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Goldene Hände Goldene Hände: Mann aus Piethen baut Mini-Motoren aus dem, was andere entsorgen

Von Matthias Bartl 20.12.2018, 14:11
Erich Beyer an einem seiner Arbeitsplätze, wo er aus alten Konservendosen und Metallabfällen Motoren und Maschinen baut.
Erich Beyer an einem seiner Arbeitsplätze, wo er aus alten Konservendosen und Metallabfällen Motoren und Maschinen baut. Ute Nicklisch

Piethen - Wenn Erich Beyer die Schränke öffnet und die darin verborgenen Schätze zum Vorschein bringt, dann ist das für einen technisch interessierten Besucher wie ein vorgezogenes Weihnachtsfest.

Zwar kann man keine der vielen kleinen Motoren und Maschinen mit nach Hause nehmen - was man am liebsten täte! - aber auf alle Fälle nimmt man aus Piethen eine spezielle Erinnerung mit an ein besonderes Erlebnis - eben wie zu Weihnachten.

Dabei riecht es im Dachgeschoss des Hauses in der Dorfstraße nicht nach Stollen oder Bratapfel, sondern eher nach Benzin und Diesel. Aber letzteres auch nur in minimalen Spuren, denn genau des Geruchs wegen hat Erich Beyer die Wunderwerke der Technik „trockengelegt“. Was der Präsentation nicht im Wege steht, denn in dem Fall, sind Beyers Motoren schnell einsatzbereit, ganz gleich, ob sie mit Kraftstoff laufen oder mit Dampf oder mit Luft.

Erich Beyer hat schon mit 14 Jahren seinen ersten Dieselmotor gebaut

Sein Faible für technische Problemlösungen hat der 67-Jährige von Jugend an ausgeprägt. Mit 14 Jahren wollte er für eine Jahresarbeit im UTP-Unterricht einen kleinen Dieselmotor bauen, von gerade mal sechseinhalb Kubikzentimetern Hubraum. „Alle haben gesagt, lass das, das kann man nur groß bauen“, erinnert sich Erich Beyer.

Und tatsächlich: Beyer konstruierte und baute zwar einen Motor, und bekam dafür auch viel Anerkennung - aber ins Laufen kam der Minim-Motor nie. Dennoch hat er heute seinen Ehrenplatz im Motorenschrank - immerhin ist die Maschine „Stammvater“ all der noch folgenden Beyer-Motoren.

Und zwei Regalbretter darüber steht dann auch ein besonderes Vorzeigestück. Eines, mit dem Erich Beyer den Bogen in die UTP-Zeit geschlossen hat. „Das ist der wahrscheinlich kleinste Dieselmotor der Welt“, sagt der Piethener Bastler und nimmt das Gerät aus dem Schrank. „Sieben Kubikzentimeter Hubraum, 20 Millimeter Bohrung, 22 Millimeter Hub“, listet der versierte Bastler die technischen Daten auf. Ein Millimeter Kraftstoffhöhe, 100 Bar Druck bei Volllast - das stelle höchste Ansprüche an Einspritzdüse und Pumpe. Und der Motor läuft und läuft...

Aus dem, was andere entsorgt haben, schaffen seine goldenen Hände neue Werte

Die beschriebene Herausforderung erhöht sich noch durch die Materialwahl. Denn Erich Beyer, gelernter Landmaschinenschlosser, der später bis zur Rente in der Gröbziger Schmuckwarenfabrik als Werkzeug- und Ratiomittelbauer arbeitete, ist weit davon entfernt, sich für seine Arbeiten in den gut gefüllten Regalen der Baumärkte zu bedienen. Beyer lebt vom Schrott.

Aus dem, was andere entsorgt haben, schaffen seine goldenen Hände neue Werte. „Einmal im Monat gibt es in Piethen den Dampfstammtisch“, sagt Beyer,. „Da treffen sich lauter so Verrückte wie ich und die wird auch gefundenes Material getauscht.“

Oder Dinge, die als Material verwendet werden können - also fast alles. Buchstäblich jeder Motor bei Erich Beyer besteht aus Konservendosenblech. Mit Schülern der Grundschule Edderitz hat er, als seine Frau dort noch Leiterin war, ein Projekt entwickelt, in dem ein Stirlingmotor gebaut wurde - aber nur aus Dingen, die im Haushalt zu finden waren: aus einer Erdnussbüchse, einer Bierbüchse, Schraubglasdeckel, Stielen von Stangeneis.

Nicht alles was Erich Beyer baut, funktioniert auch auf Anhieb

Ein Spiritusbrenner erwärmt die Luft, die letztlich die Kolben treibt - im Mittelalter hätte man diese Choreographie physikalischer Kräfte als Teufelswerk bezeichnet. Ergänzend ist zu erwähnen, dass auch die Maschinen, mit denen Beyer Teile für seine neue Maschinen herstellt, Eigenbau sind.

Allerdings sei es nicht so, sagt Erich Beyer, das alles, was er zusammenbaue, auf Anhieb funktioniert. Zusammen mit seinem Sohn, einem Diplomingenieur, hat er einmal an einem Navigationswagen gearbeitet - einem aus China stammende Vorläufer des Kreiselkompaß. „Ich hatte das im Fernsehen gesehen: Ein Wagen, auf dem die Figur eines Mannes mit ausgestreckten Arm steht, drehbar gelagert, der immer in die Richtung zeigt, in die man fahren muss. Der sich faktisch gemerkt hat, woher man gekommen ist - das war für die Händler wichtig, die wieder in ihren Heimatort zurückkommen wollten.“

So etwas wollte der Piethener nachbauen - perfekt, versteht sich. Am Ende knobelten die beiden Beyers nahezu drei Monate lang, bis sie das Problem gelöst hatten, das im richtigen Verhältnis der Radgröße zum Abstand von der Welle lag. „Das war eine Herausforderung, Das regte den Geist an. Das machte Spaß.“ (mz)

Im Fenster: die Weihnachtsmann-Werkstatt
Im Fenster: die Weihnachtsmann-Werkstatt
Ute Nicklisch
Ein Navigationswagen, der sich den Rückweg merkt und stets die Richtung zeigt, in die gefahren werden muss.
Ein Navigationswagen, der sich den Rückweg merkt und stets die Richtung zeigt, in die gefahren werden muss.
Ute Nicklisch