Erhöhung der Kita- und Hort-Beiträge Erhöhung der Kita- und Hort-Beiträge in Köthen: Zwei Familien - dieselben Sorgen

Köthen - Sie musste ihren Job aus gesundheitlichen Gründen aufgeben - und kann sich vielleicht keinen neuen leisten.
Wie sollen wir das bezahlen? Das fragt sich die junge Mutter, seitdem kursiert, dass die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung in Köthen deutlich erhöht werden könnten. Ihre berufliche Zukunft steht auf dem Spiel. „Wenn die Erhöhung kommt, kann ich mir die Ausbildung nicht leisten.“ Der Name der jungen Frau soll an dieser Stelle keine Rolle spielen.
Mit Freund und zwei Kindern im Eigenheim
Die 24-Jährige lebt in einer festen Partnerschaft. Sie wohnt mit ihrem Freund und ihren zwei Kindern in einem Haus auf dem Land. Im Sommer wollte sie eine Ausbildung beginnen. Ihre zweite. Sie ist gelernte Sozialassistentin, arbeitete als Betreuerin.
Vor einigen Monaten musste sie ihren Job aufgeben. Die Gesundheit machte nicht mehr mit. Inzwischen könnte die junge Mutter wieder arbeiten gehen. In ihren alten Beruf zurückkehren? Das kommt nicht in Frage. Sie will beruflich noch mal neu anfangen. Als Ergotherapeutin.
Über 300 Euro Mehrkosten im Monat durch Ge´bührenerhöhung
Dafür müsste sie eine Ausbildung machen. Was bedeuten würde: Ihre Kinder müssten wieder länger betreut werden. Ein Kind geht in die Krippe, eins in den Kindergarten. Beide werden derzeit jeweils 35 Stunden pro Woche in der Einrichtung betreut. Die Familie bezahlt dafür 216 Euro im Monat. Hinzu kommen 50 Euro fürs Mittagessen und 5 Euro für die Vesper. Pro Kind. Insgesamt macht das 326 Euro. Werden die Gebühren erhöht, kämen auf die Familie zusätzliche Kosten von insgesamt rund 300 Euro zu. Unbezahlbar.
Zugegeben, ihr Partner verdiene gut, sagt die junge Frau. Sie wolle aber auch Geld verdienen. Und müsse es auch. Sie müssten schließlich ein Haus abbezahlen. Warum habt ihr euch das überhaupt gekauft? Diese Frage muss sich die junge Frau immer mal wieder gefallen lassen. Immerhin sei das Haus eine große finanzielle Belastung. Was oft vergessen wird: Die Familie hat sich dafür entschieden, als sie noch einen Job hatte und von einer Erhöhung der Elternbeiträge keine Rede war.
Letzte Lösung: Zurück in den Beruf, der die junge Frau krank gemacht hat
In ihrer Wohnung konnte die Familie nicht bleiben. An den Wänden war Schimmel. Eine neue, eine bezahlbare Wohnung zu finden - für zwei Erwachsene und zwei Kinder in Köthen gar nicht so leicht. Das Paar entschied sich, ein Haus auf dem Land zu kaufen. Was bedeutet: Sie brauchen zwei Autos. Ihr Partner pendelt jeden Tag 120 Kilometer zur Arbeit. Und auch sie braucht ein Auto, um jeden Tag nach Köthen zu kommen. Der Bus fährt nur zweimal am Tag. Zu Zeiten, die weder zu den Kita-Zeiten ihrer Kinder passen würden noch zu ihren Arbeitszeiten.
Würden die Gebühren erhöht werden, müsste sie in ihren alten Beruf zurückkehren. Um Geld zu verdienen, das nötig ist, damit die Kinder betreut werden können. Eine Betreuung, die nötig ist, damit die Mutter arbeiten kann.
Ein Paradoxon. „Genau deshalb gehe ich nicht arbeiten.“ Solche Aussagen muss sich die junge Frau von anderen Müttern häufiger anhören. Die 24-Jährige aber will arbeiten gehen. Wenn es nicht anders geht, dann eben in ihrem alten Beruf. Einem Beruf, der sie krank gemacht hat. Und vermutlich wieder krank machen wird. Ein Teufelskreis.
Warum hast du überhaupt so zeitig Kinder bekommen? Auch diese Frage musste sich die junge Mutter schon gefallen lassen.
Familie 2 müsste doppelt so viel wie vorher zahlen
Sie wollten ein sorgenfreies Leben in ihrer Heimat - und fragen sich jetzt, ob sie das noch bezahlen können.
Bezahlen, merkt die Mutter an, könnten sie und ihr Mann die Betreuung ihrer Kinder auch weiterhin. Sie akzeptiert dennoch nicht, was die Verwaltung plant. Sie und ihr Mann hätten schließlich nicht jahrelang studiert, jahrelang gearbeitet und sich ganz bewusst erst spät für Kinder entschieden, um sich jetzt Gedanken darüber machen zu müssen, ob das Geld reicht.
Ob sie ihre Kinder auch später noch unterstützen könnten. Ob sie Geld fürs Alter zurücklegen können. „Ich bin nicht unerschöpflich belastbar“, sagt die Mutter. Auch ihr Name soll an dieser Stelle nicht genannt werden.
Mit Mann und drei Kindern in einer Mietwohnung
Die 38-Jährige ist verheiratet. Sie lebt in einer Mietwohnung in Köthen - mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Eins besucht die Krippe, eins den Kindergarten, eins die Grundschule und den Hort.
Die beiden kleinen Kinder gehen jeweils 25 Stunden pro Woche in die Einrichtung. Die Stunden kann die Mutter flexibel verteilen. Was wichtig ist. Sie fährt nämlich drei Tage die Woche zur Arbeit, arbeitet einen Tag zu Hause und hat einen Tag frei.
Ihre Kinder muss die Mutter demnach nicht jeden Tag betreuen lassen. Wie lange ihre Kinder in der Einrichtung sind, kann sie nach Bedarf festlegen. Eine Regelung, die nicht in allen Einrichtungen möglich ist. In ihrer aber schon.
Mehr als doppelt so viele Betreuungsstunden wie vorher notwenig
Mit der neuen Gebührenregelung würde das nicht mehr gehen. Da müsste die Mutter für jeden Tag bezahlen. Also auch für die Tage, an denen ihre Kinder die Einrichtung gar nicht besuchen. Sie müsste wegen ihrer Arbeitszeiten für die Betreuung die höchstmögliche Stundenzahl wählen. 50 Stunden also. Und damit doppelt so viele wie vorher.
Im Moment bezahlt die Familie insgesamt 176 Euro im Monat für die Betreuung ihrer beiden kleinen Kinder - für das Krippenkind und das Kindergartenkind also. Für das Hortkind sind es 63 Euro im Monat. Nach der Erhöhung wären es 329,60 Euro für die beiden Jüngsten und 111 Euro für das Hortkind.
Von diesem Geld haben die Kinder aber noch nichts gegessen. Im Moment kommen noch mal 55 Euro pro Krippen- und Kindergartenkind hinzu. Für das Hortkind sind es 75 Euro. Und dann wäre da auch noch die geplante Küchenpauschale. 28 Euro pro Monat und Kind.
In anderen Städten ist die Kinderbetreuung deutlich günstiger als in Köthen
Eines ärgert die Mutter an den Plänen der Stadt ganz besonders: Dass unter den verdienenden Eltern - unter denen also, die die Erhöhung aus eigener Tasche zahlen, für die also nicht der Staat aufkommt - viele Pendler sind, sei ihrer Meinung nach überhaupt nicht berücksichtigt worden.
Auch sie und ihr Mann arbeiten außerhalb, fahren jeden Tag zur Arbeit. Und zwar in Städte, in denen die Betreuung ihrer Kinder günstiger wäre als in Köthen. Finanziell gesehen wäre es also besser, aus Köthen wegzuziehen.
Das will die Familie aber nicht. Sie will in Köthen bleiben. In der Stadt, in die sie mit der Geburt des ersten Kindes zurückgekommen ist. Einfach, um näher bei den Großeltern zu sein. Eine Entscheidung, die das Ehepaar nicht bereut.
Eine Entscheidung aber, die immer mehr kostet. „Es ist ein Luxus, in dieser Stadt zu wohnen“, macht die 38-Jährige deutlich. „Wir können uns diesen Luxus nicht mehr lange leisten.“ Sie ist enttäuscht. Von der Stadt. Von deren Oberbürgermeister. (mz)