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89-jähriger aus Köthen 89-jähriger aus Köthen: Die Liebe zu Modellflugzeugen und eine Verbindung zu Karel Gott

Von Matthias Bartl 04.04.2020, 10:00
Mit fast 89 Jahren macht sich Herbert Ackermann Gedanken, was aus seiner Sammlung wird. Vielleicht geht sie nach Prag.
Mit fast 89 Jahren macht sich Herbert Ackermann Gedanken, was aus seiner Sammlung wird. Vielleicht geht sie nach Prag. Matthias Bartl

Köthen - So richtig heimisch geworden ist Herbert Ackermann in seiner neuen Behausung auch nach einem Jahr noch nicht. „Ich“, sagt der Köthener, „weine immer noch der alten Wohnung nach.“ Aus einem ganz besonderen Grund: „Mir fehlt die vierte Wand.“ In dem Zimmer nämlich, das Ackermann in eine Art Museum verwandelt hat.

Wo Sammlerstücke aus seinem langen Leben buchstäblich jeden freien Quadratzentimeter belegen. Flugzeugmodelle. Bücher. Gerahmte Fotos von alten Autos. Ein Poster von Satchmo. Der Ehrendolch eines Offiziers.

Buchstäblich zu jedem Stück in Regalen und Vitrinen kann Herbert Ackermann eine Geschichte erzählen. Oder zwei. Die Geschichte des Modells. Die Geschichte, die Ackermann damit verbindet.

Zum Beispiel die DKW 175, in deren Restaurierung Ackermann nach der Wende, als er einige Zeit in Hamburg lebte, drei Jahre Arbeit investiert hat. Als Belohnung für sich selbst, weil er gerade eine Krebserkrankung überstanden hatte. Als besondere Fingerübung für einen Feinmechaniker, der sich immer von den kniffligsten Aufgaben angezogen gefühlt hatte. Und die DKW war eine solche Sisyphus-Arbeit. „Da war alles verbastelt“, erinnert sich Ackermann, der gern die Vorbesitzer des Motorrads kennen gelernt hätte, „um sie zusammenzustauchen.“

Herbert Ackermanns besondere Sammelleidenschaft allerdings gilt den Flugzeugen

Zum Beispiel eine BMW, Baujahr 1931. „Das war ein Schrotthaufen“, sagt Ackermann knapp. Achteinhalb Jahre lang hat er gebraucht, um aus dem Schrotthaufen wieder ein Schmuckstück zu machen, „und nur deshalb, weil die Maschine in dem Jahr gebaut wurde, in dem ich zur Welt kam.“

Herbert Ackermanns besondere Sammelleidenschaft allerdings gilt den Flugzeugen. Oder genauer: den Flugzeugmodellen. Was aus der Zeit herrührt, als er in den frühen 1940er Jahren mit anderen Jungs aus Gröbzig am Akazienberg Segelflugzeuge „hochgezogen“ hat: Die Stadt an der Fuhne galt als lokales Mekka für diesen Technik-Sport. Schon damals hat Herbert Ackermann auch mit dem Flugzeugmodellbau begonnen. „Das erste Flugzeugmodell war noch ein Papierklebebogen“, erinnert er sich. „Aber die ersten sind alle verloren gegangen.“

Umso mehr hat er ein Auge auf die Modelle, die jetzt in seiner Wohnung stehen. Modelle der Maschinen von Bleriot und Lindberg, mit denen die beiden Flugzeugpioniere als erste über den Ärmelkanal und über den Atlantik flogen. Das seltene Modell einer Siebel 204, wie sie in Halle-Nietleben gefertigt wurde - ursprünglich als Passagierflugzeug angelegt wurde sie aus Kriegsgründen zum Schulflugzeug umkonstruiert. Gleich daneben steht eine U12, wie sie Ernst Udet geflogen ist und Heinz Rühmann in „Quax, der Bruchpilot“.

Lehre als Feinmechaniker bei Textima in Gröbzig

Den hatte Ackermann als Junge noch im Kino gesehen. Nicht lange, bevor er bei Textima in Gröbzig eine Lehre als Feinmechaniker begann. Ein bis heute richtungweisender Schritt, denn wer weiß, ob Herbert Ackermann so technikneugierig geworden wäre, wenn er - sagen wir - den Beruf eines Bäckers ergriffen hätte. Bei Textima aber bekam er nicht nur eine solide Ausbildung, sondern „dort hatten alle Gesellen ihre Ausbildung bei Junkers gemacht, da gab es nur Fachleute“. Von denen der junge Ackermann viel lernte. Sieger im Berufswettbewerb wurde, im Sieben-Jahr-Plan als Jungaktivist ausgezeichnet wurde, als Gesellenstück ein komplettes Bohrfutter herstellte.

Das Geschick im Beruf kam und kommt ihm nicht nur beim Modellbau zugute. Sondern auch dem Trompeter Ackermann - der sich für sein Instrument, eine fast 100 Jahre alte Rarität aus der Dordogne, ein Zufallskauf, das Mundstück aus Plexiglas selbst gemacht hat. Zur Musik, zur Trompete ist Herbert Ackermann während seiner Zeit in Leipzig gekommen, „dorthin hatte mich mein damaliger Betrieb, der VEB Förderanlagenbau, na, sagen wir mal: vermietet, zur sozialistischen Aushilfe bei den großen Klamotten, die die da bauten. Das hat richtig Spaß gemacht, wenn da die Späne flogen.“

In Leipzig war zu dieser Zeit Kurt Henkels Leiter des Rundfunktanzorchesters, dessen Startrompeter Horst Fischer war. „Ich habe mir den noch und noch angehört“, erinnert sich Ackermann. Der sich daraufhin eine Trompete kaufte und sich autodidaktisch das Spielen beibrachte.

Bekanntschaft mit Karel Gott und ein gemeinsames Leiden

Immerhin so gut, dass Herbert Ackermann später in Köthen die „FK-Rhythmiker“ aufbaute - was ihn sich heute noch dankbar an Fritz Greie erinnern lässt, der später für die Linke im Stadtrat saß, damals aber die Kultur im Förderanlagenbau in Schwung brachte; auch durch finanzielle Unterstützung. Ohne Greie, da ist sich Ackermann sicher, „hätte es viel von der Kultur bei FK nicht gegeben“.

Ackermanns Zeit an der Trompete ist lange vorbei. Dabei hätte er zumindest einer Zufallsbekanntschaft, die die Musik besonders schätzte, später ein Ständchen bringen können: Karel Gott. 1985 war Ackermann zur Kur in Karlsbad, wo ihm ein alter VW-Kübel samt interessierter Männerrunde auffiel. Mit den böhmischen Autonarren kam der anhaltische Autonarr Ackermann ins Gespräch, „und die haben gestaunt, was ich alles zu dem Fahrzeug wusste“.

14 Tage nach Ende der Kur bekam er Post aus Prag, vom dortigen VW-Klub, der damals noch anders hieß und der tschechischen GST, der Svazarm angehörte. „Seitdem bin ich dort als einziger Deutscher Mitglied“, sagt Ackermann.

Der Chef des Klubs wiederum war ein Schulfreund Karel Gotts. „So ist der Kontakt zustande gekommen.“ Der sogar dazu führte, dass der weltberühmte Schlagersänger die Unterlagen zur Krankengeschichte Ackermanns erhielt.

„Karel litt an demselben Krebs, den ich auch hatte. Und weil ich den Krebs besiegen konnte, sollte Gott wissen, wie das gegangen war.“ Noch immer bedauert Ackermann, dass alle Mühen nicht geholfen haben, den Sänger gesunden zu lassen.

Mit fast 89 Jahren macht sich Herbert Ackermann Gedanken, was aus seiner Sammlung wird

Die Beziehungen zu Tschechien weisen auch in die Zukunft. Mit fast 89 Jahren macht sich Herbert Ackermann Gedanken, was aus seiner Sammlung wird. Einer Sammlung, die ohne 08/15-Modelle auskommt, dafür aber Seltenheiten in sich vereint. „Ich wollte möglichst alle Flugzeuge haben, die einen besonderen historischen Bezug aufweisen“, sagt Herbert Ackermann. Eine Sikorsky-„Banane“ etwa. Oder die Trainingsversion einer deutschen Dornier 335, von den Amerikanern „Anteater“, also Ameisenbär genannt.

Spitfire, Messerschmidt, Focke-Wulf - nicht nur die halbe Jagdflugzeug-Armada des Zweiten Weltkriegs steht bei Ackermann winzig und harmlos hinter Glas, auch Kuriositäten des Flugzeugbaus wie der „Fliegende Holzschuh“ von Blohm & Voss oder die „Tiger Moth“ oder ein italienisches Rennflugzeug der Marke Agnelli, mit dem Herbert Ackermann noch nicht ganz fertig ist.

Und auch Modellbau-Träume hat er noch: „Die U2, das amerikanische Spionageflugzeug, das am 1. Mai 1960 von den Russen abgeschossen wurde, hätte ich noch gern.“
Und all das, was Herbert Ackermann an Flugzeugmodellen zusammengebaut hat, soll einmal einen Platz in Kbely finden, einem Ortsteil von Prag mit einem Militärflugplatz, wo sich in der Mladoboleslavská Ulice, also der Jungbunzlauer Straße, seit über 50 Jahren ein Luftfahrtmuseum befindet.
Dort würden dann die kleinen Modelle neben den großen Kisten aus längst verschollenen Fliegerzeiten zu sehen sein. „Das“, sagt Herbert Ackermann, „würde mir gefallen.“ (mz)