Unerwünschter Besuch Unerwünschter Besuch: Köthener Schützen ärgern sich über "Schweinereien"

Köthen - Nun hat auch Köthen - ähnlich wie Bitterfeld - ein Schwarzwildproblem. Eines, das sich vorerst auf den Stadtrand zu konzentrieren scheint. Vor allem Kleingärtner sind besorgt.
Was Rüdiger Rochlitzer und Hans Trenka von der Privilegierten Schützengilde zu Cöthen von 1443 der MZ beim Ortstermin am Flintenstand in der Köthener Baggerkiete, dem Vereinsgelände der Schützen, zeigen, ist keine Lappalie. Hier hat in den letzten Wochen eine Rotte Wildschweine ihr Unwesen getrieben. Mal waren es einzelne Tiere, mal müssen es so an die vier bis fünf gewesen sein, schätzt Oberschießmeister Trenka, der wie Rochlitzer Jäger ist.
„Am Hochhaus“, wie die Schützen die nagelneue Wurfmaschine nennen, die erst im Dezember eingeweiht wurde, „haben sie erst verhalten, dann massiv gewühlt“, beschreibt Rochlitzer und zeigt auf das in einer Tiefe von etwa 60 Zentimetern freigewühlte Fundament des Turmes. „Wenn das so weiter geht, wird der Turm instabil und bringt die Bediener in Gefahr“, fürchtet er. Außerdem gehen im Boden Stromkabel entlang.
Schnauzen-Abdrücke aus der Nähe
Die Angst der Schießstand-Besucher nimmt zu. Sie fühlen sich nicht mehr sicher, seit man in der Dämmerung schon Auge in Auge mit den Eindringlingen stand. Die scheinen jegliche Scheu verloren zu haben. Anfangs habe man das noch relativ locker genommen, schildern die Schützen. Im Spätsommer wurde die erste Schwarzwildsuhle beim Flintenstand entdeckt. Für Nichtjäger sei es ganz interessant gewesen, „die Spuren und Schnauzen-Abdrücke mal aus der Nähe zu sehen“, schildert Rochlitzer.
Doch kurz vor Weihnachten mussten die Schießleiter um Oberschießmeister Hans Trenka ihre Meinung ändern, als sie das Ausmaß der Schäden am Hochhaus begutachteten. Nachdem die Maisfelder rund um die Baggerkiete abgeerntet waren, zog es die Schwarzkittel offenbar in das kleine Feuchtbiotop an den ehemaligen Sandgruben, das nur durch die Bahnlinie Halle-Magdeburg von den nahe gelegenen Kleingartenanlagen und einer Kompostierungsanlage für Bioabfälle auf dem Tönsmeier-Gelände getrennt ist. Auch dort sollen sich die Schwarzkittel inzwischen wohlfühlen.
Mit anderen Wildtieren haben sich die Schützen in der Baggerkiete inzwischen arrangiert, so wie die Tiere mit ihnen. Reh, Waschbär und Fuchs, sogar brütende Vögel, lassen sich von den regelmäßigen Schießübungen nicht mehr aufschrecken.
Zur Verringerung der Schießgeräusche haben die Vereinsmitglieder in den letzten Jahren Hunderte von Bäumen und Sträuchern gepflanzt. Die Vernässung durch das stetig steigende Grundwasser trug dazu bei, dass diverse Tierarten von diesem Feuchtbiotop angelockt werden, schildert Rochlitzer.
Ein Rehbock komme schon seit Jahren in die Nähe des 100-Meter-Standes, um an einem gepflanzten Walnussbaum zu fegen, wie der Jäger das Abstreifen des Bastes vom Geweih nennt. Aber das Auftreten der Wildschweine ist von einer ganz anderen Dimension. Daher hat sich Hans Trenka mit dem Obmann der Köthener Jagdpächter, Eike Richter, und den zuständigen Behörden beraten.
Verdächtige Geräusche
Das Gelände um die Baggerkiete ist nicht leicht zu bejagen, weil das Schussfeld in dieser unpassierbaren Wildnis nicht ausreicht. Also hat man es mit Vergrämen versucht. Mit Hunden wurde das Gelände abgeschritten, damit der Geruch das Schwarzwild abschreckt, nennen die Jäger ein Beispiel.
Am Silvestertag versuchte man es dann zusätzlich mit dem Auslegen von Kirrmaterial (Mais) im angrenzenden Ödland, um die Tiere vom Schießstandgelände wegzulocken. Ein Sandhang bot sich hier als Geschossfang an. Als Hans Trenka und Jungjäger Ronny Steinbiss am Neujahrsabend bei einer Routinekontrolle des Schießstandes - kurz vor dem abendlichen Ansitz im Jagdrevier - dort vorbeikamen, hörten sie verdächtige Geräusche. Tatsächlich wagte sich ein einzelnes Wildschein aus der Deckung, schildert Trenka, Jungjäger Steinbiss legte an und erlegte den Überläuferkeiler. Die Genehmigung des Jagdpächters hatten sie.
Mit einer Wilduhr überwacht Trenka nach wie vor das Geschehen in der Suhle beim Flintenstand (siehe „Wilduhr“). Für die Schützen stehen jetzt aber vor allem Sicherungsmaßnahmen im Vordergrund. An mehreren Stellen muss der Zaun repariert, stellenweise auch versetzt werden. „Wir hoffen, dass es hilft“, sagen Trenka und Rochlitzer. (mz)
