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Köthen Köthen: Zweifel nach Attacke auf Studenten

Von Thomas Steinberg 01.03.2013, 14:29
Ein Richter
Ein Richter DPA Lizenz

Köthen/Dessau-Rosslau/MZ - Im Fall des in Köthen zusammengeschlagenen chinesischen Studenten sind alle Angeklagten wieder auf freiem Fuß. Das Landgericht Dessau hob die verbliebenen Haftbefehle auf, weil es einen dringenden Tatverdacht nicht mehr als gegeben ansieht. Vier Männer sollen am 18. November 2012 den Studenten vor einem Wohnheim beschimpft und mehrfach geschlagen haben. Der Fall hatte landesweit für großes Aufsehen gesorgt.

Warnung des Richters

Der Prozess hatte in der vergangenen Woche begonnen. Am zweiten Prozesstag wies der Vorsitzende Richter Stefan Caspari auf zwei wichtige Umstände hin: Er warnte die Angeklagten davor, die Freiheit zu nutzen, um eventuell Zeugen „einzunorden“. „Da versteht das Gericht keinen Spaß.“ Die zweite Botschaft galt jenen, die bei der Tat einen rassistischen Hintergrund vermuten - angesichts des chinesischen Opfers und der einschlägigen Biografie zumindest einzelner Angeklagter keine lebensfremde Annahme. Zumindest einige haben durchaus eine kriminelle Vergangenheit, die über Einzelfälle hinausgeht - und das Umfeld zumindest einzelner Angeklagter zeigt auch, über Jahre hinweg, deutliche Ausprägungen rechtsradikaler Gesinnung, verbunden mit entsprechender Fremdenfeindlichkeit.

Fremdenhass als Motiv spiele bei der Entscheidung über die U-Haft keine Rolle, sondern erst bei der Strafzumessung, stellte Caspari jedenfalls klar. Im bisherigen Prozessverlauf deutete sich an, dass die Tat möglicherweise anders abgelaufen ist, als sie von dem Opfer Wenjie J. geschildert wurde.

Dutzende Male habe man ihn mit Fäusten geschlagen, hatte er bei der Polizei und vor Gericht zu Protokoll gegeben. Selbst wenn ein rechtsmedizinisches Gutachten aussteht, stellte sich die Frage, warum J. nach einer solchen Attacke nur vergleichsweise harmlose Verletzungen davongetragen hatte.

Nach der Vernehmung eines Zeugen - eines 22-jährigen Chinesen, der ebenfalls in Köthen studiert - stellen sich weitere Fragen. Der Zeuge hatte das Geschehen fast vollständig beobachtet. Er war durch Hilferufe aufmerksam geworden und hatte daraufhin aus einem Zimmer im fünften Stock des Studentenwohnheims geschaut. Der 22-Jährige sah, wie zwei Männer das Opfer festhielten und einer zum Schlag ausholte. Ob dieser tatsächlich traf, wusste der Zeuge nicht zu sagen. Ein weiterer Zeuge konnte lediglich vom Beginn des Geschehens berichten: Ein einzelner Mann habe J. einmal geschlagen – vier weitere Männer seien etliche Meter entfernt gewesen.

Aus den beiden Zeugenaussagen könnten sich Zeitfenster ergeben, in denen J. so schwer verprügelt worden sein kann, wie von ihm behauptet. Aber das ist bislang ebenso ungeklärt wie die Identität der Männer, die möglicherweise überhaupt nicht an der Tat beteiligt waren.

Eine vorläufige Entscheidung

Für die Kammer waren die Unsicherheiten letztlich Grund genug, entgegen dem Wunsch der Staatsanwaltschaft alle Haftbefehle aufzuheben. Ein dringender Tatverdacht sei nicht mehr gegeben. „Das“, so betonte der Richter allerdings auch, sei, „eine vorläufige Einschätzung und noch lange kein Freispruch.“