Er saß schon ein Teure Panne: Amtsgericht Köthen schickt Vorladung für Angeklagten an die falsche Adresse
Die Behörde schickt die Vorladung an falschen den Wohnort - weil sie nicht weiß, dass der Angeklagte schon an einer ihr eigentlich gut bekannten Adresse einsitzt.
Köthen - Marvin A. (Name geändert), ein 30-jähriger Mann aus Könnern, war in seiner Vergangenheit alles andere als ein Unschuldslamm. Aus diesem Grund ist er an den hiesigen Amtsgerichten kein Unbekannter. Nun sollte ihm vor dem Köthener Amtsgericht wegen eines Diebstahls in besonders schwerem Fall und Sachbeschädigung der Prozess gemacht werden. Doch am ersten Verhandlungstag wurde nicht einmal die Anklageschrift verlesen. Die Verhandlung scheiterte zuerst an einer Formalie, einem mangelnden Informationsfluss und zuletzt am Willen des Angeklagten, die Verhandlung trotz allem über die Bühne zu bringen.
Die Vorsitzende Richterin Susanne Vogelsang war nach eigenen Worten „furchtbar sauer“ über einen mangelhaften Informationsfluss zur Inhaftierung des Angeklagten. Der Grund: Die vom Gericht versandte Einladung zum Verhandlungstermin an sein Elternhaus im Januar diesen Jahres. Die hatte Marvin A. aber nicht bekommen, geschweige denn zeitnah von dem anberaumten Gerichtstermin erfahren.
Denn der mehrfach vorbestrafte Beschuldigte saß zu diesem Zeitpunkt bereits hinter Gitter in der Justizvollzugsanstalt Volkstedt nahe Eisleben. Erst zwei Tage vor der eigentlichen Verhandlung erfuhr der 30-Jährige, dass er auf der Anklagebank des Köthener Amtsgerichtes Platz nehmen sollte, wie er vor Gericht aussagte. Zu spät.
Formell ist damit die sogenannte Ladungsfrist nicht gewahrt und das Verfahren würde mit einem formalen Fehler beginnen
Formell ist damit die sogenannte Ladungsfrist nicht gewahrt und das Verfahren würde mit einem formalen Fehler beginnen. Niemand hatte dem Gericht mitgeteilt, dass Marvin A. wegen eines anderen Vergehens für zehn Monate bis Mitte Oktober ins Gefängnis muss.
Trotz allem saß der Angeklagte mit Hand- und Fußfesseln zu seinem Verhandlungsbeginn im Köthener Gerichtssaal. Dafür wurde der Häftling Stunden zuvor sprichwörtlich einmal quer durch Sachsen-Anhalt gefahren.
Da der Gefangenentransport von Volkstedt zum Amtsgericht nur über Umwege möglich gewesen wäre und das nicht binnen kürzester Zeit geklappt hätte, wurde der Angeklagte nach eigenen Worten kurzfristig in die JVA Burg verlegt, um von dort pünktlich auf direktem Wege nach Köthen gebracht zu werden. Ohne hartnäckiges Hinterhertelefonieren der Richterin hätte die nach eigenen Aussagen nicht einmal gewusst, in welcher JVA sich der Angeklagte befand.
Zum eigentlichen Vorwurf äußerte sich Marvin A. während der Verhandlung nicht
Zum eigentlichen Vorwurf äußerte sich Marvin A. während der Verhandlung nicht. Sein Strafverteidiger Jan-Robert Funck zeigte sich entschlossen und machte keinen Hehl daraus, dass er für den Anklagevorwurf eine Einstellung des Verfahrens oder aber einen Freispruch erwarte.
Mehrmals versuchte er, die Tat herunterzuspielen und verwies auf eine - nach seiner Meinung - dünne Beweislage. „In einem Uralt-Auto wurden Handschuhe gefunden“, sagte er achselzuckend. „Die Sinnhaftigkeit des Verfahrens kann ich nicht ganz verstehen. Wir sollten das Kirchlein mal im Dorf lassen“, sagte er mit Blick auf die weiteren Verfahren, die noch auf den Angeklagten zukommen.
Neben seiner zehnmonatigen Haftstrafe warte bereits die nächste aufs Absitzen - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Zusätzlich laufe parallel ein Berufungsverfahren vor dem Magdeburger Landgericht wegen einer Verurteilung vor dem Bernburger Amtsgericht. Letzteres verdonnerte ihn nämlich für eine Straftat zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Und in Bernburg wartet bereits das nächste Verfahren auf Marvin A..
Für das Verfahren wurden zum ersten Verhandlungstermin insgesamt acht Zeugen geladen, denen für ihr Kommen eine Entschädigung zusteht
Die Staatsanwaltschaft klagt ihn im Juni wegen Einbruchdiebstahls an. In Anbetracht dieser Gerichtsverfahren sei das Köthener beinahe belanglos und könnte angesichts ausstehender und bereits ausgeurteilter Strafen eingestellt werden, resümierte der Anwalt. Eine Ansicht, die weder die Vorsitzende Richterin noch die Schöffen, die echt angefressen waren, an diesem Tag teilten.
Vor dem Köthener Amtsgericht muss wegen zu kurzer Ladungsfrist nun erneut geladen werden. Das fällt letztlich auch auf den Steuerzahler zurück. Denn für das Verfahren wurden zum ersten Verhandlungstermin insgesamt acht Zeugen geladen, denen für ihr Kommen eine Entschädigung zusteht. Am 10. und 24. November soll das Verfahren in Köthen gegen Marvin A. nun fortgeführt werden. (mz/Susann Salzmann)