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Robert Koch ist sein Vorbild

Von Ute Hartling-Lieblang 24.03.2008, 18:26

Berlin/Wörbzig/MZ. - Eine Überraschung aus seiner alten Heimat hatte Professor Dietrich Arndt der Besucherin aus Köthen angekündigt.

In seinem Arbeitsbereich angekommen, weist der Professor auf ein gerahmtes Bild, das über seinem Arbeitsplatz neben zahlreichen Urkunden hängt. Es zeigt Robert Koch, den Entdecker des Tuberkel-Bazillus.

"Das Bild ist ein Geschenk meines ehemaligen Schulleiters Erich Müller. Ich habe es 1953 nach dem Abitur an der Goethe-Oberschule in Köthen bekommen", lüftet der heute 73-jährige Mediziner das Geheimnis. Gemalt hat es sein damaliger Zeichenlehrer, der Köthener Maler Paul Frost. Das Klassenzimmer in der Willy-Lohmann-Oberschule, in dem Dietrich Arndt und seine Kameraden bis zum Sommer 1951 unterrichtet wurden, trug den Namen des berühmten Arztes, den Arndt seit seinem zehnten Lebensjahr verehrt.

"Ich wollte so werden wie er", verrät der Wahl-Berliner, der im Februar 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse geehrt wurde - für besondere Verdienste um die Wissenschaft im Sinne des Wiedervereinigungsprozesses. Professor Arndt war von 2001 bis 2005 Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft.

"Junge, du solltest Arzt werden", hatte sich auch sein Vater Hermann Arndt immer gewünscht. Miterleben konnte er den Werdegang des Sohnes zum erfolgreichen Internisten, Arbeitsmediziner und Wissenschaftler aber nicht mehr. 1945 wurde der Buchhalter, der auf dem Rittergut der Familie Nette im anhaltischen Dorf Wörbzig angestellt war, von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt und in mehrere Internierungslager verschleppt. Im Alter von 47 Jahren starb Hermann Arndt im Sonderlager Nr. 1 in Mühlberg / Elbe.

Das Schicksal des Vaters überschattete die Kindheit von Dietrich Arndt in Wörbzig, wo dieser am 13. Februar 1935 geboren wurde. Klein und empfindsam, aber in der Schule ein Musterknabe, wurde er von den Jungen im Dorf oft attackiert. Die Mutter brachte die Familie mit den zwei Kindern mit Hilfe ihrer jüngeren Schwester Ursela Bieler, einer Geschäftsfrau, über die Runden.

Nach dem Abitur im Jahr 1953 machte sich der ehrgeizige Abiturient auf den Weg von Köthen in die Hauptstadt Berlin, um an der Humboldt-Universität Humanmedizin zu studieren. Das Gemälde im Gepäck. Glück habe er gehabt, sagt Arndt rückblickend, denn kurz zuvor hatte die DDR-Regierung beschlossen, dass nicht nur Arbeiter- und Bauernkinder immatrikuliert werden durften.

Eine schöne Zeit sei die Studentenzeit gewesen, sagt Arndt: "Tagsüber Studium an der Charité und abends in Westberliner Kinos und bei Veranstaltungen." Den Plan, für immer in den Westen zu gehen, durchkreuzte der Mauerbau. "Ich dachte, ich schaffe es noch."

Die medizinische Laufbahn des Professors begann nach dem Studium zunächst am Kreiskrankenhaus Köthen, wo er von 1959 bis 1960 Pflichtassistent war. Danach leitete er ein Jahr lang die Staatliche Arztpraxis in Gröbzig. 1961 siedelte Dietrich Arndt nach Berlin über. Im Städtischen Krankenhaus im Friedrichshain machte er seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin und später im Deutschen Zentralinstitut für Arbeitsmedizin (DZA) zum Facharzt für Arbeitsmedizin. Der Wissenschaftler Arndt wurde 1970 Chefarzt der Klinischen Abteilung in der Staatlichen Zentrale für Strahlenschutz der DDR, dem späteren Staatlichen Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS). "In den Strahlenschutz wollte ich eigentlich nicht", erzählt Professor Arndt. Doch eine schwere Hepatitis, mit der er sich in Friedrichshain infizierte und die als Berufskrankheit anerkannt wurde, warf andere Pläne über den Haufen.

Bereits 1960 promovierte Arndt mit einer tierexperimentellen Arbeit zum Problem der Staublungenerkrankung. 1985 folgte die Habilitation zum Thema: "Diagnostik und Begutachtung von Gesundheitsschäden nach Strahlentherapie." Die Ernennung zum Professor blieb dem nicht der SED angehörenden Wissenschaftler zu DDR-Zeiten versagt. Der bekennende Christ Dietrich Arndt passte nicht ins System. Kongresse im westlichen Ausland waren für Arndt tabu. 1978 verlor er sogar den Chefarztposten in der Klinischen Abteilung am SAAS. 1984 kehrte er allerdings in seine Position zurück und blieb bis 1990.

Zu den bewegendsten Erlebnissen seiner Laufbahn gehört für Arndt sein ärztlicher Einsatz im Krisengebiet Tschernobyl, wo es am 26. April 1986 zum schwersten Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung der Atomenergie gekommen war. Die russische Professorin Angelina Guskova, die zahlreiche Opfer der Katastrophe behandelt hat, lotste ihren Freund Dr. Arndt damals heimlich ins Moskauer Krankenhaus Nummer 6. "Das geschah mittels Krankentransport, denn das Gelände war top secret."

Nach der Wende wurde Professor Arndt unter anderem Chefarzt und Leiter des klinisch-diagnostischen Bereiches des Bundesgesundheitsamtes und Mitglied des Medizin-Ausschusses der Strahlenschutzkommission beim Bundesumweltministerium.

Von 1994 bis 1995 leitete er die Fachgruppe "Medizinische Diagnostik - Umweltmedizin" des Robert Koch-Institutes Berlin und erhielt als Lehrbeauftragter für Strahlenbiologie und Strahlenschutzmedizin an der Charité die akademische Würde eines außerplanmäßigen Professors. Zuletzt war er stellvertretender Leiter des Zentrums Gentechnologie am Robert Koch-Institut in Berlin. Seit 1991 betreibt er die Privat- und Begutachtungspraxis in Berlin-Biesdorf. Seine berufliche und wissenschaftliche Laufbahn umfasst zahlreiche Stationen. 185 Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern hat er inzwischen verfasst oder mitverfasst und über 200 Vorträge auf wissenschaftlichen Veranstaltungen gehalten. "All das hätte ich ohne die Frau an meiner Seite aber nicht erreichen können", sagt Dietrich Arndt, Vater dreier Kinder und Großvater von vier Enkelkindern.

Der Erfolg ließ ihn die Köthener Heimat nicht vergessen. Die Erinnerung daran findet sich auch in mehreren Gedichten, die der Professor seit Mai 1997 immer wieder gern und mit Leidenschaft verfasst. Veröffentlich sind sie in drei Gedichtbänden, zwei davon mit dem Titel "Im Stau" (Teil I und II), herausgegeben vom Verlag Haag und Herchen in Frankfurt / Main. Arndt ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte.

"Entstanden sind viele der gereimten Verse im Auto auf dem Weg zur und von der Arbeit", erzählt Professor Arndt. In den Berliner Verkehrsstaus habe er genügend Zeit dazu gehabt. Auch in seiner Dankesrede bei der Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz hat Arndt aus einem seiner Gedichte zitiert. "Ich bin ein glühender Verfechter der deutschen Einheit", sagt er und reimt: "Das neunziger Jahr hat sie markiert, die Einheit, die erstrebte. Zur Freiheit hat sie uns geführt und neues Leben sie gebiert; ein Glück, dass ich's erlebte!"

Mit großem Interesse verfolgt Professor Arndt aber auch die Entwicklung in seinem Heimatort Wörbzig, wo er seit einigen Jahren federführend an der Herausgabe der Ortschronik mitarbeitet. Und er war im vergangenen Jahr einer der ersten Mitglieder, die der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft in Köthen beitraten. "Geschuldet ist das auch meiner Verbindung zur Berliner Sprachgesellschaft", erklärt Arndt.

Und es ist dem einstigen Köthener Abiturienten zu verdanken, dass sein Wissenschaftlerkollege und Freund, der Nobelpreisträger Prof. Günter Blobel, Direktor des Instituts für Zellbiologie der Rockefeller University of New York, im Jahr 2006 aus Liebe zur Musik von Johann Sebastian Bach Köthen besuchte. Inzwischen erhielt nicht nur das Zerbster Schloss eine Spende aus der von Blobel gegründeten Stiftung "Friends of Dresden", sondern auch die Köthener Agnus-Kirche wurde mit 5000 Euro durch Blobel bedacht. "In Kürze werde ich Professor Blobel in New York besuchen, und wir werden ganz sicher wieder über Köthen sprechen", verrät Professor Arndt beim Abschied.