Köthen Köthen: Der Köthener isst nicht nur Schnitzel gern
Köthen/MZ. - Zeit: 19 Uhr. Ort: Gaststätte "Leipziger Eck" in der Leipziger Straße in Köthen. Handelnde Personen: Vater und Sohn Reinhard und Andreas Höhne sowie Praktikant Jens Schulz. Die Höhnes betreiben die Gaststätte. Jens Schulz lernt an den Europa-Schulen Aken den Koch-Beruf und kann im "Leipziger Eck" die Theorie in die Praxis umsetzen. Nebenan im Gästeraum eine Tischrunde, die gerade mit dem Essen fertig geworden ist. Reinhard Höhne bringt die Teller zurück in die Küche, auf denen nur Spuren von der Soße zu sehen sind.
"Solche leeren Teller - das ist der schönste Anblick für mich", sagt Andreas Höhne, der Koch. Von seiner Kunst hängt es in erster Linie ab, ob die Gäste wiederkommen. "Es hat sehr gut geschmeckt", tönt es aus der Runde im Gästeraum auf die entsprechende Frage. Man bestellt sich noch einige doppelte Espressi. "Einen Espresso zum Abschluss zu trinken setzt sich auch in Köthen durch", bemerkt Reinhard Höhne. Das bitter-würzige Getränk setzt das i-Tüpfelchen auf den kulinarischen Genuss des Abends.
Auch das Trio Höhne-Schulz gönnt sich eine Pause. Das Geschirr wird abgewaschen. Wer jetzt einen Blick in die Küche wirft, kann sich nicht vorstellen, dass der Raum erst vor kurzem voller Bewegung war. Hektisch läuft es hier aber nicht ab. Sondern schnell und exakt. Kein Handgriff zu viel. Das Trio versteht sich bestens, ohne viel zu reden. Meist genügen ein Wort oder ein kurzer Satz.
Reinhard Höhne ist der Mittelsmann zwischen den Gästen und der Küche. Er begrüßt die Kunden, geleitet sie an den Tisch und nimmt die Bestellungen auf. Der Koch Andreas Höhne passt in der Zeit auf die blubbernden Soßen auf. Der Praktikant Schulz zaubert für die Gäste einen kleinen Appetitanreger: Brot mit Kräuterbutter. Das ist eine nette Aufmerksamkeit und geht auf Rechnung des Hauses. Noch hat Andreas Höhne Zeit, Fragen zu beantworten. Zum Beispiel: Was isst der Köthener am liebsten? "Schnitzel", sagt der Koch. Er muss es wissen. Reinhard Höhne bringt den Zettel mit der Bestellung in die Küche und heftet ihn an eine Magnettafel. Kein einziges Schnitzel steht drauf. Sondern Schweinemedaillons. Wildgulasch. Putenbruststreifen in Orangen-Pfeffer-Soße. Rumpsteak in Rotweinsoße mit Brokkoli. Zander-Lachs-Zopf auf einer Tomate-Weißweinschaumsoße.
Nun ist Andreas Höhne dran. "Länger als eine halbe Stunde darfst du die Gäste auf das Essen nicht warten lassen", sagt er. Und rotiert in der Küche. Putenfleischstreifen werden geschnitten, von einer Rindslende eine Riesenscheibe, ein Steak, abgetrennt, der Fisch wird bratfertig gemacht.
Ein paar Minuten später brutzelt alles auf dem Elektroherd: Jedes Essen natürlich in einer eigenen Pfanne. Währenddessen ist eine Waldpilzcremesuppe fertig, der Praktikant hat bereits Kloßscheibchen vorbereitet, die hinein kommen - und schon trägt Reinhard Höhne die Teller mit der Suppe in den Gastraum. Wie schaffen es bloß die Kellner, so viele Teller auf einmal zu tragen? Nicht nur in den Händen, sondern auch auf seinen Armen liegen welche, und keiner fällt herunter.
Während die Gäste das Süppchen schlürfen, werden nach und nach die Hauptgerichte gar. Schon beim Salzen beweist Andreas Höhne, dass Kochen eine Kunst ist. Ohne zu messen, streut er das Salz mit einer derart lockeren, legeren Bewegung über die Speisen, dass der Zuschauer neidisch wird. "Das hat man im Gefühl", sagt der Koch. Ebenso sicher schätzt er ein, ob das Steak blutig, medium oder bereits durchgebraten ist. Medium wurde bestellt. Ein leichter Druck auf das Fleisch - es ist Medium.
Ein Vergnügen ist es auch, Jens Schulz zuzuschauen, der Gurkenscheiben schneidet, mit welchen die Beilage garniert wird. Das scharfe Messer ist in seinen Händen wie der Pinsel bei einem begabten Maler: Ein paar schnelle Schnitte, und das Stück Gurke verwandelt sich in ein kleines fein gemustertes Kunstobjekt. Viel zu schade zum Vertilgen. Aber das Auge isst bekanntlich mit.
Nach und nach kommen die Speisen auf die Teller, die auf einem angewärmten Metalltisch abgestellt werden: Das Essen darf auf keinen Fall kalt werden. Andreas Höhne wirft den letzten prüfenden Blick drauf und nickt zufrieden. Nun vergleichen er und der Praktikant die bereitstehenden Speisen mit dem Bestellzettel. Peinlich wäre es, eine Bestellung zu vergessen. Nein, alles ist in Ordnung. Reinhard Höhne, der Kellner-Jongleur, trägt die Teller in den Gastraum. Zuvor teilt er noch mit, dass eine Dame eine doppelte Portion Würzfleisch zum Mitnehmen bestellt. Auch das ist im Leipziger Eck möglich.
Die Gäste sind satt, das Personal ist zufrieden. Die Tür in den Hof wird aufgemacht, damit frische Luft in die Küche kommt. Die schönen Düfte entweichen auf die Straße, so dass Passanten gewiss das Wasser im Mund zusammenläuft.
Isst das Personal eigentlich zuerst selbst etwas, damit ihm nicht bei der Zubereitung das Gleiche passiert? "Bei mir ist es unterschiedlich", sagt Andreas Höhne. "Eigentlich esse ich zuvor nichts", sagt Jens Schulz. "Ich komme oft hungrig zur Arbeit und habe hinterher keinen Hunger. Das Kochen, die Düfte machen satt." Beide - der Koch und der Praktikant - sind übrigens schlanke Männer.
Kocht man als Berufskoch auch privat zu Hause? "Ja", sagt Andreas Höhne. "Am liebsten koche ich zu Hause mit Freunden." .
Das "Leipziger Eck" hat fast 100 Plätze. Es ist schwer vorstellbar, dass Vater und Sohn Höhne selbst mit Hilfe des Praktikanten, der bereits zum zweiten Mal hier sein Praktikum hat, eine solche Menge hungriger Menschen bedienen können. "In solchen Fällen kommen Zeitkräfte hinzu", sagt Andreas Höhne
Mitten in der Woche war es nicht erforderlich. Das Trio schaffte es allein. Es gibt jedoch Tage, an denen Liebhaber einer deftig-bürgerlichen Küche, wie sie im "Leipziger Eck" geboten wird, hier nicht so leicht einen Platz erhalten können. "Zu Weihnachten oder Ostern sind wir bereits im Oktober ausgebucht", so Andreas Höhne.