieren.
Spezialisten gleich um die Ecke
„Um hier zu einem sinnvollen Arbeitsplan zu kommen, gehören noch ganz andere wissenschaftliche Bereiche betrachtet: Meteorologie, Hydrologie, Zoologie, Botanik und und und. Ohne eine umfassende Bestandsaufnahme würde ich in einem so sensiblen Gebiet nicht so einfach loslegen.“ Die Fachleute für solch eine komplexe Herangehensweise müsse man gar nicht lange suchen - „die Hochschule Anhalt ist gleich am Ort, die Martin-Luther-Universität um die Ecke“.
Zur Bedeutung des „Busches“ musste Liste nicht viel sagen - die meisten der Mitwanderer waren nicht zum ersten Mal aktiv zum Thema Fasanerie. Dennoch wurde dank der Informationen Listes und anderer manches entdeckt oder eingeordnet, das man noch nicht kannte - von der Brettwurzel der Flatterulme bis zu Betrachtungen über Kraut- und Strauchschicht und zu der Erkenntnis, dass man in der Fasanerie sogar einen Urwaldmammutbaum finden kann. (mz)
Zur Zeit werden in der Stadtverwaltung die 3.329 Unterschriften auf ihre Zulässigkeit geprüft, die das Bürgerbündnis für sein Bürgerbegehren zur Fasanerie eingesammelt hat. 2.000 Unterschriften sind notwendig, um das Begehren auf den Weg zu bringen, es darf allerdings jeder nur einmal unterschreiben haben und die Unterzeichneten müssen in Köthen gemeldet sein. Der Stadtrat wird auf einer Sondersitzung am 13. Februar über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheiden.
Ist es zulässig, muss binnen dreier Monate der entsprechende Bürgerentscheid durchgeführt werden. Der als Ja-Nein-Frage formulierte Bürgerentscheid ist dann erfolgreich, wenn eine Mehrheit der gültigen Stimmen sich für Ja ausspricht und diese Mehrheit mindestens 25 Prozent der stimmberechtigten Bürger Köthens beträgt, also etwa 5.600 Stimmen. (mb)
