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Gröbzig Gröbzig: Windpark-Projekt im Gegenwind

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 11.12.2009, 18:39

GRÖBZIG/MZ. - Honsa konnte gerade noch seinen Satz beenden, als er von Vertretern der Initiative gegen den Windpark Listen mit weiteren 70 Unterschriften erhielt.

Damit bekunden nun insgesamt rund 700 Gröbziger ihre Ablehnung gegen die Pläne, knapp einen Kilometer von dem ersten Gröbziger Wohnhaus auf einem rund 100 Hektar großen Areal acht 180 Meter hohe Windräder aufzustellen (die MZ berichtete). Hinter dem Vorhaben steht die Firma Enercon, die Produktionsstätten in Aurich, Emden und Magdeburg sowie in Schweden, Brasilien, Indien, Türkei und Portugal hat. Seit den 80er Jahren spezialisiert sich Enercon auf die Entwicklung, den Bau und den Betrieb von Windenergieanlagen. In Gröbzig kooperiert Enercon mit dem ortsansässigen Unternehmens Familiengesellschaft Schuppe GbR. Die Gesamtinvestition beträgt 28,8 Millionen Euro.

"Der Widerstand ist spontan entstanden", berichtet Roswitha Scharfen, Stadträtin in Gröbzig und selbst eine Gegnerin des Projektes. Zu den Gründern der Initiative gehört Siegfried Weise aus der Löwenthalstraße am Nordrand der Stadt. Sein Haus ist eines von denen, die am nächsten zu den Windrädern liegen würden. Aber auch die Namen etlicher Einwohner in der etwas weiter gelegenen Straße des Aufbaus stehen auf den Listen.

Die besorgten Gröbziger befürchten, dass ihre Lebensqualität durch die Windräder beeinträchtigt wird. Sie sprechen von Lärmbelästigung, dem Schattenwurf und einem Gefühl von Unruhe, das durch die sich drehenden Rotoren erzeugt würde. Der Park werde das Landschaftsbild verschandeln. Auch der Wert der Immobilien würde erfahrungsgemäß beträchtlich sinken.

Der Enercon-Projektentwickler Jürgen Helms kann die Vorbehalte gegen das Vorhaben nicht verstehen. Die Anlagen sind weit genug von der Stadt entfernt, so dass man kaum von Belästigung sprechen könne, meinte er in einem Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung. Die getriebelosen Windräder, die bei Gröbzig gebaut werden sollen, verursachen ohnehin weniger Geräusche, als solche mit Getriebe. Die Räder würden auch nicht zwischen der Stadt und der Sonne stehen, es gebe also auch keinen Schattenwurf.

"Windparks bringen anliegenden Gemeinden wesentliche finanzielle Vorteile", so Helms. Das würde auch in Gröbzig so sein. Schätzungsweise würden innerhalb der 20 Betriebsjahre allein an Gewerbesteuern rund 1,8 Millionen Euro in die städtische Kasse fließen. Darüber hinaus sichere das Unternehmen eine finanzielle Unterstützung für die städtischen Vereine zu. Im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen könnte unter anderem manche ehemalige Müllkippe bepflanzt werden.

"Andere Gemeinden kommen ganz gut mit solchen Windparks zurecht", so Helms. Zum Beispiel Trebbichau / Fuhne. Dort habe sich sogar der ehemalige Bürgermeister für den Bau von Windanlagen eingesetzt. So sollen bei Trebbichau und Wieskau noch weitere neun Anlagen errichtet werden.

Thorsten Breitschuh wirft der Initiative gegen den Windpark eine unsachliche Diskussionsführung vor. Der Bürgermeister von Werdershausen und gleichzeitig Stadtrat in Gröbzig unterstützt die Enercon-Pläne. "Die Stadt Gröbzig bekommt pro Jahr rund 300 000 Euro an Gewerbesteuern", rechnet er vor. "Die Betreiber des Windparkes werden jährlich über 90 000 Euro entrichten. Die Steuereinnahmen der Stadt würden also um rund ein Drittel steigen."

Breitschuh kann die Windpark-Gegner nicht verstehen. "Wir wollen Arbeit, wir wollen etwas verdienen", kritisiert er. "Wir wollen aber keine Industrie, keine Windparks in der Nähe." Der Werdershausener sagt, er habe sich eingehend auch mit dem Thema "Lärmbelästigung" befasst: "Da würde nur ein leises Säuseln zu hören sein." Da mache das Betonwerk mehr Lärm.

Die Investoren betonen, sie wollen keine Konfrontation. "Wir wollen das Projekt mit der Gemeinde und mit der Bevölkerung durchziehen", sagt Helms. Deshalb machen sie den Gröbzigern ein Angebot. "Eines der Windräder können wir zu einem Bürger-Rad machen", so Helms. "Dafür müsste eine Betreibergesellschaft gegründet werden. Jeder könnte sich an der Finanzierung eines Rades - das sind insgesamt 3,6 Millionen Euro - beteiligen und vom Gewinn profitieren."

Doch die Gegner des Projektes zeigen sich unversöhnlich. Die gesammelten Unterschriften wurden dem Bürgermeister exakt eine Woche vor einer außerordentlichen Stadtratsitzung am 17. Dezember übergeben. An diesem Tag soll entschieden werden, ob die Stadt das Projekt befürwortet oder nicht. Eine entsprechende Stellungnahme wird vom Landesverwaltungsamt als Genehmigungsbehörde verlangt.

Sollte die Entscheidung zugunsten des Projektes ausfallen, will die Initiative einen Bürgerentscheid durchsetzen. Laut Gemeindeordnung kann ein solcher beantragt werden, wenn mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten dies befürworten. Aufgrund eines Formfehlers gelten die gesammelten 700 Unterschriften dafür aber nicht. Also müssten im Fall der Fälle Unterschriften neu gesammelt werden. Roswitha Scharfen sieht darin keine Hürde. "Allein wenn ich mir Zeit nehme und mich in die Straße des Aufbaus stelle, habe ich 280 Namen", sagt sie. In der Straße des Aufbaus stehen die Plattenbauhäuser der Stadt.