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Eine grüne Oase in der Rüsternbreite

Von STEFANIE GREINER 06.10.2010, 17:17

KÖTHEN/MZ. - Seine grüne Oase im Herzen der Rüsternbreite möchte Walter Wagner nicht missen. In der Kleingartensparte "Am Stadion" hat er sich ein Paradies geschaffen. Jeden Tag aufs Neue genießt der Köthener die hiesige Idylle. "Der Garten ist für mich ein Lebenselixier", macht Walter Wagner deutlich.

An die Zeit vor der Wende kann sich der Vorsitzende des Kleingartenvereins noch gut erinnern. Damals musste man bis zu 14 Jahre auf eine Parzelle warten. "Zu DDR-Zeiten hatte ein Garten sehr viel Wert", erklärt Walter Wagner. Sowohl materiell als auch ideell. Die Familie konnte mit frischem Obst und Gemüse versorgt werden. Überschüssige Produkte wurden verkauft. "So haben sich Gärtner ein paar Pfennige dazu verdient", erzählt der Köthener.

Nach der Wende sind viele ihr Obst und Gemüse nicht mehr los geworden. Die Bedeutung der Kleingärten hat sich gewandelt. Was heute zählt, ist der Erholungsfaktor. Gegen dieses Phänomen hat Walter Wagner nichts einzuwenden. Ein anderer Trend macht dem Vereinsvorsitzenden allerdings große Sorgen. "Es ist schade, dass viele Gärten frei sind", bedauert er. Am Stadion wurden allein in diesem Jahr elf Parzellen gekündigt - neun davon aus Altersgründen.

Im Unterschied zu anderen Köthener Sparten finden sich für die meisten Grundstücke in der Rüsternbreite schnell neue Pächter. Walter Wagner vermutet, dass dies vor allem der zentralen Lage zu verdanken ist. In anderen Kleingartensparten sieht es deutlich schlechter aus. Am Stadion ist derzeit nur ein Garten frei. Es handelt sich um ein 350 Quadratmeter großes Gelände mit einem Holzschuppen. Gemessen an ihrem Erholungswert, sind die grünen Oasen äußerst erschwinglich. Die Pacht beläuft sich auf 45 Euro pro Jahr. Hinzu kommt die gleiche Summe als Mitgliedsbeitrag für den Kleingartenverein. Sieben Euro fallen für die Straßenreinigung an. Die Grundstücke verfügen über Wasser- und Stromanschlüsse.

Pro Parzelle müssen die Mitglieder jährlich acht Arbeitsstunden leisten, die der Gemeinschaft zugute kommen. Dazu gehört das Schneiden der Hecke und die Pflege der Wege.

Wenn es um ihre Gärten geht, müssen Pächter allerdings einige Regelungen beachten. Laut Bundeskleingartengesetz darf ein Drittel des Grundstückes für den Anbau von Obst und Gemüse genutzt werden. Ein Drittel ist für Blumen, Rabatten und Stauden vorgesehen. Für die Freizeitgestaltung, zu der unter anderem die Gartenlaube zählt, wird ein weiteres Drittel veranschlagt.

Natürlich wird Walter Wagner nicht zum Zollstock greifen und nachmessen. Der Vereinsvorsitzende drückt gern ein Auge zu, wenn Pächter wenig anbauen und ihren Garten insbesondere zur Erholung nutzen. Dass vor allem Berufstätige keine Zeit haben, sich intensiv um Obst- und Gemüsepflanzen zu kümmern, kann Walter Wagner nachvollziehen. Auf eines legt er allerdings großen Wert: Die Gärten dürfen nicht verwahrlosen.

Zur Freude des Vereinsvorsitzenden zählen zu den Pächtern auch junge Leute, die sich angemessen um ihr Grundstück kümmern. Im Hinblick auf die Altersstruktur der Mitglieder sieht es nämlich düster aus. Mehr als 60 Prozent der Pächter sind älter als 65 Jahre.

Umso mehr freut es Walter Wagner, wenn sich Familien mit Kindern für einen Kleingarten entscheiden. Mit diesen Konstellationen hat er in den vergangenen Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht; denn oftmals werden frei gewordene Parzellen von den Kindern der Vorpächter übernommen und gewissenhaft gepflegt.

Auf den Einklang mit der Natur wird in der Gartensparte großer Wert gelegt. Walter Wagner betont, dass sich der Vereinsvorstand gegen die "Chemiekeule" ausgesprochen hat. Pächter sollen ihre Grundstücke umweltbewusst bewirtschaften. Zu einem idealen Lebensraum für Amphibien haben sich die Feuchtbiotope einiger Gärtner entwickelt. "Es gibt sogar Pächter, die sich ein Insektenhotel gebaut haben", erzählt Walter Wagner.

Angesichts des reichhaltigen Nahrungsangebotes fühlen sich Vögel in der Sparte wohl. Amseln, Spatzen, Meisen, Zaunkönige, Nachtigallen und Elstern gehören zu den gefiederten Bewohnern. "Wir machen jedes Jahr bei der Vogelzählung mit", merkt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Hartmut Rauchfuß an. Er vertrttt die Gartensparte "Am Stadion" jedes Jahr beim traditionellen Homöopathiesommer. Auf sein idyllisches Paradies möchte der Köthener nicht verzichten. Er genießt das angenehme Ambiente in der Gartensparte und die Kollegialität unter den Vorstandsmitgliedern. "Es kann sich jeder auf jeden verlassen", hebt Hartmut Rauchfuß hervor.

Nächstes Jahr wird in der Sparte 65-jähriges Jubiläum gefeiert. Das Erntedankfest am vorigen Wochenende nutzten die Gärtner als kleine Einstimmung. Grillnachmittag und Tanzabend lockten Pächter und deren Gäste in die Gartenanlage.