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Köthen Köthen: Deutlich sprechen, ruhig atmen

Von SYLKE HERMANN 13.09.2010, 17:34

KÖTHEN/MZ. - Mit den Ausführungen des Anglisten Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, ehemaliger sächsischer Staatsminister und Ex-Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, zum Thema "Kleid oder Haut - was ist uns unsere deutsche Sprache?" ist am Samstag der Tag der deutschen Sprache in Köthen zu Ende gegangen. Zuvor wurden die Preise des Schreibwettbewerbs "Schöne deutsche Sprache 2010" verliehen. Die Preisträger trugen dem Publikum ihre Arbeiten vor.

"Doch nanu, welch kalte Finger greifen da nach meinem Knauf, zittrig tastend, mir wohl bekannt. Es ist das Gretchen, das liebe, gute. Kein Sonntag, an dem sie nicht erscheint, Ein reines Herz, so unerfahren." Janna Wörner, 20 Jahre, geduldet sich bis zuletzt, um diese Zeilen zu sprechen. Zur Sprechwerkstatt am Vormittag sind die Sitze (fast) leer - aber sie werden sich füllen. Am Nachmittag. Zur Preisverleihung.

Janna Wörner gehört zu den Preisträgern des Schreibwettbewerbs. Am Samstagnachmittag erhält sie den Sonderpreis des Oberbürgermeisters. "Na klar freue ich mich darüber", gesteht sie. Erwartet hingegen habe sie für "Gretchen und Domtür", für ihre "Auseinandersetzung mit einem der bedeutendsten Werke deutscher Sprache überhaupt keinen Preis.

Die Geschichte von Gretchen und der Domtür will die junge Dame, die im Sommer Abitur am Hallertau-Gymnasium in Wolnzach gemacht hat, "nur aus Spaß eingereicht" haben. Und beinahe hätte sie es danach vergessen. Wäre da nicht Post aus Köthen eingetroffen. Verbunden mit der Einladung, in die Bachstadt zu kommen.

Sie tat es gern. Mit ihr viele weitere talentierte Kinder und Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet. Um ihre Geschichten am Nachmittag brillant zu präsentieren, nimmt sich Lienhard Hinz Zeit für sie. Der Sprachwissenschaftler gehört als Beisitzer dem Vorstand der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen an. "Es gehört eine enorme Begabung dazu, diese Geschichten überhaupt auf Papier zu bringen. Es wäre schade, wenn das Talent beim Vortrag nicht zur Wirkung käme", findet er. Also wird am Vormittag geübt. Hinz betreut die Sprechwerkstatt für die Preisträger schon zum zweiten Mal. Er nimmt sich Passagen aus den Wettbewerbsbeiträgen, lässt einzelne Worte wieder und wieder vortragen. "Das hilft", ist er überzeugt. Ohne Übung bestünde die Gefahr, "dass der Text im Vortrag untergeht". Der Autor, erläutert er, könnte schnell in die Versuchung geraten, eine Art Selbstgespräch zu führen. Damit das nicht passiert, sondern die Kinder und Jugendlichen die Interaktion mit dem Publikum beherrschen, sind Hinz' Ratschläge äußerst willkommen.

In Alexandra Ellingers Geschichte "Die kleine Elfe und der Wal" gefällt Hinz eine Stelle ganz besonders, die im Textfluss allerdings ein wenig untergeht: "Komm, wir wollen Stille Post blubbern." "Das ist so schön", schwärmt Hinz. Die zierliche Viertklässlerin spricht diesen einen Satz immer und immer wieder - so lange bis "blubbern" sich einfach wie "blubbern" anhört. Applaus für so viel Geduld.

Der Sprachwissenschaftler animiert die jungen Schreiber zu mehr Dramatik, wo sie angemessen ist. Er wünscht sich Pausen, um die Worte wirken zu lassen: "Lasst euch schön Zeit." Und er empfiehlt eine laute, deutliche Aussprache.

Robert Mokry, der in Klassenstufe 4 mit "Der Löwenzahn und sein Traum" Platz 3 erreicht hat, gehört zu denen, wo Hinz kaum Korrekturbedarf sieht. "Du sprichst das wunderbar", lobt er. Auch Joshua André, der Beste in der Altersstufe 7. bis 9. Klasse, überzeugt durch Intensität, durch seine fesselnde Rhetorik: "Ich lese den Text so wie ich fühle", erklärt der Zerbster. Wie oft er der Text von der großen Zarin und dem kleinen Jungen mittlerweile gesprochen hat, weiß er nicht. Doch seine Geschichte über Katharina die Große, über ein Denkmal, das wie ein Mensch redete, findet er immer noch spannend und freut sich sehr, zu den Preisträgern zu gehören.

Gespannt zeigt sich Sprachwissenschaftler Hinz noch, wie wohl das Experiment dieses Wettbewerbes ankommen würde. Acht Darsteller, acht junge Damen, die sich nicht kennen, eine Geschichte: "Im Knast" von Anne Habedank. Die Berlinerin bekommt hierfür Unterstützung von der Theatergruppe des Ludwigsgymnasiums, deren Darsteller einzelne Rollen übernehmen. Dank der Mitwirkung von Frau Holle, dem gestiefelten Kater, einem Drachen und Schneewittchens Stiefmutter kann selbst "Im Knast" märchenhaft sein.

Die Autorin gesteht ihre Faszination für Märchen und liebt es, diese "einfach umzudrehen" und neu zusammenzufügen. Einhellig habe die Jury das Stück der Berliner Abiturientin favorisiert. Beeindrukend sei dessen "ideenreiche Umsetzung", so Sabine Brzezek, Vorsitzende des Preisgerichts.

Hinz sieht das ganz genauso und drückt die Daumen, dass sich die jungen Damen am Nachmittag noch an all das erinnern mögen, was sie am Vormittag gelernt haben: Laut und deutlich sprechen, ruhig atmen, Pausen machen, das Publikum einbeziehen.