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Streifzug durch Kneipengeschichte

Von Judith Kadow 15.11.2007, 19:18

Köthen/MZ. - Zu diesem Thema wurde Westphal im Stadtarchiv und dort insbesondere in den Adressbüchern der Jahre 1877 bis 1947 fündig. Zudem zog der Stadtführer alte Bauakten zu Rate und mitunter auch Zeitungsannoncen, da nicht jedes Lokal im Adressbuch eingetragen war. Über 160 Lokale fanden in diesen 70 Jahren einen Platz in Köthen, "doch eingedampft habe ich sie auf 92 Stück", sagte Westphal. Bevor die theoretische Kneipentour jedoch beginnen konnte, mussten erst einige grundlegende Begriffe geklärt werden. Wissen sie woher der Begriff Kneipe stammt oder was ein Restaurateur ist? All dies erklärte Westphal den Zuhörern.

"Der Begriff Kneipe stammt aus der Sprache der studentischen Burschenschaften. Deren traditionelle Feiern wurden Kneipen genannt", verriet der Stadtführer. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen und bezeichnete nun die Räume, in denen gefeiert wurde.

Zu einigen Beispielen und Gebäuden konnte Westphal alte Photos und Postkarten zeigen, so beispielsweise zum "Hotel zur Weintraube" in der Weintraubenstraße. Dieses besaß um 1920 herum sogar zwei oder mehr Kegelbahnen, die ganzjährig bespielbar waren. 20 Lokale konnte Westphal ausfindig machen, die in den von ihm erforschten Jahren eine Kegelbahn besaßen. "Aber nicht jeder durfte damals ein Lokal eröffnen", betonte Westphal. Nur bestimmte Gebäude erhielten die so genannte Schankgerechtigkeit, die dessen Besitzer erlaubte, in diesem Haus ein Lokal zu betreiben, bzw. die Gerechtigkeit, es weiter zu verpachten. Es gab jedoch auch Brot-, Brau-, Buchgerechtigkeiten und viele mehr.

1877 gab es in Köthen insgesamt 61 Lokale. Diese Zahl beinhaltet Schank- und Speisewirtschaften, Gasthöfe, Hotels und Kaffeehäuser. Zwischenzeitlich waren es sogar mal 75 an der Zahl. 1947 gab es noch 66 Lokale. "Von da an ging es stetig abwärts mit der Zahl der Lokale", berichtete Westphal.

Lokale und Hotels wie der "Schwarze Bär" und das "Hotel zur Weintraube" seien schon weitestgehend erforscht, erzählte Westphal. Sein Interesse galt den kleinen Lokalen, in den gemütlich ein Bier getrunken oder Karten gespielt wurde. Noch vor 1877 gab es das Gasthaus "Lämmchen", das in der Halleschen Straße, Ecke Eduardstraße beheimatet war. 1834 eröffnete das Lokal "Der Goldene Pfeil" in der Magdeburger Straße. "Mitverantwortlich für die hohe Anzahl an Kneipen war die Etablierung des Polytechnikums", sagte Westphal. Dies lockte viele Studenten, damals fast ausschließlich Männer, in die Stadt, die "ordentlich was tranken", wie es Westphal formulierte. Getrunken wurden dabei vor allem die Biersorten ABC (Aktienbrauerei Coethen), Schadebier, Allendorfer, Schultheiss-Patzenhofer, Reudnitzer und einige andere Sorten.

"Ich bin aus Interesse hier", sagte Josef Ziegler, der seit 1946 in Köthen wohnt. "Ich möchte etwas über die Geschichte Köthens erfahren und vielleicht das eine oder andere wiedererkennen", fügte er hinzu.

Auch Josef Ziegler wusste keine Antwort auf die Bezeichnung Restaurateur. Zumindest nicht im Zusammenhang mit Kneipen. Bernd Westphal verriet die Lösung: Der Restaurateur war Besitzer eines Restaurants, das in der damaligen Zeit die einzige Lokalität für Frauen war, wo sie auswärts ohne Begleitung essen konnten. In Kneipen und Schankhöfen war ihnen dies nicht gestattet.