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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Elbefreunde trotzen dem Gegenwind

Von CLAUS BLUMSTENGEL 25.07.2010, 16:44

STECKBY/MZ. - Ziel der Paddeltour war das wenige Kilometer elbabwärts gelegene Elbe-Saale-Camp, das Naturschützer in Barby eingerichtet haben. Doch "Kapitän" Ingo Seubert hatte so seine Zweifel, ob das noch aus NVA-Beständen stammende Schlauchboot angesichts des böigen Windes überhaupt sein Ziel erreichen würde. Da war ununterbrochenes, kräftiges Paddeln nötig, weshalb man den Dialog vorsichtshalber bereits am Ufer begann.

Auf Gegenwind von anderer Seite machte ein am Elbufer stehender Freizeitpaddler die Gruppe aufmerksam: "Geht doch mit eurem Elbe-Saale-Camp nächstes Mal nach Aken, da kommt ihr nicht weit", wies er auf die dort vorherrschende Stimmung und auf den Interessenkonflikt zwischen Betreibern und Mitarbeitern der Häfen in Aken und Roßlau und den Elbeschützern hin. Während die einen möglichst ganzjährig Frachtschiffe abfertigen wollen, wofür der oft zu flache Fluss erst baulich ertüchtigt werden müsste, setzen die anderen auf eine naturbelassene Elbe und deren Anziehungskraft auf Touristen.

Wie in den vergangenen Jahren stieg auch diesmal kein Befürworter der ungehinderten Binnenschifffahrt mit ins Boot, so dass nur die Argumente einer Seite zu hören waren.

"Wir haben hier mit 400 Kilometern Länge das größte Schutzgebiet Deutschlands, das ist kaum jemandem bewusst", wies Ernst Paul Dörfler vom Elbeprojekt des BUND auf das touristische Potenzial der Elbauen hin. Laut Statistik würde jeder Tourist in der Elbregion im Durchschnitt 60 Euro pro Tag ausgeben, so Dörfler. Selbst Touristen, die zuvor ausschließlich in Skandinavien und Kanada gepaddelt seien, wären von der Elbe begeistert, da sie hier durchfahren könnten, ohne ihr Boot an Wasserbauwerken vorbei tragen zu müssen.

Dieser Natur-Tourismus, der auch die Kulturdenkmäler der Region einbeziehe, bringe mehr Arbeitsplätze als Ausbauprojekte an Elbe und Saale, von denen nur wenige profitieren würden, meinte Sachsen-Anhalts Landesvorsitzende von Bündnis '90 / Die Grünen, Claudia Dalbert. "Uns geht es um Arbeitsplätze hier an der Elbe und nicht bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion", führte die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Dorothea Steiner, einen Seitenhieb auf die Verantwortlichen für die Fluss-Ertüchtigung.

Das Argument, in den Elbhäfen und auf den Binnenschiffen ginge es schließlich auch um Arbeitsplätze, ließ Ernst-Paul Dörfler nicht gelten. Deren Zahl sei im Vergleich zu den Beschäftigten rund um den Tourismus gering. Ganzjährige Schifffahrt, das ginge laut Ernst Paul Dörfler nur mit Beton und Staumauern auf der gesamten Länge der Elbe mit entsprechenden Folgen für Natur und Tourismus. Er sprach von Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe. "Dieser Preis ist uns zu hoch; und die Mehrheit will das nicht", stellte er fest. Der jetzt geplante Elbe-Saale-Kanal soll laut Dörfler nur den Druck Richtung Elbe-Ausbau erhöhen. "Sonst kommen die Schiffe von der Saale ja hier nicht weiter", argumentierte der Leiter des Elbe-Projekts. "Wir wollen, dass diese Pläne in den Papierkorb kommen", stellte Dörfler klar, der den Kanal als "absurdes Projekt" bezeichnete, dessen Nutzen gegen Null tendiere.

Doch nicht alle staatlichen Maßnahmen an der Elbe stießen bei den Naturschützern auf Kritik. Deichrückverlegungen, wie sie gerade im Lödderitzer Forst laufen, seien vernünftig. Hier würden dem Fluss einst geraubte Überschwemmungsflächen zurückgegeben. Dadurch würden künftige Hochwasserstände gesenkt.

Schließlich haben sich die Elbefreunde am Sonnabend in ihrem Schlauchboot derart ins Zeug gelegt, dass sie den Gegenwind überwanden und das Elbe-Saale-Camp sogar eine halbe Stunde früher als geplant erreichten. Am Sonntag sind sie zur Saalemündung bei Barby gepaddelt, wo sie rund 100 Pro-Elbe-Demonstranten erwarteten.