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Heimatliches Geläut klingt nun wieder vom Kirchturm

Von CLAUS BLUMSTENGEL 08.10.2009, 17:14

REPPICHAU/MZ. - Der Unterschied: Nicht mehr Gemeindemitglied Sigurd Hartmann versetzt die Klöppel mittels zweier Seile im Turm in Schwingungen, wie er das seit vielen Jahren zuverlässig tat, von nun an werden die Glocken mittels eines elektronisch gesteuerten Läutwerks zum Klingen gebracht. In den vergangenen Tagen haben Mitarbeiter der Berliner Firma Schmidt Glockentechnik und Turmuhren den Glockenstuhl erneuert und ein elektrisches Läutwerk mit einem wartungsarmen Linearmotor eingebaut. Zum Schluss haben Hartmut Pillasch und Enrico Meyer am Donnerstag die beiden Glocken mit Hilfe eines Flaschenzuges wieder eingehängt.

Als Pillasch die Reppichauer Glocken zum ersten Mal erblickte, staunte er: "Ich habe bisher schon an 800 Glockenstühlen gearbeitet, das hier sind aber die ältesten Glocken, mit denen ich bisher zu tun hatte", berichtete er und bescheinigte den beiden "einen wunderbaren Klang". Schon der aus dem Ort stammende Verfasser des Sachsenspiegels, Eike von Repgow, habe diesen Klang gehört, betont die stellvertretende Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Heidemarie Brelle.

Denkmalschutz und Glocken-Experten hatten seit langem gewarnt, die um 1230 gegossenen Reppichauer Glocken könnten Schaden nehmen, wenn an ihrer Aufhängung nichts verändert würde. Der Gemeindekirchenrat nahm diese Warnungen ernst, war doch eine dritte Glocke der Kirche mit gleicher Aufhängung 1871 beim Trauerläuten für Herzog Leopold Friedrich zersprungen.

Mitte des 19. Jahrhunderts seien aus Unwissenheit die Holzjoche, an denen die Glocken hängen, durch gekröpfte Stahljoche ersetzt worden, nennt Glockentechnik-Experte Pillasch die Ursache. Dadurch habe sich der Schwerpunkt beim Schwingen in den oberen Bereich der Glocken verschoben, was zu Spannungen führt und Risse in der Bronze hervorrufen könne. Damit die große Glocke mit ihren 102 Zentimetern Durchmesser und die kleinere mit 80 Zentimetern Durchmesser nicht das gleiche Schicksal wie ihre kleinere Schwester trifft, wurden sie nun wieder in Joche aus Eichenholz gehängt und im Glockenstuhl gedreht, damit die - ebenfalls erneuerten - Klöppel und Hämmer künftig andere Stellen anschlagen.

Die beiden Glocken haben in den vergangenen Jahrhunderten ohnehin einiges aushalten müssen. Außer dem üblichen Läuten mittels Seilen und Klöppeln zu den Gottesdiensten, die jetzt nur noch etwa alle drei bis vier Wochen in der Reppichauer Kirche abgehalten werden, schlägt ein Hammer der Turmuhr alle 15 Minuten die kleine und zur vollen Stunde die große Glocke an. Zuletzt wurden aus Sicherheitsgründen jedoch nur noch die vollen Stunden geschlagen.

Die notwendige Reparatur hatte dem Gemeindekirchenrat unter der Leitung von Christel Praast arges Kopfzerbrechen bereitet. 10 000 Euro mussten dafür aufgebracht werden. Die Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt stellte 3 000 Euro zur Verfügung. 2 400 Euro kommen vom Landkreis. Da das nicht reichte, gingen die Mitglieder des Gemeindekirchenrates von Haus zu Haus und baten in Briefen um Spenden. "Das hätten wir nie gedacht, dass so viele Reppichauer für die Glocken spenden würden, auch Einwohner, die mit Kirche sonst nichts am Hut haben", staunt Heidemarie Brelle über die 2 200 Euro, die so zusammenkamen. Auch die in Baasdorf ansässige Agrarfirma Wimex steuerte 500 Euro bei. "Das Glockengeläut ist für uns ein Stück Heimat", erklärt Gemeindekirchenrats-Mitglied Brelle die große Spendenbereitschaft. Schon ihre Eltern hätten hier Kirchendienst gehabt, und auch sie selbst habe als Kind die Glocken geläutet.

Für Glockentechniker Pillasch, der sich vor Beginn der Arbeiten über die Geschichte der Kirche und des Ortes eingehend informiert hatte, brachte der Einsatz in Reppichau noch einen Nebeneffekt: "Ich fand das, was ich hier über Eike von Repgow und den Sachsenspiegel erfahren habe, sehr interessant", äußerte er.