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Panikmache bei Ebola? Panikmache bei Ebola?: Wie gut ist der Landkreis Anhalt-Bitterfeld vorbereitet

Von Ute Hartling-Lieblang 06.11.2014, 19:14
Das Thema Ebolafieber ist allgegenwärtig. Hier nehmen freiwillige Helfer der Bundeswehr im Oktober in Schutzanzügen an einer Übung in der Unteroffiziersschule der Luftwaffe in Appen (Schleswig-Holstein) teil.
Das Thema Ebolafieber ist allgegenwärtig. Hier nehmen freiwillige Helfer der Bundeswehr im Oktober in Schutzanzügen an einer Übung in der Unteroffiziersschule der Luftwaffe in Appen (Schleswig-Holstein) teil. dpa Lizenz

Bitterfeld - Wie gut ist der Landkreis Anhalt-Bitterfeld darauf vorbereitet, bei einem Ebolafieber-Verdachtsfall unverzüglich die richtigen Schritte einzuleiten? Wie genau wissen Allgemeinmediziner, Krankenhausärzte, Mitarbeiter der Einsatz-, Leit- und Rettungsleitstelle bis hin zum Rettungssanitäter Bescheid, welche konkreten Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen und wer ihre Ansprechpartner sind? Mit diesen Fragen befasste sich der Ausschuss für Gesundheit und Soziales beim Kreistag schon zum zweiten Mal.

Steht alles im Internet

Laut Amtsarzt Norbert Preden gibt es in Anhalt-Bitterfeld kein Informationsdefizit. Er stehe in ständigem Kontakt mit allen wichtigen Stellen (siehe „Vorgehen bei Verdacht auf Ebola“) und verfüge selbst über umfassende Kenntnisse, die er ständig erweitere. Die Information der Ärzte liege nicht in seiner Zuständigkeit, machte der Amtsarzt deutlich. Im Deutschen Ärzteblatt und anderen Publikationen könnten sich die Ärzte umfassend informieren. „Das Durchblättern kann man von jedem verlangen.“ Im Internet seien die wichtigen Telefonnummern und alles, was man wissen müsse, zu finden. Die Rufnummer der Rettungsleitstelle sei bekannt. Deren Mitarbeiter sieht Preden ausreichend informiert, unter anderem durch „eine große Fortbildung“ im März 2013. „Der zuständige Leiter des Rettungsdienstes ist hervorragend qualifiziert.“ In allen Fachfragen verwies der Amtsarzt auf das Landesamt für Verbraucherschutz.

Der Ausbruch des Ebolafiebers in Westafrika wird von der WHO als „eine gesundheitliche Notlage mit internationaler Tragweite“ eingestuft. Für das Robert-Koch-Institut (RKI) ist es nach wie vor sehr unwahrscheinlich, dass „importierte Einzelfälle“ von Ebolafieber in Deutschland auftreten werden, auszuschließen sei es aber nicht, teilt die Ärztekammer Sachsen-Anhalt mit. Also müssen Vorbereitungen zum Management von Ebola-Verdachtsfällen getroffen werden.

Das RKI hat ein Flussschema zur Abklärung, ob ein begründeter Verdachtsfall vorliegt, erarbeitet: Bei Fieber über 38,5 Grad Celsius mit Ebolafieber-typischen Begleitsymptomen, wie Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Blutungen, ist ein Meter Abstand zum Patienten zu halten.

Bei weitergehenden Untersuchungen ist Schutzausrüstung zu tragen. Abzuklären ist, ob in den 21 Tagen vor Krankheitsbeginn Kontakt (direkt mit Körperflüssigkeiten) mit Ebola-Fällen oder Verdachtsfällen bzw. an Ebolafieber Verstorbenen in den Gebieten Guinea, Liberia, Sierra Leone, Dem. Rep. Kongo (Provinz Equateur) bestanden hat. Auch berufliche Kontakte und solche zu bestimmten Tierarten werden erfasst.

Liegt nach weiterer Anamnese ein begründeter Verdacht vor, ist unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu informieren, um die weitere Verfahrensweise wie zum Beispiel Kontaktaufnahme mit dem Kompetenz- und Beratungszentrum in Leipzig, Isolierung und Labordiagnostik abzusprechen.

Sollte das Gesundheitsamt (außerhalb der Dienstzeit über die Rettungsleitstelle) nicht unmittelbar erreichbar sein, besteht die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Landesamt für Verbraucherschutz, Fachbereich Hygiene, informiert die Ärtekammer.  (uli)

„Ich entscheide sowieso nichts“, antwortete Preden unter anderem auf die Frage aus dem Ausschuss, ob denn der Arzt, der eventuell nachts mit einem Verdachtsfall konfrontiert wird, rund um die Uhr fachkompetente Hilfe bekommt. Auch Dezernent Böddeker erklärte: „Alle Bereitschaftsdienste sind über die Leitstelle erreichbar, kein Arzt muss die Telefonnummer von Herrn Preden kennen.“

Für den Gesundheits- und Pflegewissenschaftler Hinrich Nowak, der für die Fraktion SPD-Grüne als sachkundiger Bürger im Gesundheitsausschuss des Kreistages sitzt, ist die Frage der richtigen Vorbereitung auf Ebola aktueller denn je.

Wie die MZ berichtete, hatte er vor mehr als einer Woche auf einen Vorfall vom 17. Oktober im Bitterfelder Klinikum aufmerksam gemacht. Dort sei ein Patient eingeliefert worden, bei dem durch seine Herkunft nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, dass er an Ebola erkrankt sei. Wie Nowak schilderte, habe er im Gespräch mit mehreren Beteiligten den Eindruck gewonnen, dass noch viel Unsicherheit im Umgang mit dem Ebolafieber herrsche.

Daraufhin war Nowak in der Ausschusssitzung vom Dezernenten Bernhard Böddeker gebeten worden, ihm Namen zu nennen, um den Dingen nachgehen zu können. Weil Nowak das nicht tat, um, so seine Darstellung, Informanten zu schützen, wurde die Sache als Gerücht und Panikmache abgetan.

Als die MZ einen Tag später im Dezernat nachfragte, lautete die Antwort von Bernhard Böddeker: „Es hat keinen Ebola-Verdachtsfall gegeben“, weder einen bestätigten noch einen unbestätigten, das hätten ihm sowohl Amtsarzt Norbert Preden als auch der zuständige Sachbearbeiter für den Rettungsdienst versichert.

Das stimmt so nicht ganz, denn im Klinikum Bitterfeld ist am 17. Oktober tatsächlich ein Patient mit unklaren Symptomen eingeliefert worden, die hätten auch auf Ebola hindeuten können, worauf die aufnehmende Ärztin verwundert reagiert habe, wie Nowak schilderte.

Das Problem: Symptome wie hohes Fieber, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen können auch bei einer normalen Virusgrippe auftreten.

Auf Nachfrage der MZ bestätigte die Klinik in Bitterfeld: „Der Patient wurde in unserem Haus behandelt. Er hatte kein Ebola. Für das Klinikum können wir sagen, wir haben alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, unter anderem liegen Vollschutzanzüge für das medizinische Personal bereit.“

Wie die MZ erfuhr, soll es sich bei dem Patienten um einen in Anhalt-Bitterfeld lebenden Asylanten gehandelt haben. Wegen Sprachproblemen sei erst im Rettungsfahrzeug festgestellt worden, dass der Mann auch Fieber hatte.

Für Hinrich Nowak steht aber fest: Das hätte man im Vorfeld genauer abklären und gegebenenfalls ein Spezialfahrzeug anfordern müssen, um alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. Seine Schlussfolgerung; Dass dies nicht so gelaufen sei, „liegt wohl auch an der nicht erschöpfenden Informationsgebung zu Ebola“, unter anderem durch das Gesundheitsamt des Landkreises. Er sehe Ebola zwar nicht als unmittelbare Gefahr für Anhalt-Bitterfeld, „aber an den Schnittstellen ist noch was zu tun“, blieb er hartnäckig.

Aufklärung ist wichtig

„Das Virus überlebt nur wenige Tage auf Gegenständen und Wäsche.“ Eine hohe Ansteckungsgefahr bestehe ohnehin nur im direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten, wie Blut, Urin usw., bei Kontakt mit an Ebola Verstorbenen sei sie am größten, hatte der Amtsarzt zuvor informiert. Dass Norbert Preden Nowaks Hartnäckigkeit als Panikmache abtun wollte, störte auch die Ausschussvorsitzende Dagmar Zoschke (Die Linke): „Es geht dem Ausschuss nicht um Panikmache, wir wollen gemeinsam mit Ihnen dafür sorgen, dass eine Aufklärung erfolgt, wie der Landkreis und die ihm nachgeordneten Einrichtungen vorbereitet sind“, stellte sie klar. (mz)