Dürre-Desaster Dürre-Desaste in Quellendorf: Anhalt ist mit am stärksten von der Missernte betroffen

Dessau-Roßlau/Quellendorf - Hoffnung? Die hat Lutz Kreißler für die Ernte in diesem Jahr nicht mehr. „Ein Jahr wie das jetzt habe ich noch nicht erlebt. Wir haben 50 Prozent Ertragseinbußen. Für unsere Tiere muss ich bald Futter zukaufen“, sagt der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Mosigkau, die 1.500 Hektar bewirtschaftet. Im Grunde sei die Getreideernte schon eine Noternte gewesen - etwa drei Wochen früher als in anderen Jahren. „Auch den Mais müssen wir demnächst und damit viel früher noternten.“
Die Bauern in Anhalt erleben durch Trockenheit und Hitze bereits jetzt einen drastischen Einbruch von Erträgen. Wie neueste Zahlen des Landesbauernverbandes zur Getreide- und Rapsernte zeigen, betrifft es die Region mit am stärksten in Sachsen-Anhalt.
Anhalt habe im Vergleich mit anderen Regionen ohnehin schwierige Bedingungen
Die Komplett-Katastrophe will Michael Schenk, Geschäftsführer des Bauernverbandes Anhalt, noch nicht ausrufen. „Aber wir entwickeln uns in diese Richtung. Die Lage ist im Moment extrem. Die anbauenden Betriebe ernten zu wenig, es gibt Qualitätsprobleme. In den tierhaltenden Betrieben muss strenger selektiert werden, Bestände werden reduziert - weil kein Futter da ist.“
Anhalt habe im Vergleich mit anderen Landwirtschaftsregionen ohnehin schwierige Bedingungen, sagt Schenk. „Wir liegen mitten im mitteldeutschen Trockengebiet, es gibt weniger Regen als in anderen Regionen. Und wir haben überwiegend Sandböden. In der Börde zum Beispiel speichert der Boden das Wasser besser.“
Die Missernte könne in den Betrieben nun zu Anpassungen führen. „Es wird geguckt, wo man sparen kann. Es ist durchaus denkbar, dass die Stundenzahl von Mitarbeitern reduziert wird, dass geplante Investitionen zurückgestellt werden.“ Auch Schließungen hält Schenk nicht für ausgeschlossen. „Wer angeschlagen ist beispielsweise von der Milchpreiskrise vor zwei Jahren, der gerät jetzt in richtige Not.“
Die Stroh-Preise haben sich in den vergangenen sechs Wochen verdoppelt
Vor allem in Unternehmen mit Tierhaltung sei die Lage angespannt, weil das Futter knapp ist. Die Strohpreise hätten sich in den vergangenen sechs Wochen verdoppelt, sagt der Bauernverbandschef von Anhalt. Auch Lutz Kreißler von der Agrargenossenschaft Mosigkau geht langsam das Futter für seine rund 600 Rinder aus. „Sie stehen noch auf der Weide, wir haben auch Reserven vom Vorjahr. Aber es reicht nicht mehr lange.“
Kaum anders ist die Situation bei den Quellendorfer Landwirten, die derzeit etwa 1.000 Milchkühe und 650 Jungrinder haben. „Wir haben einen Notstandsplan entworfen, um diese Situation zu überstehen“, sagt Geschäftsführer Klaus Schönfeldt. Bei Maissilage gibt es eine Reserve, die nach der Rekordernte 2017 gebildet werden konnte und noch für etwa drei Monate reicht.
Beim Gras klafft derzeit in Quellendorf eine Futterlücke von drei Monaten
Um zu retten, was noch zu retten ist, wird bereits in der nächsten Woche - sechs Wochen früher als sonst - mit dem Maishäckseln begonnen, und zwar zuerst dort, wo die trockensten Schläge sind.
Beim Gras haben die Quellendorfer nur eineinhalb Schnitte machen können. „Hier klafft eine Futterlücke von drei Monaten“, so Schönfeldt. Deshalb werde jetzt noch einmal einjähriges Gras auf Bewässerungsflächen gesät. Futter von weit her zu kaufen und anfahren zu lassen, das sei schlicht unbezahlbar.
„Wenn es im August nicht ordentlich regnet, dann wird die Lage zu einer richtigen Katastrophe“
Wie alle Bauern, so wartet auch Schönfeldt sehnsüchtig auf ergiebige Niederschläge. „Wenn es im August nicht ordentlich regnet, dann wird die Lage zu einer richtigen Katastrophe. Dann kriegen wir auch keine neuen Früchte in den trockenen Boden“, so der Quellendorfer.
Etwa alle 15 Jahre, so schätzt Schenk, gebe es extreme Dürrejahre. Das letzte gab es 2003. „Man sagt uns ja immer, wir sollen uns auf den Klimawandel einstellen. Andere Arten und Sorten anpflanzen, den Boden pfluglos bearbeiten. Es ist nur nicht ganz so einfach.“ Die pfluglose Bearbeitung würde bereits praktiziert. „Es bedeutet aber, dass beispielsweise Glyphosat eingesetzt werden muss, das in der Kritik steht. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Die Forschung und Züchtung trockenresistenter Sorten wiederum stünde noch am Anfang. (mz)