„Manchester-Triage-System“ Tag der offenen Notaufnahme: Wie das Team der Helios Klinik Köthen bei den Notfällen vorgeht
Dr. Marco Polo Peich erklärt, in welcher Reihenfolge Patienten behandelt werden, wieviel Personal sich um Schwerstverletzte kümmert und wie Blutproben ins Labor gelangen.

Köthen/MZ. - Seit einer Viertelstunde führt der Chef durch die Notaufnahme, als ein Feuerwehrmann fragt: „Wie lange braucht die Klinik, um einsatzbereit zu sein, wenn jemand an einer Unfallstelle MANV3 feststellt?“
Dr. Marco Polo Peich, seit 2017 Leiter der Notfallaufnahme in der Helios-Klinik Köthen, zögert kurz, dann sagt er: „Das würde für uns bedeuten, dass wir alle im Dienst sowie im Rufdienst befindlichen Kollegen alarmieren sowie alle weiteren Mitarbeiter, denn so einen Unfall kann man nur mit sehr viel Personal bewältigen.“ Die Abkürzung „MANV“ steht für einen „Massenanfall von Verletzten“, bei einem MANV 3 sind 26 bis 50 Menschen verletzt.
Ein aktuelles Beispiel für einen MANV war der schwere Unfall eines Doppelstockbusses am 27. März auf der Autobahn 9 bei Schkeuditz. „Da wurden alle Krankenhäuser in Leipzig und Halle in Alarmbereitschaft versetzt, bei uns wurde nur die Aufnahmekapazität abgefragt“, erklärt der Mediziner den Besuchern.

Wer entscheidet in der Notaufnahme, in welcher Reihenfolge die Patienten behandelt werden? Wieviel Personal kümmert sich im Notfall um einen einzigen Schwerverletzten?
Diese und viele andere Fragen beantwortete Marco Polo Peich, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Zusatzbezeichnung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“, am vergangenen Freitag beim Tag der offenen Notaufnahme, der zusammen mit dem DRK Köthen in der Helios-Klinik stattgefunden hat.
Grundlage der Arbeit von Notärzten und Pflegepersonal ist das „Manchester-Triage-System“, das zur Orientierung für Patienten und Angehörige gleich neben dem Tresen am Empfang als Grafik an der Wand hängt. In der Pyramide wird die Schwere einer Verletzung oder Erkrankung in fünf Grade eingeteilt mit Farben: Blau steht ganz unten für „nicht dringend“, an der Spitze der Pyramide ist „Rot“ solchen Patienten zugeordnet, die wegen akuter Lebensgefahr sofort behandelt werden müssen.
„Wir hören es immer wieder: ,Der hat lange gewartet in der Notaufnahme.’ Aber wir haben das im Blick, wer sich hier akut verschlechtert“, versichert Peich den Besuchern. „Wenn wir an einem Tag häufig vom Rettungsdienst mit schwer erkrankten Patienten angefahren werden, dann kann es eben sein, dass jemand, der später gekommen ist, früher behandelt wird.“ Peich führt die Gruppe in einen sogenannten Schockraum zur Erstversorgung von Schwerstkranken und Schwerstverletzten.
„Hier findet eine personalaufwändige Individualversorgung statt, Reanimationen, Atemunterstützung oder Wundversorgungen unter OP-ähnlichen Bedingungen, wobei bis zu fünf Ärzte und Schwestern einen Patienten behandeln.“ Im Notfall wird eine Blutprobe per Rohrpost ins Labor geschickt.

Dabei steht dem Chef der Notaufnahme ein Team aus Ärzten, Schwestern und Pflegern zur Verfügung: „Das Stammpersonal besteht aus vier Ärzten sowie zwei Assistenzärzten, die im Rahmen ihrer Facharztausbildung sechs Monate in der Notaufnahme tätig sind.
Dazu kommt ein in drei Schichten tätiges 22 Mitarbeiter umfassendes Pflegeteam. Außerhalb der Kernarbeitszeit ist ein internistischer und ein chirurgischer Assistenzarzt anwesend sowie mehrere Fachärzte in Rufbereitschaft“, erfahren die Besucher.
Ein Arzt in Rufbereitschaft müsse laut Gesetz innerhalb von 30 Minuten arbeitsbereit in der Klinik sein, betont Peich. „Wer das wegen seines Wohnortes nicht einhalten kann, der muss in der Klinik übernachten.“
Wie es sich anfühlt, eine Schnittwunde zu nähen oder zu klammern, das konnten Kinder und Erwachsene in einem Zelt vor der sogenannten „Liegendanfahrt“ für Rettungswagen selbst ausprobieren – an rohen Hühnerkeulen. Unter Anleitung von Schwester Beatrice übten Greta, Maxi und Luca, wie man eine Wunde schnell schließt, während die Schwester warnt: „Wir brauchen Handschuhe, und Vorsicht mit den Fingern!“

Unter den Gästen der Führung durch die Notaufnahme der Helios Klinik war auch Aniko aus Leipzig, die ihre Oma in Köthen besucht hat. „Mein Herz schlägt für den Beruf als Ärztin, aber ich werde wohl später in die Zahnmedizin gehen“, sagte die 16-Jährige, die das „International Baccalaureate“ (IB) absolvieren will, ein international anerkanntes Abitur. Und, wer weiß, vielleicht eröffnet Aniko ja in zehn Jahren eine Arztpraxis in Köthen?