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Konzert in Aken Konzert in Aken: Wärmende Gänsehaut durch "Sax & Keyb Consort"

Von thilo schwichtenberg 22.04.2015, 16:29

aken - Wenn die Glocken final zur Erinnerung läuten, haben bereits über 100 Menschen in Sankt Nikolai Platz genommen. Der winterlichen Gemütlichkeit des Gemeindesaales entwachsen, finden die Konzerte von nun an wieder in der atmosphärischen Halle des Gotteshauses statt und das 2001 gegründete „Sax & Keyb Consort“ legt sozusagen den Grundstein für die Saison. Vor dem Altar nehmen die vier Saxophonisten Evelyn Röser, Martin Röser, Anja Walter sowie Jens Röser, der Akkordeonspieler Mitya Dobbelaere, die Pianistin Sabrina Roschlau-Mai sowie die Sängerin Juliane Roß Aufstellung.

Bereits beim ersten Titel „Almande“ wallen die Töne der Saxophone lupenrein durch das Kirchenschiff und weben einen atmosphärischen Klangteppich.

In der „Choralkantate zum Gedenken an Jesus von Nazareth“ erklingt zum ersten Mal der saubere Sopran von Juliane Roß. Die Sängerin erinnert in den Zwischentexten zum einen an den göttlichen Friedensfürsten, zum anderen merkt sie an, dass viele Kriege im Namen der Religion stattgefunden haben und noch immer stattfinden. Das Leben des Gekreuzigten könnte doch eigentlich für alle ein Vorbild sein.

In „Berceuse“, dem Wiegenlied aus Benjamin Godards Oper „Jocelyn“ wird es fast schon mystisch. Ein einsames Saxophon, begleitet vom leisen Piano, spielt so zart, so einfühlsam, als wenn es eine Seele besitzt, gar selbst ein lebendiges Wesen ist, dessen Freundschaft man einfach suchen möchte. In „Der rote Sarafan“, einer russischen Folklore, in dem nun auch das Akkordeon in den musikalischen Reigen mit eintritt, vernimmt manch Gast mit einem Seufzer die Weite des russischen Landes.

Ja, und wenn dann in den anschließenden „Vier Tänze vom Balkan“ auch noch die Augen geschlossen werden, dann muss der Zuhörer nicht mehr in die Welt reisen, dann kommt sie ganz von selbst in seine Fantasie. Im „Scherzlied“ wird auf humoristische Weise dargelegt, dass man manchmal nicht schüchtern und umständlich nach einem Kuss fragen, sondern ihn ganz einfach der Geliebten geben sollte. In der „Rhapsody in Blue“ nehmen dieselben Instrumente den Zuhörer gefühlt mit in die Straßenschluchten einer amerikanischen Großstadt. Welch Wandern und Staunen in einer glamourösen Welt.

„Das große Tor von Kiew“

Modest Mussorgskys „Das große Tor von Kiew“ ist immer ein Höhepunkt mit viel Interpretationsspielraum. So können die Zuhörer die originale Klaviermusik nun in einer neuen Verbindung genießen: Die Größe und Erhabenheit der Saxophone wird mit dem Keyboard unterlegt. Die Prozession zieht durch das markante Tor, mit Weihrauch, Pomp und Selbstvertrauen.

Eine weitere Facette des Klangbogens der Gruppe ist das Gedicht „Zeit“ von Johannes R. Becher, in der Musik von Werner Thielemann, der dem „Consort“ als beratender Komponist nahe steht. Auf die Frage, wie viel Zeit man schon verloren hat, sollte man nicht allzu lange nachdenken sondern endlich beginnen, entschlossen zu handeln.

In „Berlin City“ werden die Zuhörer erneut in eine quirlige, atemberaubende Großstadt versetzt, die scheinbar nie zur Ruhe kommt.

Mit dem Gospel-Stück „When Israel was in Egypt’s Land“ schließt sich der gewaltige Bogen einer musikalischen Reise um die Welt. „Gershwin, Folklore, Becher, Mussorgsky und Gospel – ob diese Bandbreite gelingt?“, bringt Pfarrer Rödiger seine gedanklichen Zweifel von vor dem Konzert Künstlern und Gästen noch einmal nahe. Dann lächelt er breit und sagt: „Sie sehen mich ganz beglückt!“

Der langanhaltende Beifall des Publikums gibt ihm völlig Recht. Mit „Heaven is a wonderful place“ wird allen noch einmal nahe geführt, wie schön der Himmel sein kann, wartet doch vor den Toren Sankt Nikolais noch zusätzlich die wärmende Frühlingssonne.

Die abschließende Zugabe „Von guten Mächten“, von Dietrich Bonhoeffer, berührt die Zuhörer bis ins Innerste. Mit einer wärmenden Gänsehaut werden sie mit einer ungebrochenen Zuversicht auf das Leben in die neue Woche entlassen. (mz)