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Ein «Knigge» zum Vergessen

Von MATTHIAS BARTL 20.10.2008, 16:37

KÖTHEN/MZ. - Schlichtweg gar nichts

Verglichen mit "Knigge 2000" war der Auftritt von Böhnke und Sieckel allerdings eine Offenbarung kabarettistischer Kunstfertigkeit, ein Gag-Gewitter, ein Humor-Höhepunkt. "Knigge 2000" war schlichtweg gar nichts. Mit Sicherheit nicht der "vergnügliche Schlagabtausch", den das Duo Ralf Herzog und Jürgen Haase in der Ankündigung ihres Programms versprochen hatten. Jürgen Haase (Ex-Zwinger-Trio) als Prof. Dr. Nase und Ralf Herzog (Mimenbühne Dresden) als sein Adlatus Dr. Peters sollten laut Plan eigentlich die guten Umgangsformen retten - Haase / Nase als Vortragender, Herzog / Peters als Pantomime, dieweil er - laut Skript - seit seiner Abwicklung im "Frühgemüsezentrum Radebeul-Serkowitz" 1992 mit Sprachlosigkeit geschlagen ist.

"...fragwürdige Wahl"

Das hat ja durchaus Potential zu satirischer Aufarbeitung und Verballhornung gesellschaftlicher Entwicklungen, Umstände und Auswüchse. Dumm ist dabei, dass Haase fast ausnahmslos wenig witzige, dafür weitgehend intelligenzallergische Ödnis verbreitende Texte zur Verfügung stehen, deren Gags nicht mal einen Bart haben können, weil sie als Gags nicht wirklich ersichtlich sind. Zu Herzogs Leistungen im Pantomime-Bereich kann man einfach die Pressemitteilung zur Ankündigung von "Knigge 2000" zitieren: "Der Abend würde sicherlich friedlich...verlaufen sein, hätte nicht Dr. Michael Fürchtegott Peters die Aufgaben übernommen....den Vortrag pantomimisch zu illustrieren. Eine durchaus fragwürdige Wahl!" Was man als Zuschauer nur unterstreichen kann, genauso wie man folgende Sentenz aus der Pressemitteilung stehen lassen kann: "Denn Peters darf ruhigen Gewissens als geballte Inkompetenz auf dem Gebiet der Pantomime betrachtet werden!" Kein Einspruch, Euer Ehren! Es ist eben noch kein Pantomime, wer Grimassen schneidet und ungelenk auf einer Bühne rumhampelt. Und es ist schon gar nicht "lustig-hinterhältig", Fratzen zu schneiden und sich so verzweifelt wie erfolglos zu bemühen, wenigstens ein klein wenig wie Rowan Atkinson alias Mr. Bean zu wirken. Merke: Nicht jeder Stinkefinger ist im wahrsten Sinne des Wortes lächerlich, mancher ist nur peinlich.

Ohnehin erklärt es sich nicht wirklich, nach welchem System Dr. Nase seine Knigge-Themenfelder ausgewählt hat. Die Nummer beginnt mit einem noch leidlich ansehnlichen Part, einem Theaterbesuch mit einer ganzen Reihe von Anleihen bei Mr. Bean. Gut: Benehmen im Theater, warum nicht? Wieso man freilich beim Foyergespräch auf das "Elisabethanische Drama" als Thema kommt, bleibt unerklärt - vermutlich war es eine gute Gelegenheit, Herzog eine Karnevals-Krone aufzusetzen und ihn als König und Boten diverse Typen holzschnittartig darstellen zu lassen. Gelegentlich hatte man bei den mimischen Anstrengungen den Eindruck, Herzog würden seine schauspielerischen Aktionen selbst auf die Nerven gehen. Immerhin: Keine Leistung ist so schlecht, dass sie nicht doch noch Beifall finden würde. Das Ganze wiederholte sich dann im zweiten Teil des Abends unter der Rubrik "Ich stelle verschiedene "Chef-Typen dar".

Nicht mit Pfiff verpackt

Wer nach der Königs- und Boten-Nummer noch nichts fürs Benehmen gelernt hatte, der bekam eine neue Chance beim Thema "Umgang mit Frauen". Nun ist es ja nicht so, dass nicht auch olle Kamellen ihren Reiz auf der Kabarettbühne haben können, dann aber muss man sie wenigstens mit Pfiff verpacken und sie nicht einigermaßen lieblos runterspielen. Der Plot, dass Frauen nicht einparken können und nicht in der Lage sind, mit Technik umzugehen, und grundsätzlich mit angezogener Handbremse losfahren, kann höchstens noch auf einer Betriebsfeier der Gähnkrampf GmbH & Co. KG zu Heiterkeitsausbrüchen führen - und dann auch erst dreieinhalb Stunden nach Ausschankeröffnung.

Und um sozusagen das Leidensmaß vollzumachen, durfte auch der Klassiker der Klamotte nicht fehlen, die Urform aller Tünnes-und-Scheel-Hanswursteleien: der Kerl in Weibersachen. Da durfte man dann aber schon fast wieder mit Respekt feststellen, dass Nase und Peters wenigstens konsequent waren - wenn schon schlecht, dann aber richtig schlecht.

Immerhin: Es bleibt Hoffnung. Am 7. November wird wieder zum Kabarettabend in den Johann-Sebastian-Bach-Saal eingeladen. Mit Katrin Weber, begleitet von Rainer Vothel am Klavier. Und Katrin Weber hat schon zweimal in Köthen richtig gute Programme richtig gut hingelegt: Einmal mit Tom Pauls und einmal mit Bernd-Lutz Lange. Mit ein bisschen Glück also könnte man Knigge schnell vergessen. Wenigstens den "Knigge 2000".