Auf den Spuren echter Fitzau-Seife
Köthen/MZ. - Stilecht im Gehrock
Der Vortragende hieß Michael Schramme und kann seine Herkunft in direkter Linie auf den Firmengründer der vielen hier noch bestens bekannten Seifensiederei Fitzau zurückführen. Schon immer sei in seiner Familie das Andenken an die Vorfahren, die sich in Köthen bis ins 16. Jahrhundert nachweisen lassen, hoch gehalten worden, und er habe seit Jahren intensive Recherche betrieben.
Was lag da näher, als die Erkenntnisse dem interessierten Köthener Publikum nahe zu bringen? Und dies sollte sich als sehr gute Idee herausstellen, wie der brechend volle Saal des Hotels "Stadt Köthen" bewies. Schramme hatte sich große Mühe gegeben, neben seinem unterhaltsamen und kompetenten Vortrag überzeugten auch die originalen Kostüme und etliche zeitgenössische Exponate bis hin zur herumgereichten über 100 Jahre alten Seife, die ehrfürchtig bestaunt wurde.
Schramme, stilecht im Gehrock und mit Chapeau claque, begann seinen Exkurs zunächst mit einem Überblick über das Zunft- und Innungswesen in Köthen, angefangen von der Ersterwähnung einer Innung im Jahre 1373, namentlich der der Bäcker, bis hin zur 1869 erschienenen Gewerbeordnung, die den öffentlich rechtlichen Charakter der Innungen endgültig beseitigte. Gerade in Köthen habe man sich lange mit der Abschaffung alter Verfahrensweisen schwer getan. Wie Schramme erzählte, hätte sich doch schon der 1830 gestorbene Herzog Friedrich Ferdinand dahingehend geäußert, dass es ein großes Unglück seiner Zeit wäre, dass man die alten Handwerksbräuche abschaffe.
Im zweiten Teil der laut Schramme trockenen, aber vom Publikum nicht so empfundenen Theorie, ging es dann um das Thema "Was ist Seife?" Hier wurde dem staunenden Zuhörer vom ältesten überlieferten Rezept aus der Zeit um 2 500 v. Chr. aus Mesopotamien berichtet, auch war zu erfahren, welch unterschiedlichen Rohstoffe je nach Weltregion zum Einsatz kamen und dass Seife längst nicht immer dem heutigen Zweck diente.
So hätten Germanen und Gallier sie als Haarpomade eingesetzt. Im Mittelalter kam die Seifenherstellung dann durch die Mauren über die iberische Halbinsel nach Europa, worauf sich vor allem im Mittelmeerraum ein blühendes Handwerk entwickelte. Aber erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Waschen dann wirklich en vogue, und durch billigere Rohstoffe und Herstellungsverfahren trat die Seife langsam, aber unaufhaltsam ihren Siegeszug an.
Schon vor 1733 hat es laut Schramme Seifensieder in Köthen gegeben, als in jenem Jahre die Seifensiederinnung als 32. Innung gegründet wurde. Und mit dem Regionalbezug war der Bogen perfekt zur Familien Fitzau geschlagen. Denn 1819 tauchte ein August Fitzau erstmalig in den Innungsprotokollen auf, 1823 findet er sich als Seifensiedermeister und Ratsmann am damaligen Markt 6, der heutigen Buchhandlung am Markt.
Den Sohn Carl Wilhelm, dessen Frau Auguste Patientin bei Samuel Hahnemann ist, verschlägt es als Rektor, Diakon und Pfarrer nach Preußlitz und Nienburg. Das Paar hat vier Söhne. Einen davon zieht es Seifensiedemeister wieder zurück nach Köthen. Theodor August Carl Friedrich (1825-1904) erwirbt den ersten Firmensitz in der 1928 abgebrochenen Schalaunischen Straße 18, wo sich heute die ehemalige SpoWa erhebt, und heiratet 1852 Johanna Charlotte Marie. Jene wird in der Familie eigentlich immer nur die "Brückensturz-Oma" genannt, da sie den verhängnisvollen Einsturz der Nienburger Hängebrücke 1826 überlebt hatte und als Dankeschön für die Rettung zweier Kinder vom Herzogshause eine heute noch im Familienbesitz befindliche Zuckerdose geschenkt bekam.
"Rasender Seifensieder"
Als Zeitpunkt der Firmengründung findet sich der 30. November 1852 in den Akten. Nach 32 Jahren erfolgreicher Geschäftstätigkeit übergibt der Firmengründer den Betrieb an zwei seiner sechs Kinder, an Theodor, einem gelernten Seifensieder, und Paul, einem gelernten Kaufmann. Und so erfolgt denn auch 1884 die Umbenennung der Firma in "Gebrüder Fitzau GmbH", das neue Firmengelände liegt an der Heinrichstraße 13. Bezeugt ist auch für diese Zeit das sehr gute Einvernehmen zwischen der Belegschaft und ihren beiden Chefs, übrigens beide verheiratet mit Töchtern des in Köthen fast schon legendären Hoflieferanten und Fleischermeisters Schreiber.
Man produzierte damals schon in breites Sortiment, so zum Beispiel die "Oranienbaumer Waschkernseife ohne Gleichen", oder die "echte Fitzau-Seife", beste Trockenkernseife, Versand nur an Private. Schwester der beiden 1913 und 1919 gestorbenen Inhaber ist übrigens Johanna Christiane Marie, eine verheiratete Stöber, die direkte Vorfahrin Schrammes. Übernommen wird die Firma wiederum von einem Theodor Fitzau, der nach der Lehre in Schüchten und dem Kriegsdienst 1919 den elterlichen Betrieb übernimmt, welcher "leidlich" die folgenden Inflationsjahre übersteht. Neben der Seifensiederei finden sich noch viele Talente in den Linien der Fitzaus, so zum Beispiel Kammersängerei. Und der Sohn Theodors, Theodor Heinrich, versuchte sich als Rennfahrer, war als "rasender Seifensieder" bekannt. Vielen Köthenern ist auch Sanitätsrat Fitzau als Chef des Hospitals ein Begriff, ebenfalls Teil dieser großen Familie.
1975 endet Produktion
Ab 1936 stellte sich dann endgültig eine Gesundung der Firma ein, Umsatz machte man vor allem mit Ton- und Schwimmseife. Inhaber Theodor ist 1940 stellvertretender Gemeinderatsvorsitzender von St. Jakob, ein Stadtratsamt hatte er zuvor aus politischen Gründen abgelehnt. Zu dieser Zeit erwarb man auch die Schokoladen- und Konfitürenfabrik in der Heinrichstraße 49. Ein weiterer Sohn Theodors, Werner, erzählte gern, dass dieser Umstand etliche Scherze auf dem Schulhof provozierte: "Eure Schokolade schmeckt nach Seefe." Nach Krieg und Zusammenbruch produziert Theodor Fitzau Toilettseifen aus Palmölen und die so genannte "Einheitsseife" und spricht in einem Radiointerview 1947 offen über die Rohstoffschwierigkeiten, die sich aus der deutschen Teilung ergeben. Seiner Meinung nach ist der Anschluss an den Weltmarkt erforderlich, und die Zonengrenzen müssten beseitigt werden. 1963 stirbt Theodor, und Frau Käthe führt die Firma weiter, das 1972 verstaatlicht wird. Werner und Käthe gehen nach Baden-Württemberg. Als VEB Waschmittelfabrik stellt man mit fünf Arbeitern, einer Schreibkraft und einem Buchhalter die "Feinseife Puck" für stark verschmutzte Hände her, das Grobwaschmittel GEFITA.
1975 stellt man die Produktion von Seife ein, und eine Umstellung auf die Fertigung von Lederprodukten endet bereits nach einem Jahr. So endet die Geschichte eines traditionsreichen Unternehmens. Nicht aber die Geschichte dieser Familie, nicht zuletzt auch durch die Arbeit Michael Schrammes, auf den nach dem lang anhaltenden Beifall der begeisterten Zuhörerschar für den kurzweiligen Vortrag noch eine große Überraschung wartet.
Denn aus dem Publikum erhebt sich ein Nachfahre der 1708 entstandenen Dessauer Linie der Fitzaus, heute in Hamburg lebend. Man kenne sich nur per E-Mail, der Vortrag sei ein willkommener Anlass gewesen, nach Köthen zu kommen und mit den mitgebrachten Unterlagen weitere Puzzleteile dieser, so Schramme, "unendlichen Geschichte" zusammenzusetzen. Man darf gespannt sein.