Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Vitamin-C-Bomben vom Acker
QUELLENDORF/HINSDORF/MZ. - "Der muss jetzt runter." Darin ist sich Quirin Forster ganz sicher. Zum einen, weil der lange Regen die Ernte eh' nach hinten verschoben hat. Zum anderen: "Manche Früchte werden schon heller. Das ist ein deutliches Zeichen, dass der Sanddorn richtig reif ist", sagt der Geschäftsführer der APH Hinsdorf auf einem Feld bei Hinsdorf, das durch seine orangene Farbenpracht ein regelrechtes Fest fürs Auge ist.
Hier steht die "Zitrone des Ostens" mit ihrem hohen Vitamin-C-Gehalt in Reih und Glied, die Reihen entlang fährt langsam ein Sanddornvollernter, der die Zweige samt daran befindlichen Beeren über eine Transportbrücke auf den Hänger eines Traktors ablädt, der parallel dazu in der nächsten Reihe fährt. Mit insgesamt rund 70 Tonnen Ausbeute rechnet Quirin Forster in diesem Jahr.
Begonnen hat dieser Geschäftszweig der APH im Jahr 2005, als eine Beschäftigungsgesellschaft, die auf von der APH gepachteten Flächen mit Sanddorn experimentiert hatte, insolvent geworden war. Die Gesellschaft war zwar nun weg, aber der Sanddorn noch da. Auf Feldern der Genossenschaft. "Also haben wir angefangen, uns damit zu befassen", sagt Quirin Forster. Der Mann, der das in der Beschäftigungsgesellschaft federführend getan hatte, Michael Ziemer, wurde übernommen, nach und nach ist die Fläche erweitert worden - von anfangs neun auf nunmehr 47 Hektar -, eine eigene 100-prozentige Tochterfirma, die Sanddorn GmbH, entstand. Nicht zuletzt, weil man sich für ökologische Produktion entschieden hatte. Und man machte sich auch gleich zu Anfang Gedanken, wie man die ganzen Abläufe weitgehend mechanisieren könne.
Der Sanddornvollernter wurde gebaut. Forster schmunzelt: "oder sagen wir lieben gebastelt". Denn er war behaftet mit Kinderkrankheiten, die ihm in den Folgejahren mit viel Initiative und in Zusammenarbeit mit einer brandenburgischen Firma für Spezialmaschinen Schritt für Schritt ausgetrieben wurden. Jetzt ist die Erntemaschine technisch ausgereift. "Der Knackpunkt ist jetzt eher das Abrütteln", macht Quirin Forster auf ein neues Erfordernis aufmerksam: Es wird jetzt so effektiv geerntet, dass die Dessau-Kochstedter Anlage, in der die Zweige schockgefrostet und dann von den Zweigen abgerüttelt werden, nicht mehr so recht nachkommt. Das wird also noch bis zum Wochenende andauern, wenn die Ernte längst abgeschlossen ist. In Containern werden die kleinen Vitamin-C-Bomben dann eingefroren gelagert - bis zum Abtransport zur Sanddorn GbR Hohenseefeld. Dort wird der Hinsdorfer Sanddorn dann beispielsweise zu Saft, Wein, Gelee, Marmelade, sogar zu geistigen Getränken.
Der nächste Schritt für eine noch höhere Sanddorn-Produktion ist also schon ins Auge gefasst: die Kapazität der Frost- und Rüttelanlage zu erhöhen. Doch allein dabei soll es nicht bleiben. Im Idealfall hätte die APH vor, ihre Sanddornflächen noch auf rund 200 Hektar zu erweitern. Dabei allerdings stößt man auf Schwierigkeiten.
Die jetzigen 47 Hektar teilen sich bereits in insgesamt fünf Plantagen auf. Und mehr sollen es nicht werden - allein der Wege wegen. Die Erweiterung an den fünf Standorten aber müsste auf genossenschaftseigenen Flächen passieren (Sanddorn ist eine Dauerkultur). Die anvisierten Grundstücke allerdings unterstehen der BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH), werden zum Verkauf ausgeschrieben. Und 50 Hektar, an denen die APH Hinsdorf Interesse hatte, sind bereits an einen anderen Bieter gegangen. "Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, doch noch zum Zuge zu kommen", ist Forster optimistisch, dass es in Zukunft gelingen werde, auf weitaus mehr Grund und Boden Sanddorn anzubauen und zu ernten.
Schon jetzt aber sagt der APH-Chef: "Okay, es lohnt sich." Die anfänglichen Probleme sind passé, der Bedarf ist im Wachsen begriffen, der Hinsdorfer Bio-Sanddorn, der ohne jegliche Chemie und ohne Dünger heranwächst, ist begehrt. Dennoch wird es für die Genossenschaft eine Nischenproduktion bleiben. Sie vollzieht sich ausschließlich auf Flächen, die für den Anbau von beispielsweise Mais, Weizen oder Rüben nicht geeignet sind. Mit Sanddorn sollen die Flächen quasi veredelt, soll ein höheres Betriebsergebnis für die APH ermöglicht werden.
Außer dieser Nische hat die APH Hinsdorf neben der Milchproduktion mit 600 Kühen und weiteren Geschäftsfeldern immerhin 10 600 Hektar Land in Bewirtschaftung.