Trasse zwischen B6n und A9 Trasse zwischen B6n und A9: Wie an der künftigen Verbindung Kröten gerettet werden

Meilendorf - Erfreut über den beherzten Zugriff von Marcel Seyring ist die Knoblauchkröte nicht. Sie bläht sich auf und sondert einen Geruch ab, der ihrem Namen alle Ehre macht. Seyring und sein Kollege Bastian George von der halleschen Firma Ökotop - Büro für angewandte Landschaftsökologie lassen sich indes vom Abwehrverhalten nicht beirren. Sie werden auch diese beiden Exemplare der seltenen und streng geschützten Art nach ihrer Registrierung sicher vom Fangzaun in Richtung Laichgewässer bringen.
An der Straße zwischen Meilendorf und Ziebigk, wo die B6n ihren Verlauf nehmen und über sie eine von insgesamt drei Brücken zwischen Köthen und der A9 entstehen soll, herrscht an diesem Mittwochmorgen Hochbetrieb. Aufgrund der milden Witterung habe die Frühjahrswanderung der Amphibien, die etwa bis Ende April andauert, etwas früher begonnen. Deshalb sind die Mitarbeiter von Ökotop seit Märzbeginn vor Ort.
Fangzäune und Eimer sollen die Kröten vor dem Tod retten
Im Zusammenhang mit dem geplanten Straßenbau werden dort nämlich bereits Leitungsverlegungen vorbereitet. Die Kröten wandern durch die Baubereiche und würden höchstwahrscheinlich getötet werden. Das zu verhindern ist jetzt die Aufgabe von Ökotop. Fangzäune - insgesamt werden sie demnächst acht Kilometer lang sein - wurden aufgestellt. Alle 20 Meter ist an ihnen ein mit Laub gefüllter Eimer in den Boden eingelassen.
Schließlich, so Seyring, sollen die mit der Dämmerung aus ihren Acker-Verstecken kommenden und in die Fallen gehenden Kröten nicht austrocknen und geschützt vor dem Zugriff hungriger Feinde sein. Morgens bis spätestens in die Mittagsstunden werde kontrolliert, kommen die Tiere nach ihrer Registrierung aus den Eimern wieder auf ihren Weg zum Laichgewässer. In Spitzenzeiten, so Biologe Seyring, geschehe dies auch zweimal am Tag.
141 Kröten in nur einem Eimer
Der 10. März ist ihm diesbezüglich besonders im Gedächtnis geblieben. Da waren 141 Tiere in nur einem Eimer. Ein Spitzenwert - entspricht diese Anzahl doch der, die an so manchem Teich die Gesamtpopulation an Kröten ausmacht. Seyring ist sichtlich begeistert. „Hier herrschen hervorragende Bedingungen. Es gibt Feuchtgebiete, vernässte Stellen im Acker, einen hohen Grundwasserstand und Sandböden“, sagt er.
Ökotop setzt jetzt im Auftrag der Landesstraßenbaubehörde , Regionalbereich Ost fort, was bereits 2016 begonnen wurde. „Wir wollen unsere Erkenntnisse aus dem vergangenen Jahr noch einmal bestätigt wissen und prüfen, ob unsere Investitionsentscheidung richtig war“, erklärt Esther Urmersbach, Fachgruppenleiterin Umweltschutz und Landschaftspflege von der Landesstraßenbaubehörde.
Trasse führt durch eines der amphibienreichsten Territorien des Landes
Von März bis Oktober 2016 untersuchten die Experten das Amphibienvorkommen entlang der 15 Kilometer langen Strecke der B 6n erstmals systematisch. Was nur vermutet wurde, bestätigte sich rasch: Die künftige Trasse kreuzt ein Territorium, das zu den amphibienreichsten in Sachsen-Anhalt gezählt werden muss. Immerhin wurden vom 3. März bis 31. Oktober 47.125 Knoblauchkröten und 1.777 Wechselkröten gezählt. Hinzu kommen Kammmolche (20), Teichmolche (478), Erdkröten (45.018), Laubfrösche (85), Moorfrösche (39), Grasfrösche (10) sowie Teichfrösche (28). Nicht zu vergessen die 190 Zauneidechsen.
Um sie zu schützen, entstehen unter der dortigen B6n-Strecke insgesamt 230 Tunnel für die Amphibienwanderung. Die Betonfertigteile sind einen Meter breit und 80 Zentimeter hoch. Die Gesamtkosten für diese Maßnahme sollen zehn Millionen Euro betragen. Das Land, sagt Esther Urmersbach, sei verpflichtet, diese bedrohten Arten zu schützen. (mz)
Durch die Untersuchungen an der künftigen Trasse der B6n zwischen Köthen und der A9 haben die Ökotop-Mitarbeiter über das Untersuchungsgebiet hinausgehende Erkenntnisse sammeln können: Amphibien wandern nicht nur im Frühjahr, sondern ganzjährig. Somit sind sie viel länger einem Tötungsrisiko unterworfen. Baustellen sollten also generell gesichert werden. Zudem legen sehr viele Tiere Strecken bis zu vier Kilometern mehrfach zurück. Ihr Aktionsradius ist demnach groß.
Die Landesstraßenbaubehörde wird den Krötenschutz an der B6n in ein Naturschutzkonzept einfließen lassen. In diesem könnten nicht mehr dauerhaft genutzte Ackerflächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgelöst und als Lebensräume für gefährdete Arten entwickelt werden. Versucht werden könnte zudem, die dort noch existierenden Vorkommen von Feldlerche und Wiesenweihe in ein Maßnahmenkonzept zu integrieren.
