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Hochschule Anhalt Hochschule Anhalt: Wie in Köthen aus Milch ein Pulver wird

Von Helmut Dawal 25.05.2016, 05:40
In Halle 63 der Hochschule Anhalt in Köthen bestücken die wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Fritsche und Reik Feistauer einen Vakuumwalzen-Trockner. In diesem Gerät kann aus Milch, Milchpulver hergestellt werden.
In Halle 63 der Hochschule Anhalt in Köthen bestücken die wissenschaftlichen Mitarbeiter Tobias Fritsche und Reik Feistauer einen Vakuumwalzen-Trockner. In diesem Gerät kann aus Milch, Milchpulver hergestellt werden. Heiko Rebsch

Köthen - „Wenn sie einen Lkw voll davon nach Frankreich schicken, ist der einen Tag lang unterwegs. Doch soll die Ware nach China gehen, wird es knifflig.“ So erklärt Prof. Thomas Kleinschmidt, Experte für Lebensmittelverfahrenstechnik und Milchtechnologie, den Hintergrund eines aktuellen Forschungsprojektes. Es geht um das bessere Fließverhalten von Milchpulvern.

Riesiger Markt in China

„Heute wird jede Menge Milchpulver nach China verkauft, dort ist ein riesiger Markt“, sagt Kleinschmidt. Doch erfolge der Transport nicht mit dem Lkw, sondern in Containern auf Schiffen, die vier Wochen unterwegs sind. „Und wenn das Schiff in Dubai mal drei Tage bei 40 Grad in der Sonne steht, dann haben wir im Container Temperaturen von 70 Grad drin.“ Das wirke sich nachteilig auf das Milchpulver aus. „Dann sind die Milchpulver manchmal wie Steine, das backt zusammen.“ Die Pulver müssten also so beschaffen sein, dass sie diesen Stress überstehen und ohne Qualitätsabstriche bis nach Südamerika oder Südostasien transportiert werden können. „Damit befassen wir uns gerade.“

Partner in der Milchindustrie

Zwölf wissenschaftliche Assistenten arbeiten unter Kleinschmidt. Hinzu kommen Studenten, die ihre Masterarbeit anfertigen und Absolventen, die auf diesem Spezialgebiet ihren Doktor machen wollen. Sie alle sitzen nicht im Elfenbeinturm, sondern arbeiten praxisorientiert. Arla, Müller, Frischli, die Milchwerke Stendal - mit diesen und anderen Unternehmen der Milchbranche gibt es seit Jahren enge Kooperationen. „Wir haben aber auch schon für kleine Käsereien gearbeitet und spezielle Filtrationsverfahren entwickelt“, berichtet Prof. Kleinschmidt. Ein großer Partner sei der Milchindustrieverband. Regionale Bindungen gibt es zu den Quellendorfer Landwirten. „Von ihnen bekommen wir die Milch, die wir für unsere Versuchsreihen benötigen.“ Milch und ihre Inhaltsstoffe haben in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. „Vor allem bei Milcheiweißen gibt es eine rasante Entwicklung“, bemerkte Kleinschmidt.

Köthen hatte Platz

Während in Köthen schon seit 1969 zur Lebensmitteltechnologie geforscht wird, ist die Milchtechnologie erst Mitte der 1990er Jahre dazu gekommen. Das hing mit dem früheren DDR-Milchforschungsinstitut Oranienburg zusammen, das geschlossen wurde. „Da stand eine komplette Arbeitsgruppe auf der Straße und suchte ein Haus, wo sie sich anschließen konnten.“ Köthen hatte Platz und holte diese Mitarbeiter nach und nach an die Hochschule.

Die Voraussetzungen für praxisorientierte Forschungen sind aus Sicht von Prof. Kleinschmidt sehr gut. Sein Technikum, die Halle 63, ist mit allem ausgestattet, was zum Forschen und Experimentieren benötigt wird.

„Es gibt kaum etwas, was wir nicht machen können“

„Wir können hier alle verfahrenstechnischen Operationen nachvollziehen. Es gibt kaum etwas, was wir nicht machen können“, sagt der 58-Jährige. Separieren, erhitzen, sedimentieren, eindampfen, trocknen - all das sei möglich. „Wir sind ein funktionierender Mini-Betrieb.“ Mit diesem Equipment könne vielleicht noch die TU München mithalten. Hinzu komme noch „die chemische und physikalische Analytik, die exzellent ist“. „Wir können also nicht nur Produkte herstellen, sondern sie auch gleich analysieren und bewerten.“

Mit weißem Kittel im Labor ist der in Großpaschleben wohnende Wissenschaftler nur noch selten anzutreffen. „Eigentlich bin ich mehr der Akquisiteur.“ Was kon- kret heißt, dass sich Kleinschmidt permanent um Projekte und Forschungsaufträge bemühen muss. Die kommen vom Bundesministerium für Wirtschaft bzw. Forschung, aber auch von der Industrie.

Prof. Dr. Thomas Kleinschmidt hat von 1978 bis 1983 an der TU Dresden Lebensmittelverfahrenstechnik studiert. Sein Vater, der Direktor eines Betriebes war, der Babynahrung herstellt, trug mit dazu bei, dass Kleinschmidt sich für diese Studienrichtung entschied. 1983 wurde Kleinschmidt wissenschaftlicher Assistent an der damaligen Ingenieurhochschule Köthen und ist seither - bis auf eine zweijährige Industrietätigkeit - ständig in Köthen tätig, hat jetzt im Fachbereich 7 (Angewandte Biowissenschaften und Prozesstechnik) eine Professur für Lebensmittelverfahrenstechnik und Milchtechnologie.

Im Jahr 2008 gründete Kleinschmidt das Mitteldeutsche Weininstitut, das er noch heute leitet. Außerdem ist Kleinschmidt Chef des Instituts für Lebensmitteltechnik, Biotechnologie und Qualitätssicherung. (hda)

Joghurt aus Ziegenmilch

Manchmal sind es auch sehr spezielle Probleme, die an die Wissenschaftler herangetragen werden. Der Joghurt aus Ziegenmilch beispielsweise. Die Betreiber eines Hofes, die Thüringer Waldziegen halten, möchten die Produktpalette von Ziegenmilch noch um Joghurt erweitern. „Im Sommer haben die Ziegen kaum Eiweiß in der Milch, wenn sie lammen, ist aber noch viel da. Das macht eine kontinuierliche Joghurtherstellung schwierig“, erklärt der Professor. Deshalb werde versucht, über eine spezielle Wärmebehandlung „die Eiweiße etwas zu verbiegen“. (mz)