SV Köthen SV Köthen: Paul Dudzik ist ein Tausendsassa

Köthen - Trainingsabend in der Sporthalle des Köthener Sportvereins. Zwei Tischtennisplatten stehen in der großen Halle. An einer spielen zwei Pärchen Doppel, die andere wartet noch auf ihre Akteure. Fast unscheinbar, mit dem Ellbogen an die Sprossenwand gelehnt, steht Paul Dudzik am Rand und beobachtet jeden Schlag, den die vier ausführen.
Paul Dudzik beobachtet das Spiel ganz genau
Es kommt kein Wort über seine Lippen, aber an seinem Minenspiel ist zu erkennen, ob er den gerade geschlagenen Ball für gut befunden hat oder ob ihn die Abwehraktion mehr beeindruckt hat.
Der Sport überhaupt, aber insbesondere die Disziplin Tischtennis, ist das Leben von Paul Dudzik. Seit seinem neunten Lebensjahr betreibt er das schnelle Spiel mit dem kleinen Zelluloidball. Unzählige Pokale und Urkunden hat der 80-Jährige zu Hause aufbewahrt. Seine aktive Zeit ist seit den Tagen von Bandscheiben- und Hüftoperation vorbei.
Paul Dudzik kann nicht nur „rumstehen“
„Eigentlich“, sagt Paul Dudzik, um dann nicht nur für den Fotografen doch wieder seinen aus dem Jahr 1972 stammenden und damals mehr als 100 Mark teuren Schläger in die Hand zu nehmen und ein paar Bälle zu spielen.
„Nur rumstehen geht auch nicht. Aber meine Bewegungsfreiheit ist spätestens seit einem doppelten Bänderriss in der linken Schulter stark eingeschränkt“, erklärt er. Das passierte übrigens nicht beim Tischtennis, sondern beim ganz normalen Gang in den heimischen Keller - „in glatten Pantoffeln“. Um dem Nachwuchs des Köthener SV die wichtigsten Grundlagen des Spiels und viele Kniffe beizubringen, reicht die Fitness aber allemal noch.
Paul Dudzik ist gelernter Elektriker
Paul Dudzik wurde 1937 im polnischen Wilke gut 60 Kilometer von Posen entfernt geboren. Er ging dort zur Schule und absolvierte eine Lehre als Elektriker. Im Jahr 1958 kam der 21-Jährige „mit dem letzten Transport“, wie er es heute formuliert nach Prosigk zu Verwandten.
Weil sein Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wurde, musste Paul Dudzik seine Ausbildung als Elektriker in Gölzau wiederholen. Danach fand er eine Anstellung in diesem Beruf im Agro-Chemischen Zentrum (ACZ) Köthen, wo er auch genug Freiheiten bekam, um seiner Liebe zum Tischtennis, egal ob als Spieler, Übungsleiter oder später auch Kampfrichter, frönen zu können. Und in seiner neuen Heimat lernte er auch seine Frau Ilse kennen.
Nach der Wende arbeitete er als Hilfsvermesser von Tunneln und ICE-Strecken der Bahn
Nach der Wende machte Paul Dudzik dann noch einmal eine Umschulung und arbeitete als Hilfsvermesser von Tunneln und ICE-Strecken bei der Bahn. In den letzten Jahren vor der Rente war er dann noch viele hundert Kilometer auf den Eisenbahnstrecken in den alten Bundesländern unterwegs und hat Gleise geröntgt.
„Mit einer Ausrüstung von fast 50 Kilo auf dem Rücken und Messgeräten vor dem Bauch habe ich nach schwachen Stellen im Metall gesucht“, erzählt er.
Paul Dudzik war auch schon Torschützenkönig
Auch in Deutschland nutzte Paul Dudzik in seiner Freizeit jede Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Er war sprichwörtlich ein Tausendsassa. Dass es an der hiesigen Ingenieurschule ein traditionsreiches Tischtennis-Turnier gab, hatte er schnell rausgefunden.
Außerdem rannte er für die HSG Wissenschaft Halle als Leichtathlet über die Aschenbahn. In den 60er Jahren spielte er zudem für Einheit Köthen und die Mannschaft aus Prosigk Fußball und brachte es als Linksaußen sogar zum Torschützenkönig. Selbst als Eisschnellläufer gab er keine schlechte Figur ab. Und dann war da noch etwas.
Skisprung probierte Paul Dudzik auch schon aus
„Einmal im Winter waren wir in Schmiedefeld in Thüringen. Dort standen drei Sprungschanzen für den Nachwuchs. Viele haben sich nicht getraut, aber ich wollte das einfach einmal ausprobieren“, erzählt Paul Dudzik.
Also schnürte er sich die Sprunglatten unter die Füße und kletterte zur größten der drei heute noch betriebenen Jugendschanzen hinauf. Sein bester Satz endete bei 36 Metern auf der nach einem Umbau heute Sprünge um die 50 Meter zulassenden Anlage.
Jeden Dienstag und Donnerstag trainert Paul Dudzik die Jugend
Die große Leidenschaft von Paul Dudzik aber blieben der kleine Zelluloidball und die grüne Tischtennis-Platte. Hier feierte er seine Erfolge, hier trainierte und trainiert er noch heute an jedem Dienstag und Donnerstag von 15.30 bis 17.30 Uhr viele Mädchen und Jungen.
„Die Arbeit mit Kindern macht mir viel Spaß. Deshalb habe ich später auch die Tätigkeit bei der Verkehrswacht angenommen, wo wir die Kinder und Jugendlichen auf das sichere Bewegen im Straßenverkehr vorbereiten“, erzählt Paul Dudzik von einer weiteren Beschäftigung als Rentner, die ihn zeitweise von Köthen bis hinunter nach Zeitz führt.
Paul Dudzik war auch Tischtennis-Kampfrichter
Seine einschneidendsten Erlebnisse als Tischtennisspieler hatte Dudzik allerdings während seiner Einsätze als Kampfrichter. 1972 hatte er eine entsprechende Lizenz erworben, die ihn auch für internationale Turniere befähigte.
Und so kam es, dass Paul Dudzik 1976 als Kampfrichter zur Europameisterschaft nach Prag reisen durfte. Und dort traf er auf die Besten der Welt. Auf Jacques Secrétin beispielsweise, der dort als erster Franzose überhaupt Europameister in dieser Sportart wurde.
Oder auf seine polnischen Landsleute Leszek Kucharski und Andrzej Grubba, der wie kein anderer Akteur in der Geschichte des Tischtennis das Spiel mit beiden Händen beherrschte. „Im Training habe ich gegen alle gespielt“, sagt Dudzik, „wir konnten auch mit dem kleinen Bällchen umgehen und das haben die Topleute gemerkt. Wir waren gern gesehene Trainingspartner.“ (mz)