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Erst Bahn weg, dann Haus weg, jetzt ohne Domizil

Von SYLVIA CZAJKA 13.10.2008, 16:38

AKEN/MZ. - Doch für Fuchs blieb das Gebäude sein Lieblingsort. Seit elf Jahren werkelt und wacht der Verein der Eisenbahnfreunde, dessen Vorsitzender er ist, im Haus an den Gleisen. Aber nicht mehr lange. Von der DB Station & Service AG erhielten nicht nur die Eisenbahnfreunde, sondern auch zwei Bewohner sowie eine ortsansässige Firma, die den Güterschuppen als Lagerhalle nutzt, die Kündigung per 31. Dezember (die MZ berichtete).

Verhandeln mit Interessenten

Die Bahn stellte auf Anfrage der MZ in Aussicht: "Derzeit verhandeln wir mit einem Interessenten, der das Gebäude kaufen möchte. Der Verkauf soll bis Ende dieses Jahres abgewickelt werden. Sollte der Verkauf nicht zustande kommen, greift die fristgerechte Kündigung". Betriebswirtschaftliche Gründe, speziell eine Instandsetzung des Gebäudes mit einem Gesamtvolumen von rund 100 000 Euro, gab die Bahn als Grund für die Kündigung an sowie die Pflicht, umfangreiche brandschutztechnische Erfordernisse zu erfüllen.

MZ-Recherchen ergaben, dass es keine Brandschutzauflagen von Seiten des Eisenbahnbundesamtes gibt. Der jüngste Brandschutzleitfaden wurde im Jahr 2001 erstellt, erläutert Bettina Bader, Pressesprecherin des Eisenbahnbundesamtes mit Sitz in Bonn. Im Jahr 2005 habe es letztmalig eine Brandschutzbegehung des Akener Empfangsgebäudes mit Beteiligung des Eisenbahnbundesamtes gegeben. Dabei habe die Bahn selbst Mängel festgestellt und diese behoben. "Anweisungen von unserer Seite aus waren nicht erforderlich", so Frau Bader.

Viele Stunden investiert

Holger Fuchs kann die Entscheidung der Bahn nicht verstehen. Zumal die Vereinsmitglieder auch in Kooperation mit der Bahn in den vergangenen elf Jahren das Gebäude wieder auf Vordermann gebracht haben. Wie viele Arbeitsstunden geleistet wurden, Holger Fuchs hat sie nie gezählt. Jetzt heißt es für ihn und die Eisenbahnfreunde: packen. Die Erinnerungen aus etwa 60 Jahren Eisenbahn werden in Umzugskisten verschwinden. "Wir können doch nicht bis zum letzten Tag warten", meint Fuchs. Wo sie wieder ausgepackt werden, der Eisenbahnfreund weiß es noch nicht. "Es ist nicht leicht, einen geeigneten Ort zu finden, schließlich muss ein ganzes Museum ausziehen", sagt er.

Hilfe bei der Suche nach Räumlichkeiten hat bereits Akens Bürgermeister Hansjochen Müller zugesagt. Die Entscheidung der Bahn kann das Stadtoberhaupt nicht nachvollziehen. "Eigentum verpflichtet. Was passiert aber, wenn der Verein dort raus ist, dann wird das Gebäude dem Vandalismus preisgegeben", vermutet Müller. Auch Ronald Doege versteht die Ziele der Bahn nicht. "Jetzt hat der Eisenbahnverein auch noch seine Heimat verloren", äußert sich der SPD-Landtagsabgeordnete gegenüber der MZ. Man hätte zum Beispiel die Kündigung verlängern können, bis man mit dem neuen Eigentümer die Verhandlungen abgeschlossen hat. Doege selbst habe sich bereits mit Jobst Paul, dem Konzernbevollmächtigten für das Land Sachsen-Anhalt der Deutschen Bahn, in Verbindung gesetzt. Er hoffe nun, dass er detailliertere Auskünfte über die notwendigen Instandsetzungsarbeiten des Gebäudes erfahre.

Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Erich Reichert hat sich der Sorge der Eisenbahnfreunde angenommen. Er habe die Problematik bereits im Ministerium angesprochen, informiert er. "Ich weiß nicht, warum die Bahn mit aller Gewalt die Leute dort raushaben will", meint Reichert. "Jeder soll doch froh sein, dass sich Leute ehrenamtlich engagieren und sich um das Haus kümmern. Über solch eine Entscheidung kann ich nur den Kopf schütteln", so der Reppichauer.

Wie es für Holger Fuchs und seine Eisenbahnfreunde weiter gehen wird: "Ich weiß es nicht." Aufgeben, komme für ihn nicht in Frage. Am Rosenmontag wird wieder ein Personenzug von Aken nach Köthen fahren, da ist er sich ganz sicher.