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Referenz aus Anhalt-Bitterfeld Referenz aus Anhalt-Bitterfeld: Kalibrierstrecke für genaue Vermessungen in ganz Sachsen-Anhalt

Von Henrik Klemm 25.10.2017, 10:15
Sebastian Putz, Staatssekretär im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, lässt sich von Vermessungsingenieur Martin Kiskemper (li.) das Mekometer 5.000 erklären. Das hochpräzise, elektronische Entfernungsmessgerät der Hochschule Neubrandenburg wird auch in Golmenglin eingesetzt.
Sebastian Putz, Staatssekretär im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, lässt sich von Vermessungsingenieur Martin Kiskemper (li.) das Mekometer 5.000 erklären. Das hochpräzise, elektronische Entfernungsmessgerät der Hochschule Neubrandenburg wird auch in Golmenglin eingesetzt. Henrik Klemm

Golmenglin - Nebel taucht den Fläming in gespenstisches Licht. Die Sicht ist schlecht an diesem Donnerstagmorgen, dort wo Sachsen-Anhalt an Brandenburg grenzt, wo der Landkreis Anhalt-Bitterfeld in den Landkreis Wittenberg übergeht, wo sich mitten im vom Sturmtief „Xavier“ erst kürzlich heimgesuchten Wald bei Golmenglin die Kalibrierstrecke des Landes Sachsen-Anhalt befindet.

Alle drei Jahre wird die Kalibrierstrecke für das Messen getestet

Es ist ein einsamer, aber wichtiger Ort, denn in der Abgeschiedenheit des Landschaftsschutzgebietes „Westfläming“ wird gesichert, dass die elektrooptischen Distanzmessgeräte aller öffentlich bestellten und der im Landesamt für Vermessung und Geoinformation arbeitenden Vermessungsingenieure exakt und so funktionieren, dass - egal ob in Zeitz oder Stendal - ein Meter immer ein Meter ist.

Damit dies gelingt, muss auch die Kalibrierstrecke überprüft werden. Diese Arbeiten finden alle drei Jahre und gegenwärtig wieder statt. So sind also Heiko Sievers und Ralf Däbel vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation trotz der nicht optimalen Witterung auf dem Weg nach Golmenglin, dem kleinen Dorf, das zur Ortschaft Grimme und somit zur Stadt Zerbst gehört.

Die Kalibrierstrecke gibt es seit Oktober 1994

Der Dezernatsleiter für Grundlagenvermessung Heiko Sievers und sein Mitarbeiter wollen gemeinsam mit Martin Kiskemper vom Institut Messen-Forschen-Prüfen der Hochschule Neubrandenburg prüfen, ob die Kalibrierstrecke noch unverändert ist.

Vor Ort zum Arbeitsbesuch sind an diesem Tag auch Sebastian Putz, Staatssekretär im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, sowie der Präsident des Landesamtes, Jörg Spanier.

Die Kalibrierstrecke gibt es seit Oktober 1994. Sie sei nötig geworden, da zuvor elektrooptische Distanzmessgeräte Einzug ins Vermessungswesen gehalten haben, wie Sievers erklärt. Und da gerade bei Arbeiten fürs Liegenschaftskataster höchste Zuverlässigkeit der Vermessung erforderlich ist und die verwandte Elektronik mit der Zeit Verschleißerscheinungen aufweist, müssten die Geräte regelmäßig, vorgeschrieben ist einmal im Jahr, überprüft werden.

36 unterschiedliche Distanzen gibt es hier, 72 verschiedene Streckenmessungen sind damit möglich

Die dazu erforderliche Strecke habe man bei Golmenglin gefunden. „Sie ist gut ausgesucht worden“, bestätigt Sievers, weil sie sich nicht setzt und Veränderungen, wenn überhaupt, bislang nur im Zehntelmillimeter-Bereich nachweisbar sind.

Die Strecke weist zudem gute meteorologische Bedingungen auf. Eine gerade Sicht entlang der leicht wie eine Perlenkette durchhängenden Strecke und durchweg Schatten - all das zusammen macht das Terrain für die Vermesser so perfekt.

So stellt man also 1994 entlang der Straße im Wald, die nur mit Ausnahmegenehmigung befahren werden darf, neun Granitpfeiler, ihr Betonfundament wiegt zwei Tonnen, auf einer Distanz von insgesamt 1.850 Metern auf.

Jeder der 800 Kilogramm schweren Pfeiler ist 1,80 Meter hoch. Durch den „durchhängenden“ Streckenverlauf ist die Sicht von einem zum anderen ungehindert möglich. 36 unterschiedliche Distanzen gibt es und damit 72 mögliche verschiedene Streckenmessungen.

Für eine ständig freie Strecke zum Messen sorgt ein Gartenbaubetrieb

Damit das so bleibt, sorgt der Forst für freie Sicht. Und auch die von „Xavier“ entwurzelten Bäume haben die Messwege nicht versperrt. „Wenn ein Baum auf einen der Pfeiler stürzen würde, wäre das schon schlimm“, sagt Heiko Sievers und ist froh, dass dies bislang nicht geschehen ist. Für eine ständig freie Strecke sorgt zudem ein Stackelitzer Gartenbaubetrieb.

Pro Jahr nutzen etwa 250 Vermessungsbüros die Kalibrierstrecke zur Überprüfung ihrer Geräte. Seit der Existenz der technischen Anlage sind schon über 5.000 Vermessungsinstrumente im Flämingwald bei Golmenglin kalibriert worden (siehe auch „Genauer Ablauf“).

An diesem Oktobertag wird jedoch die Kalibrierstrecke selbst geprüft. Im Herbst sei es günstig, „weil die Bedingungen da Jahr für Jahr konstant sind und eine gute Laserausbreitung gewährleistet ist“, sagt Kiskemper.

Der Vermessungsingenieur erklärt Putz die Verfahrensweise. Wegen des Nebels hat er eine 20-Meter-Strecke ausgewählt, zwischen Pfeiler fünf und sechs wird gemessen, der Abstand mittels Frequenzmessverfahren bestimmt.

Spezialgerät kommt für die Vermessung zum Einsatz

Zum Einsatz kommt das Mekometer 5.000, ein zertifiziertes Spezialmessgerät mit extrem hoher Genauigkeit. Die Experten von der Hochschule Neubrandenburg prüfen damit auch die Kalibrierstrecken in Berlin, Potsdam und Neustadt-Glewe. Sie sind erfahren auf diesem Gebiet.

Das Mekometer ist also auf dem einen, das Prisma zum Reflektieren der Lichtstrahlen auf dem anderen Pfeiler befestigt. Mittels Laser werden Lichtwellen mit genau definierter und konstanter Wellenlänge zum Reflektor gesendet. Die Länge des Lichtweges wird aus der Modulationsfrequenz, den Ausbreitungseigenschaften der Lichtwelle und aus der Phasenlage bei der Rückmodulation bestimmt.

Berücksichtigt werden auch Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchte. Für Laien ein durchaus komplizierter Vorgang. Was für die Menschen im Land zählen dürfte, ist indes weniger das Verfahren, sondern das Ergebnis. In diesem Fall hat sich nichts verändert, die Entfernung ist exakt so wie sie sein sollte.

Wer möchte schon, dass sein Grundstück falsch vermessen wird?

„Es hat sich nichts bewegt“, sagt Kiskemper. Und auch der Staatssekretär ist zufrieden. „Wenn die Kalibrierstrecke nicht stimmt, arbeiten bald alle Messgeräte fehlerhaft, doch die müssen genau sein, das ist wichtig“, sagt er und verweist auf die Rechtssicherheit bei Messungen etwa fürs Liegenschaftskataster.

Jeder Grundstücksbesitzer könne damit zu tun bekommen. Und wer möchte schon, dass sein Grundstück falsch vermessen wird, er vielleicht mehr bezahlen soll, als er es müsste. (mz)

Vermessungsinstrumente unterliegen einem natürlichen Veränderungsprozess. Dies trifft insbesondere für die integrierte, umfangreiche Elektronik zu.

Um die hohen Anforderungen an Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Einheitlichkeit der Ergebnisse im amtlichen Vermessungswesen zu erfüllen, ist es nötig, die Instrumente auf der Kalibrierungsstrecke zu prüfen.

Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation koordiniert deren Benutzung. Die Messdaten werden von den Geräteinhabern selbst erfasst. Dazu wird technische Ausrüstung und Software zur Verfügung gestellt.

Bei der Kalibrierung werden die Strecken zwischen den Pfeilern gemessen und mit den Sollstrecken verglichen. Die Auswertung der Daten erfolgt auf der Internetseite des Landesamtes. Für jedes Instrument gibt es eine Kalibrierbescheinigung.

Weitere Informationen finden Interessierte im Internet unter der Adresse www.lvermgeo.sachsen-anhalt.de.

Vermessungsingenieur Ralf Däbel vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation kontrolliert das Aspirationspsychrometer. Mit diesem werden Temperatur und Luftfeuchte bestimmt.
Vermessungsingenieur Ralf Däbel vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation kontrolliert das Aspirationspsychrometer. Mit diesem werden Temperatur und Luftfeuchte bestimmt.
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