Botanik „Gefährdete Lebensräume“: Forscherin aus Köthen will helfen Vielfalt von Grünflächen zu bewahren
Wie lässt sich der Erfolg von Renaturierungsprojekten am besten bewerten? Karina Engst hat es untersucht – und dafür einen Preis der Hochschule Anhalt erhalten.

Köthen/MZ - Grünland: Das ist nicht einfach Wiese. Jedes Stück für sich ist ein Mikrokosmos aus den Sträuchern, Gräsern und Kräutern, die darauf wachsen. Dann einer Schicht aus den organischen Überresten verendeter Pflanzen und Tiere; und schließlich dem Boden, den stellenweise Moose und Flechten bedecken.
Doch nicht alle Arten von Grünland sind ähnlich reich an Pflanzen und Tieren. „Artenreiche Grünlandbestände sind in Europa stark gefährdete Lebensräume“, sagt Karina Engst. „Es wurde ein stetiger Verlust an Fläche, Lebensraumqualität und Artenvielfalt festgestellt.“
Ziel der Maßnahmen ist es, Arten zu bewahren
Vielerorts werden heute Versuche unternommen, diese Vielfalt wiederherzustellen. Doch wie lässt sich der Erfolg solcher Maßnahmen bewerten? Mit dieser Frage hat sich Engst in ihrer Dissertation beschäftigt und dafür den Promotionspreis der Hochschule Anhalt erhalten, der vor kurzem in Köthen verliehen wurde.
„Es ist eine wesentliche Aufgabe des Menschen im 21. Jahrhundert, die Vielfalt an Arten und Funktionen zu bewahren“, sagt die Botanikerin. Werde nun der Erfolg einer Renaturierung bewertet, würden in der Regel die verschiedenen Arten, deren Anzahlen und Deckungsanteile auf einem Stück Grünland bestimmt.
Funktioneller Ansatz zur Bewertung von Grünland
Karina Engst testete einen anderen Ansatz. Anstatt nur Arten zu zählen und deren Anteile auszumessen, untersuchte sie die funktionelle Zusammensetzung der Pflanzen auf einer Wiese. Die Wissenschaftlerin bezog bei ihrer Bewertung also auch die Eigenschaften und Merkmale der verschiedenen Pflanzenarten mit ein und – wie gut sich diese auf einer Fläche ergänzen.
Um das Zählen kam allerdings auch sie nicht herum. Damit sie ihren Ansatz am Beispiel zweier Lebensraumtypen ausprobieren konnte, besuchte sie sogenannte Brenndolden-Auenwiesen und Magere Flachland-Mähwiesen im Elbtal nahe Dessau und Wittenberg. Sie vermerkte die dortigen Pflanzenarten und schätzte deren Anteile an der Fläche. Ob die Sonne schien oder es regnete: Engst kartierte Pflanzen.
Merkmale der Pflanzen spielen eine Schlüsselrolle
„Wind und Wetter schrecken uns Botaniker nicht ab“, sagt sie heute. „Ich habe das tatsächlich bei jedem Wetter gemacht.“ Der beste Zeitpunkt, Grünland zu kartieren, sei Ende Mai, berichtet Engst: „Zu dieser Zeit sind die meisten vorkommenden Arten gut ausgebildet und man kann den Bestand gut erfassen.“
Nach der Feldphase ging es für die Forscherin ins Büro, um die gewonnenen Daten statistisch auszuwerten. Und sie gelangte dabei schließlich zu der Überzeugung: Der neue Ansatz war ein Erfolg. „Ich konnte unter anderem zeigen, dass die funktionellen Merkmale der Pflanzen eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung von Grünlandbeständen spielen“, berichtet Karina Engst. Kombinationen bestimmter Pflanzeneigenschaften, so das Ergebnis ihrer Arbeit, könnten Erfolge bei Renaturierungsmaßnahmen am besten erklären.
Wichtig bei Hitze: Wasser, Sonnencreme und Sonnenhut
Gleichwohl möchte sie ihren Ansatz nicht in Opposition zu den herkömmlichen Bewertungskriterien sehen. Diese seien gleichermaßen bedeutend: „Die Beurteilung des Erfolgs der Grünlandrenaturierung sollte sich auf so viele Informationen wie möglich stützen“, betont die Botanikerin.
Besonders schätzt sie an ihrem Fachgebiet, „dass wir viel draußen sein und Natur und Landschaft erleben können. Wem macht das keinen Spaß“, sagt Engst. Dass es auch mal regnet oder die Sonne im Sommer vom Himmel brennt, stört sie kaum: „Da braucht man dann viel Wasser, Sonnencreme und einen Sonnenhut.“