Zirkus-Projekt an Grundschule: Zirkus-Projekt an Grundschule: Manege frei statt Unterricht

Jessen - Lucas Schleinitz sitzt im Holzfass und verteidigt die kleine Schatztruhe bis zur letzten Sekunde. Erst als das letzte Schwert über seinen Kopf hinweg saust, schwenkt der Schüler der dritten Klasse die weiße Fahne und überlasst den angriffslustigen Piraten die Beute. Trainer Lorenzo Rosner verfolgt die Szenerie aufmerksam, gibt Tipps und lässt das Schauspiel bei Bedarf wiederholen.

„Er hat mir gesagt, dass nichts passiert. Alle Schwerter sind stumpf“, meint Schleinitz, der im Schneidersitz geduldig auf weitere Anweisungen wartet. Der Zehnjährige aus der Max-Lingner-Grundschule empfindet es als „große Ehre“, dass Rosner ihn ausgewählt hat, den tapferen Helden zu spielen. „Meine Eltern werden stolz sein.“

Der Coach aus dem Projektzirkus André Sperlich (Meltendorf) hält die Freibeuter der Meere auf Kurs. „Am Mittwochabend steht die erste Vorstellung auf dem Plan“, so der 18-jährige Lorenzo, der die Messlatte in puncto perfekte Ausführung hoch legt.

„Es macht Spaß, mit Kindern zu arbeiten. Sie sind mit viel Eifer bei der Sache“, fügt er an und gibt Sekunden später mit „kurze Pause“ ein wichtiges Gefechtssignal. Die Piraten wickeln ihre Brote aus und ziehen bis Mittag noch dreimal in die Schlacht.

Insgesamt 276 Kinder der Jessener Max-Lingner-Grundschule sind in das Zirkusprojekt involviert. Die beiden Vorstellungen der Gruppe B stehen am Mittwoch und Freitag jeweils von 17 bis 19 Uhr auf dem Programm. Am Donnerstag ab 17 Uhr zeigen die Schüler der Gruppe A innerhalb von zwei Stunden ihr Können. Zum letzten Mal „Manege frei“ heißt es am Sonnabend ab 10 Uhr. Das Zelt vom Projektzirkus André Sperlich steht auf dem Schulfestplatz.

Im Zirkuszelt herrscht am Montag Hochbetrieb. Unter fachkundiger Anleitung mehrerer Artisten werden die Grundschüler aus Jessen Raubkatzen, Seeräuber, Hochseil- oder Trapezkünstler sowie Tierdompteure. „Ich habe keine Angst“, sagt Marie Schulze aus der 2b, die zuvor kopfüber am Trapez gehangen hat. Die Blondine betont, dass sie gern turnt und zudem Handball beim JSV 53 spielt.

„Wenn Publikum im Zelt sitzt, bin ich bestimmt aufgeregt“, sagt sie. Trainer Steven Sperlich versucht den Kindern zu vermitteln, dass Zirkus vor allem Show ist. Jede Handbewegung muss sitzen, selbst der Abmarsch aus der Manege ist ein Bestandteil der Choreografie. „Und immer lächeln“, schärft er seiner Gruppe ein, die zusätzlich eine Raubtiernummer (ohne Raubtiere) einstudiert. Ein paar Meter weiter läuft Emma Strube locker über das Hochseil und hält per Fächer die Balance.

In der Mitte erfolgt eine Drehung - Absprung, Verbeugung, geschafft! „Es ging leichter als gedacht“, sagt das Mädchen aus der 2b, die ihren Auftritt in der Manege „einfach klasse“ findet. Die Achtjährige geht davon aus, dass sie bei der ersten Vorstellung am Mittwochabend ein wenig nervös ist. Vor vollem Haus sei sie noch nie über ein Hochseil gelaufen.

Die Arbeit mit Pfautauben geht den kleinen Stars nicht so leicht von der Hand. Diese flattern aufgeregt durch die Manege und sorgen für viel Heiterkeit. Tierdompteurin Iris Kuhwald versucht, Ruhe in ihr Team zu bringen. „Keine Angst, es sind nur Tauben. Die beißen nicht“, sagt sie mehrfach und nimmt auch den letzten Zweiflern die Angst.

„Deshalb“, schiebt sie ergänzend nach, „habe ich alle Übungen zunächst ohne Tiere machen lassen.“ Beim Finale sitzen alle Tauben auf ihrem Platz und genießen die Karussellfahrt. Die Kinder üben Hände schwingend den Ausmarsch, der erste Trainingstag ist geschafft. (mz)