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Niemand kennt sich besser aus Niemand kennt sich besser aus: Hartmut Borghardt kümmert sich historische Uhr in Kühren

Von Sylke Hermann 15.03.2020, 13:00
Hartmut Borghardt steht an der alten Uhr in der Schule.
Hartmut Borghardt steht an der alten Uhr in der Schule. Hermann

Kühren - Hartmut Borghardt hat sich - wie jeden Tag - zu Hause abgemeldet. Er verlässt das Haus, geht über die Straße und hat sein Ziel erreicht. Keine Minute vergeht. Das erleichtert einiges. Der Zeitfaktor dürfte, so vermutet der 65-Jährige heute, ein Grund gewesen sein, dass er sich um die Uhr in der alten Schule kümmert. „Ich hab’s ja nicht weit.“

Dabei ist der zeitliche Aufwand mittlerweile bemerkenswert. Denn die Uhr ist in die Jahre gekommen und braucht einiges an Pflege. Seit zwei Jahren funktioniert das Schlagwerk nicht mehr. Und jetzt dürfte das Zahnrad irgendwann fällig werden, nimmt er an.

„Ich mache das jetzt schon mein halbes Leben“, erzählt Hartmut Borghardt, früher Bürgermeister in Kühren, einem Ortsteil von Aken. Von 1990 bis 2004 leitet er die Geschicke des Dorfes. „Die haben mit dem Finger auf mich gezeigt und gesagt, ich soll’s machen“, erinnert er sich. Die - das sind die Kührener. Und Harmut Borghardt hat’s gern gemacht. Den Job als Ortsbürgermeister. Vorher den des Feuerwehrchefs. Jetzt als Uhrensachverständiger.

1986/87 ist die Uhr schon einmal umfangreich instandgesetzt worden

Als Uhrensachverständiger aber sieht sich der gelernte Instandhaltungsmechaniker, der sein gesamtes Berufsleben bei Woodward, früher Einspritzgerätewerk Aken, verbringt, beileibe nicht. Dennoch kümmert er sich aufopferungsvoll um das alte Uhrwerk, das er von seinem Schlafzimmer aus perfekt im Blick hat.

1986/87 ist die Uhr schon einmal umfangreich instandgesetzt worden. Von fünf, sechs Leuten aus dem Dorf, die das in Feierabendarbeit erledigten. „Die war wirklich verkommen“, weiß er noch. Damals habe sich auch ein Uhrmacher aus Nienburg das gute Stück, gebaut irgendwann nach dem 1. Weltkrieg, schon einmal angesehen, berichtet Hartmut Borghardt, während er die Uhr routiniert aufzieht, indem er das an einem dünnen Stahlseil befestigte, circa 15 Kilogramm schwere Gewicht nach oben leiert. Jetzt hat er normalerweise 24 Stunden Ruhe. Genaugenommen 24 plus zwei Stunden. In dieser Zeit muss er sie wieder aufziehen. So viel zur Theorie.

Wenn er unterwegs ist, übernimmt sein Sohn das Uhrenaufziehen

Es gibt Tage, an denen geht Hartmut Borghardt sieben bis acht Mal auf die andere Straßenseite, weil die Uhr steht. Dann nimmt er die Treppe in die erste Etage der Heimatstube, von dort aus eine Leiter Richtung Boden, wo die Uhr in einem kleinen Verschlag ihr Plätzchen hat. „Ich bin hier schon nachts hochgestiegen, mit der Taschenlampe“, erzählt der Kührener mit einem lauten Lachen und schickt hinterher; „Manchmal verfluche ich sie auch. Aber ich kenne eben ihre Macken.“

Wenn er unterwegs ist, übernimmt sein Sohn das Uhrenaufziehen.

Das hat Hartmut Borghardt so geregelt, damit man in Kühren immer weiß, wie spät es ist. Und es gibt auch so bestimmte Zeichen: Wenn der Zeitanzeiger funktioniert, wenn er schon unten das Ticken hört, „dann bin ich zufrieden - herrlich“. (mz)