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Obdachlosenunterkunft in Köthen Obdachlosenunterkunft in Köthen: Schimmlige Wände verdreckte Toiletten tote Mäuse

Von Doreen Hoyer 16.12.2015, 06:00
In der Stube von Karin Ritter treffen sich Bekannte und andere Bewohner des Hauses.
In der Stube von Karin Ritter treffen sich Bekannte und andere Bewohner des Hauses. Heiko Rebsch Lizenz

Köthen - Schimmlige Wände, verdreckte Toiletten, tote Mäuse, die in einem Eimer gesammelt werden: Ein Blick in die Zimmer der Notunterkunft für Obdachlose in der Köthener Augustenstraße ist bestürzend. Nachdem die MZ bereits Mitte November über das Thema berichtet hatte, schlug ein Bericht der MDR-Fernsehsendung „Exakt“ in der vergangenen Woche hohe Wellen.

Jede Menge Müll auf Hinterhof

Bei einem erneuten Besuch der MZ in der Unterkunft fällt auf, dass sich einiges verändert hat: Vor zwei oder drei Wochen sei eine Menge Müll aus dem Hinterhof und dem Keller abgeholt worden, berichtet Bewohnerin Karin Ritter. Auch eine völlig zugemüllte Wohnung im Erdgeschoss solle bald aufgeräumt werden, danach werde der Kammerjäger kommen und sich um die Flöhe im Haus kümmern. „Mäuse gibt es aber immer noch massenweise“, so Ritter.

Im Fernsehbeitrag kam auch Dr. Thomas Specht vom Verein BAG Wohnungslosenhilfe in Berlin zu Wort. Specht warf der Stadt Köthen vor, bei der Unterkunft seien gesetzliche Mindeststandards nicht erfüllt worden. Von Seiten der Stadt heißt es dagegen, alle Standards würden eingehalten.

OB Frolow weiß von keiner Kritik

Bei dieser Einschätzung bleibt der amtierende Oberbürgermeister Alexander Frolow auch bei einer MZ-Nachfrage nach der Ausstrahlung des Fernsehbeitrags. „Ich wüsste gern, was Herr Specht eigentlich meint. Keine Ahnung, auf welche Standards sich seine Kritik beziehen soll“, so Frolow.

Sprecht erklärte, es gebe in Deutschland zwar kein Gesetz, in dem klar geregelt ist, wie eine Obdachlosenunterkunft einzurichten ist. Die Mindeststandards leiteten sich aus verschiedenen Gerichtsurteilen ab. „Zu bemängeln an der Köthener Unterkunft wäre zum Beispiel, dass es kein fließendes Warmwasser gibt und keinen behindertengerechten Toilettenzugang. Zudem sind die Wände schimmlig und ob die Öfen in den Zimmern alle Brandschutzregeln erfüllen, wage ich auch zu bezweifeln.“ Sein Verein habe ein Rechtsgutachten erstellen lassen, so Specht weiter. Das Gutachten liegt der MZ vor. Im Punkt „Mindestanforderungen an eine Notunterkunft“ ist unter anderem von Raumgrößen die Rede und dem Anspruch, die Unterkunft Tag und Nacht zugänglich zu machen. Über Warmwasseranschlüsse und Heizarten liest man darin allerdings nichts Konkretes. Stattdessen heißt es in einem Gerichtsurteil: „Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei freilich die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige (...) Unterbringung nicht mehr eingehalten werden.“

Keine Sozialarbeiter in Augustenstraße

Ebenfalls kritisiert wurde, dass die Menschen in der Augustenstraße 63 keine Betreuungspersonen oder Sozialarbeiter an ihrer Seite hätten. Laut Landkreissprecherin Marina Jank haben zur Zeit drei der 17 Untergebrachten einen gesetzlichen Betreuer, der vom Amtsgericht bestellt wurde. Welche Befugnisse die Betreuer haben und wer die Betreuung beantragte, könne sie aus Datenschutzgründen nicht sagen, so Gerichtsdirektorin Cornelia Meyer gegenüber der MZ. Jank gibt zu bedenken: „Die Betreffenden müssen die Betreuung auch selbst wollen.“ (mz)