Nach 29 Jahren Nach 29 Jahren: Letzte Ausgabe des "Akener Nachrichtenblattes" ist erschienen

Aken - ANB. Drei Buchstaben. Ein Name. Das „Akener Nachrichtenblatt“, die Akener Heimatzeitung. Alle 14 Tage liegt sie verlässlich in den Briefkästen der Elbestädter. Gegründet am 3. August 1990.
Nun ist sie beerdigt - mit einer allerletzten Ausgabe, der Nummer siebenhundertachtzehn. Erschienen am Neujahrstag 2019. Die ANB-Macher verabschieden sich mit einem vierseitiges Trauerblättchen in schwarz-weiß. So, wie damals alles beginnen sollte.
Mit dem ANB geht eine Ära zu Ende. Die Ära einer Zeitung für Aken, die ehrenamtlich erarbeitet wurde. Die zumeist von Schülern verteilt wurde. Die, wenn man dem Glauben schenken darf, was man hört und liest, viel beachtet, hoch geschätzt wurde.
„Die Idee ist nach der Wende entstanden. Hansjochen Müller, damals gerade zum Bürgermeister gewählt, fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, eine Art Zeitung herauszubringen“, erinnert sich Matthias Schmidt. Dessen Vater gehört damals die Druckerei Gottschalk in der Dessauer Straße. Müller braucht eine Form - das wird ihm im Amt des Bürgermeisters schnell bewusst - um Amtliches bekannt zu machen. Die neuen Satzungen, Beschlüsse und so weiter. So vieles ändert sich gerade, so vieles ist neu.
Anfangs ging es darum, wie die Informationen aus dem Rathaus die Bürger erreichen
„Die Idee, eine richtige Zeitung zu machen, kam erst später. Anfangs ging es um praktische Erwägungen. Zum Beispiel, wie die Informationen aus dem Rathaus die Bürger erreichen. Aber“, erinnert sich Matthias Schmidt, „viel kosten sollte es auch nicht.“ Müller will und muss haushalten; „deshalb sollten wir von Anfang an Annoncen generieren“.
Wir - das sind Matthias Schmidt und Stefan Krone. Beide sind 48. Freunde von klein auf. Ihre Mütter, erzählen sie, hätten sie schon im Kinderwagen nebeneinander her geschoben. Sie gehen in denselben Kindergarten, drücken gemeinsam die Schulbank, verbringen viel Zeit zusammen. Wen wundert’s, dass Matthias Schmidt da seinen Freund Stefan fragt, ob er dabei ist, das ANB zu entwickeln. Ist er.
Obwohl er mit Zeitung, mit Papier, mit all dem nichts am Hut hat. Er ist Elektriker. Doch seinem Freund zuliebe lässt er sich auf das Wagnis ein. Mit dem Trabant von Stefan Krones Vater tuckern sie durch die Stadt, klappern Handwerksbetriebe ab, auf der Suche nach Anzeigenkunden. „Das hat wahnsinnig viel Überzeugungsarbeit gekostet“, schildert Matthias Schmidt. Aber: Sie haben Erfolg.
Das ANB ist bald entschieden mehr als ein schlichtes Mitteilungsblatt
Beide sind 19 als sie anfangen, sich dem Akener Zeitungsprojekt zu widmen. Erst wollen sie sogar wöchentlich erscheinen. Doch der Zwei-Wochen-Rhythmus bewährt sich. Fast 29 Jahre lang.
Die ersten Ausgaben fallen noch recht mager aus. Höchstens vier Seiten. Mit ein paar Zeilen des Bürgermeisters, den neuen Satzungen - viel mehr ist es zu Beginn gar nicht. Doch zusehends steigen Zuspruch und Interesse - vor allem bei denen, die sich aktiv einbringen wollen. Matthias Schmidt meint „die alten Akener, die etwas erzählen wollten“. Und Themen gibt es genug. Die illegale Müllkippe. Der umgeknickte Baum am Straßenrand. Das Fest im Kindergarten. Eine neue Kneipe.
Mundartgeschichten. Akener Geschichte. Das ANB ist bald entschieden mehr als ein schlichtes Mitteilungsblatt. Das Amtliche füllt nur die ersten paar Seiten. „Wir haben das von Anfang an sehr gern gemacht und sind überall mit offenen Armen empfangen worden“, blickt Stefan Krone zurück.
„Die Leute hatten gerade nach der Wende nicht nur etwas zu erzählen, sie wollten auch erzählen“, ergänzt Matthias Schmidt. „Hinzu kam, dass wir selbst neugierig waren und alle Informationen dankbar aufnahmen.“
1997 kündigt die Stadt Aken den Vertrag mit der Druckerei Gottschalk
Im Volksbad sitzen sie jeden Tag nach der Arbeit eine Stunde - und hören zu, schreiben mit. Sie nehmen sich Zeit. Es ist ihre ANB-Sprechstunde, die von Anfang an das Potenzial hat, ein Selbstläufer zu werden. „Oftmals standen die Leute schon draußen und warteten auf uns“, sagt Stefan Krone. Einige von ihnen wollen einfach nur ein bisschen schnacken, plaudern. „Das war schon eine tolle Zeit“, findet Matthias Schmidt.
1997 ist von jetzt auf gleich alles anders. Die Stadt kündigt den Vertrag mit der Druckerei Gottschalk. Man werde, so kündigt das Schreiben an, nur noch für den amtlichen Teil Verantwortung übernehmen. Das unternehmerische Risiko trägt fortan Matthias Schmidt, der neue ANB-Herausgeber. „Die Stadt“, erklärt er, „ist von da an ein Kunde wie jeder andere.“ Sie zahlt, gemessen an einem festen Seitenpreis, für den Platz, den sie nutzt.
Stefan Krone nimmt diese plötzliche Kündigung von einst äußerst persönlich. Er versteht es nicht - und zieht sich aus der Produktion des ANB zurück. Für ein Jahr etwa. Er merkt, dass ihm etwas fehlt: das ANB. „Das ist quasi zu meinem Hobby geworden. Ich war stolz darauf, die Akener damit informieren zu können.“ „Aber wir haben uns nie als Journalisten verstanden. Wir haben nie Themen gesetzt, wir haben aufgegriffen, was uns die Leute erzählt haben. Und sie hatten gerade in den ersten Jahren ein enormes Mitteilungsbedürfnis“, schildert Matthias Schmidt. Wer für das ANB schreiben will, kann das tun. Anonym allerdings nicht.
Dieses Mal ist der Abschied vom ANB endgültig
5.000 Exemplare werden alle 14 Tage gedruckt und verteilt. Nur ein einziges Mal erscheint das ANB, 1990 als erste freie Zeitung in Aken seit 57 Jahren gegründet, mit einer Doppelausgabe: am 28. Juni 2013. „Durch das Hochwasser“, erinnert Matthias Schmidt, „mussten wir die Druckerei dicht machen.“ Und so wird die Ausgabe 579/580 etwas Besonderes in der Geschichte der Akener Heimatzeitung bleiben.
Am 22. Juni 2018 ist von jetzt auf gleich wieder alles anders. Wieder erhält die Druckerei Gottschalk die Kündigung aus dem Rathaus. Zum 31. Dezember 2018, entscheidet Jan-Hendrik Bahn, endet das Vertragsverhältnis. Diesmal ist es ein Abschied für immer.
„Das ANB war unser Baby“, sagt Matthias Schmidt. „eine Zeitung, die unsere Handschrift getragen hat. Auch mit kritischen Texten. Mit unserem Qualitätsanspruch.“
Die Ausschreibung des Rathauses, die nun ein reines Amtsblatt will, habe sich nicht mit den Vorstellungen, wie man das ANB bisher gestaltet habe, in Einklang bringen lassen, sagt Stefan Krone. Deshalb sei nun Schluss. Für das ANB - und die Druckerei Gottschalk, die Ende des Jahres 2018 ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat. Das Ende einer Tradition, die 1863 in der Elbestadt begonnen hatte. (mz)
