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Naphtalin bringt Plan durcheinander

Von HELMUT DAWAL 16.06.2010, 17:34

KÖTHEN/MZ. - In der Grundschule "Wolfgang Ratke" beginnt in den Sommerferien eine umfangreiche Sanierungsmaßnahme, die nicht geplant war. Es geht darum, im Erdgeschoss und dem Obergeschoss den gesamten Fußboden herauszunehmen und durch neuen zu ersetzen. Das ist notwendig, weil in der Schule ein geruchsintensiver Schadstoff mit möglicherweise krebserzeugender Wirkung festgestellt worden ist. Konkret handelt es sich um Naphtalin. Wie Untersuchungen ergeben haben, befindet sich dieser Stoff in der Teerpappe, die vor Jahren beim Fußbodenbau verwendet wurde.

Der Hauptausschusses des Stadtrates hat während seiner Sitzung am Dienstagabend den Weg freigemacht, damit der Gefahrenherd umgehend beseitigt werden kann. "Seit der letzten Woche steht fest, dass die Belastung von der Teerpappe ausgeht. Deshalb müssen wir schnell handeln", sagte Kurt-Jürgen Zander (SPD), Oberbürgermeister und Ausschuss-Vorsitzender in einer Person.

Die Sanierungsmaßnahme wird rund 305 000 Euro kosten und bringt damit andere Planungen durcheinander. Die Finanzierung soll aus Mitteln des Konjunkturpaketes II und der Schülerpauschale erfolgen. Was zur Folge hat, dass andere an Schulen vorgesehene Baumaßnahmen verschoben werden müssen. Ausgesetzt werden die vorgesehene Flachdachsanierung und die Sanierung des Turnhallendaches in der Ratke-Schule. Ebenfalls verschoben wird die geplante Dämmung des zweiten Obergeschosses der Kastanienschule. Auch der geplante Einbau des Aufzuges in der Ratke-Schule muss warten.

Laut Zander sollen die Arbeiten in drei Bauabschnitten erfolgen - während der bevorstehenden Sommerferien, in den Ferien am Jahreswechsel und den Winterferien. Momentan fehlen für die Gesamtfinanzierung noch rund 20 000 Euro. Der OB hofft, dass über "die großflächige Ausschreibung" die Stadt finanziell noch etwas besser davon kommt. Die Ausschussmitglieder votierten einstimmig für die Fußbodensanierung. Und sie gaben, was angesichts der hohen Baukosten eher ungewöhnlich ist, dem OB die Vollmacht, sofort und eigenverantwortlich die Auftragsvergabe einzuleiten.

Eine kritische Anmerkung gab es von Stadträtin Christina Buchheim (Die Linke). Sie verwies darauf, dass sich das Problem in der Ratke-Schule schon im vergangenen Jahr andeutete, es bisher aber keine öffentlichen Informationen dazu gegeben habe. "Auch die Eltern wurden von der Verwaltung nicht darüber informiert", sagte sie. Sie nannte eine Schule in Naumburg als Beispiel dafür, wo es nach dem Bekanntwerden einer Schadstoffbelastung sofort zur Schließung gekommen sei. Christina Buchheim sah einen "krassen Widerspruch" in der Vorgehensweise zwischen Köthen und dieser Stadt. "Wir kennen die Werte dort nicht, die waren vielleicht zehnfach so hoch wie bei uns", entgegnete der OB und betonte nochmals: "Wir haben schnell reagiert."

Wann genau die Schadstoffbelastung festgestellt wurde, war im Ausschuss nicht weiter hinterfragt worden und auch am Mittwoch trotz intensiver Bemühungen der MZ nicht in Erfahrung zu bringen. Aus den Erläuterungen zum Beschluss ist jedoch zu entnehmen, dass im Jahr 2009 nach einer Begehung der Schule vom Landesamt für Verbraucherschutz ein Auftrag zur Raumluftuntersuchung in vier Räumen des Erdgeschosses ausgelöst wurde. Diese Räume werden von den Lehrern und der Schulleitung genutzt. Beim Parameter Naphtalin wurde eine Konzentration ermittelt, die größer war als der zulässige Wert. Zudem erfolgten Bohrkernentnahmen in den Fußböden.

In diesen Räumen wurde im Oktober 2009 der Fußboden bereits erneuert mit dem Ergebnis, dass bessere Raumluft-Werte erzielt wurden. Im April dieses Jahres wurden die Messungen wiederholt und ergaben erneut höhere Konzentrationen. Die Unterschiede in den Werten, ergaben die Untersuchungen, resultierten aus dem Lüftungsverhalten. Nunmehr scheint festzustehen, dass die Fußböden auch in allen anderen Räumen der Schule mit besagter Teerpappe versehen sind.