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Kita "Max und Moritz" Kita "Max und Moritz" in Köthen: Alleingang der Verwaltung verärgert Eltern und Stadträte

Von Matthias Bartl 04.04.2017, 11:30
Das Rathaus von Köthen
Das Rathaus von Köthen Heiko Rebsch

Köthen - Spätestens nach zehn Minuten konnte man Oberbürgermeister Bernd Hauschild ansehen, wie angefressen er von der Diskussion war, die sich im Sozial- und Kulturausschuss des Stadtrates entsponnen hatte. Dabei war es wohl eher nicht der Inhalt der Debatte, an der sich der OB stieß, sondern daran, dass sie quasi wie ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert wurde.

Im Rahmen der Verwaltungsinformationen nämlich, die den Ausschuss einigermaßen unerwartet auf ein Minenfeld geführt hatten, durch das er erst vor ein paar Wochen stolpern musste: die Abstimmung zwischen Verwaltung und Eltern, die ihre Sprösslinge in städtischen Kindereinrichtungen betreuen lassen.

Aufnahmestopp für die Kita „Max und Moritz“ kam für alle überraschend

War im Rahmen der Haushaltsdiskussion 2017 ein Entrüstungssturm über Verwaltung und Stadtrat ob der exorbitanten und im Vorfeld schlecht bis gar nicht kommunizierten Gebührenerhöhungen hereingebrochen, ging es diesmal um einen aus heiterem Himmel verfügten, brieflich an die Eltern gerichteten Aufnahmestopp im Kindergarten „Max und Moritz“, der sich als eine wohldurchdachte und unvermittelte Maßnahme zur langfristigen Änderung des pädagogischen Konzepts in der Einrichtung entpuppte.

Kein Stadtrat hatte davon etwas gewusst, die Eltern waren überfahren worden und hatten zwei Abgesandte in den Ausschuss geschickt, die dort sachlich, aber unüberhörbar kritisch mit der Verwaltung Schlitten fuhren.

Der OB - putzigerweise als Stellvertreterstellvertreter im Ausschuss, da sein Vize, in dessen Zuständigkeit sich die Kindereinrichtungen befinden, derzeit in Elternzeit ist - bekam mithin einiges zu hören: Erst das von Leiterin und Amtsleiterin im verbalen Pingpong vorgetragene Konzept, dann die säurehaltigen Kommentare und Nachfragen aus dem Ausschuss. Grundtenor: Habt ihr denn gar nichts gelernt? Irgendwann hatte Hauschild die Faxen dicke und setzte alles auf Anfang, ohne über Los zu gehen.

Zwei Kitas unter einem Dach sorgen für Probleme

Dabei ist die Sache an sich so uneben nicht - nur dann nicht, wenn man sie allen überstülpen möchte. Die beiden Kindereinrichtungen „Max und Moritz“ und „Pinocchio“ befinden sich in der Rüsternbreite in einem Komplex, sind aber dennoch in getrennter Leitung.

In „Max und Moritz“ werden die Kinder auf die herkömmliche Art, nämlich in Gruppen, betreut. Im „Pinocchio“ gibt es eine so genannte offene Betreuung - ohne die mehr oder minder strengen Regularien der Gruppenbetreuung, mit größtmöglichem Freiraum der Kinder für eigene Entscheidungen.

Die offene Betreuung ist entstanden aus reformpädagogischen Ansätzen und genereller Kritik an dem pädagogischen System. „Pinocchio“ ist in diesem Bereich ein Vorzeigekindergarten und fungiert als ein Kompetenzzentrum für frühkindliche Bildung in Sachsen-Anhalt, in der Erzieherinnen aus anderen Einrichtungen die „offene Gruppenarbeit“ lernen können.

Bis 2023 soll es die Kita „Max und Moritz“ nicht mehr geben

Es war nun die Idee im zuständigen Amt, die Doppel-Kita sukzessive so zu ertüchtigen, dass in ihr ein regelrechtes Familienzentrum für die Rüsternbreite entstehen würde, ein generationsübergreifender Treffpunkt.

Mit einer Vielzahl von bislang eher abseitigen Möglichkeiten und Aufgaben - die in Einklang mit der Kindergartenarbeit zu bringen den Anwesenden offenkundig sehr schwer fiel. Und umso schwerer, je länger „Pinocchio“-Chefin Silke Stimm dafür die Werbetrommel rührte.

Nachvollziehbar war allerdings, dass das Ganze nur unter den Bedingungen der offenen Gruppenarbeit funktionieren können würde. Was faktisch der Todesstoß für das „Max- und Moritz“-Konzept bedeutet. Allerdings war in diesem Punkt kein kurzer Prozess geplant, sondern ein langsames Ausbluten: Durch den Aufnahmestopp für „Max und Moritz“ wollte man sichern, dass die jetzigen Kita-Kinder noch in der althergebrachten Form betreut werden würden, alle Neuankömmlinge aber unter „Pinocchio“-Fittiche kämen, so dass in ein paar Jahren „Max und Moritz“ komplett geleert und „Pinocchio“ komplett gefüllt wäre. Zieljahr dafür: 2023.

Eltern fühlen sich bei der Entscheidung komplett übergangen

Die zwei Max-und-Moritz-Elternvertreter, die in der Ausschusssitzung Rederecht erhielten, kritisierten, dass sie bei der Entscheidungsfindung komplett übergangen worden seien und erst kurzfristig über den pädagogischen Strategiewechsel informiert wurden. Amtsleiterin Schlendorn zeigte sich überrascht von der Reaktion: Sie hatte unübersehbar bei der Vorstellung des Konzepts den Eindruck gewonnen, alles sei in Ordnung.

Ein Irrtum: Die Eltern mussten ja auch erst einmal darüber nachdenken, so einer der Vertreter. Unklar sei ihnen überdies, warum ausgerecht das Konzept der Kita übernommen werde, „die nicht so gut ausgelastet ist“. Eltern, die das Gruppenkonzept wollen, „werden nicht in eine Kita mit offener Arbeit gehen, sondern sich anderswo eine Kita suchen“.

OB Hauschild erklärte den Aufnahmestopp vorerst für nichtig

Womit freilich das Ziel der Stadt, die eigenen Einrichtungen so aufzustellen, um vielfältige Interessen abzudecken, verfehlt wäre. Wenn alle städtischen Kindergärten offene oder teiloffene Arbeit anbieten würden, so zweifelte Ausschussvorsitzende Christian Buchheim (Linke), müsste man dann nicht gerade „Max und Moritz“ in der derzeitigen konzeptionellen Form erhalten? Ansonsten könnte die Stadt den Eltern die Betreuung in geschlossenen Gruppen gar nicht mehr anbieten.

„Ich sehe hier keine Notwendigkeit, für eine absolute Entscheidung“, sagte sie. Auch Patrick Lange (SPD), Kerstin Berlin, Annette Gottschlich (beide CDU) und Steffen Reisbach (BI) zeigten fein abgestufte Skepsis.

Nach dieser unbefriedigenden Stunde konnte der OB gar nicht anders, als die Reißleine zu ziehen. „Tun sie so, als ob sie die Briefe nicht bekommen haben“, sagte er zu den beiden Vätern. Der Aufnahmestopp werde nicht aufrecht erhalten, die künftige Ausrichtung von „Pinocchio“ und „Max und Moritz“ noch einmal diskutiert. Mit gründlicher Vorbereitung. (mz)

Zwar hat die Stadt das Gebäude des ehemaligen Kindergartens „Am Stadion“ bereits Ende 2014 verkauft, aber der Käufer hat bislang mit dem Objekt noch nichts Neues angefangen. So dass die Stadt jetzt wieder Nutzer werden kann.

Ab August wird das Objekt als Ausweichstandort für die Kitas „Buratino“ und „Erlebnisbaum“ benötigt, wenn dort bauliche Investitionen durchgeführt werden. Aus diesem Grund wurde jetzt auch eine Linde vor dem Haus gefällt, die aufgrund mangelnder Standsicherheit für die dort bald spielenden Kinder zu einer Gefahr hätte werden können. (mz/mb)

Das Rathaus in Köthen
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Heiko Rebsch